„Bestätigt unsere Arbeit“

Spitze in Deutschland: Rettungsdienst im Kreis Gütersloh erreicht Bestwerte

In OWL kommt der Rettungsdienst häufig später als gefordert – im Kreis Gütersloh kann der Rettungsdienst in 80 Prozent der Fälle in acht Minuten helfen.

Der Rettungsdienst des Kreises Gütersloh erreicht in einer Kategorie einen bundesweiten Spitzenwert. | © Neue Westfaelische Zeitung

19.07.2024 | 19.07.2024, 12:31

Kreis Gütersloh. Bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand zählt jede Sekunde. Das heißt, insbesondere das frühe Intervall bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes. Experten fordern für diese Situation, dass der Rettungsdienst in mindestens 80 Prozent der Fälle binnen acht Minuten am Einsatzort sein soll, doch längst nicht überall in Deutschland gelingt das.

Eine bundesweite Datenanalyse deckt große Unterschiede auf und zeigt, welch hohe Qualität der Rettungsdienst des Kreises Gütersloh hat. Das Ergebnis einer Daten-Recherche zur Notfall-Rettung wurde am Dienstag in der „ARD“ ausgestrahlt.

Für NRW gilt: Nur elf von 54 Rettungsdienstbereichen gaben an, die genannte Hilfsfrist in 80 Prozent der Fälle einhalten zu können. Im Kreis Gütersloh klappt das besonders gut. „Das Thema Sicherheit ist mir als Landrat immer ganz wichtig, es steht oben auf der Prioritätenliste“, wird Landrat Sven-Georg Adenauer in einer Mitteilung des Kreises zitiert.

Rettungsdienst wird vom Kreis in Eigenverantwortung betrieben

Und weiter heißt es: „Wir haben einen hervorragend aufgestellten Rettungsdienst. Der aktuelle Vergleich bestätigt unsere Arbeit.“ Was sind die Gründe dafür, dass die Überlebenschancen im Rettungsdienstbereich Kreis Gütersloh gut sind?

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Der Kreis hat sich dafür entschieden, den Rettungsdienst in Eigenverantwortung zu betreiben. Das garantiere Personaltreue, idealen Wissenstransfer, Flexibilität im Personalkörper, Ortskenntnis und hohe Motivation.

Politik und Verwaltung sorgten fortlaufend dafür, dass die Rettungswachen und -fahrzeuge auf neuestem Stand der Technik eingerichtet seien oder entsprechend aufgerüstet würden, sowie dass das Personal den aktuellen Anforderungen folgend fortgebildet sei.

So wichtig ist die Hilfe der Retter am Telefon

Wissenschaftliche Untersuchungen ergaben, dass die Überlebensrate von Patienten signifikant verbessert wurde, wenn ein Laien-Ersthelfer durch Anleitung per Telefon gesteuert wurde (Telefonische Herz-Lungen-Wiederbelebung, T-CPR). Das heißt, es komme darauf an, dass die Leitstelle schon am Telefon die Fälle von Herzversagen erkennen kann. Dazu sei das Personal methodisch geschult.

Im Kreis Gütersloh würden 44,7 Prozent der Wiederbelebungen von der Kreisleitstelle telefonisch angeleitet. In mehr als der Hälfte der Fälle findet also keine T-CPR statt, aber dennoch ist das deutschlandweit der zweithöchste Wert von allen 120 Rettungsdiensten, die am Reanimationsregister teilnehmen.

Bernd Strickmann, Ärztlicher Leiter Rettungsdienst Kreis Gütersloh. - © Kreis Gütersloh
Bernd Strickmann, Ärztlicher Leiter Rettungsdienst Kreis Gütersloh. | © Kreis Gütersloh

T-CPR könne je nach Verfassung der Anrufenden unmöglich sein oder auch unnötig, etwa bei geübten Laien oder wenn Experten vor Ort sind. Im Jahr 2022 konnte der Rettungsdienst im Kreis Gütersloh bei 143 Menschen nach Herz-Kreislauf-Stillstand wieder einen eigenen Herzschlag herbeiführen und sie lebend ins Krankenhaus bringen.

In diesem Bereich spiele der Kreis Gütersloh in der „Champions League“

Fast wöchentlich kann ein Mensch, der im Kreis Gütersloh einen Kreislaufstillstand erlitt, lebendig das Krankenhaus verlassen (48 in 2022). Für 39 von ihnen geschah das in einem guten Zustand. Mit 81,2 Prozent gegenüber dem Bundesdurchschnitt von 52,4 Prozent (Deutsches Reanimationsregister) spiele der Kreis Gütersloh hier in der „Champions League“.

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Die allermeisten Reanimationen finden im häuslichen Umfeld statt. Laut dem Deutschen Reanimationsregister: Bundesweit 76 Prozent, im Kreis Gütersloh 82 Prozent – viele per Telefon.

Gütersloh gehört zu den Kreisen, die ihre Daten in das Register einspeisen und seit der Gründung 2007 dabei sind. Pro 100.000 Einwohner wird im Kreis Gütersloh 99,7 Mal mit einer Reanimation begonnen, also tatsächlich 365 Mal pro Jahr. Der Bundesdurchschnitt unter den Teilnehmenden am Reanimationsregister liegt bei 77,3 Mal.

Mobile Retter sind oftmals noch schneller vor Ort

In der Überbrückungszeit bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes übernehmen oft so genannte „Mobile Retter“ die Notfallhilfe. Dieses smartphonebasierte System wurde im Kreis Gütersloh von Ralf Stroop technisch entwickelt und ist mittlerweile in Deutschland unter verschiedenen Namen im Einsatz.

Mobile Retter erhöhten deutlich die Chancen, einen Kreislaufstillstand zu überleben und ohne bleibende Schäden aus dem Krankenhaus entlassen zu werden. Das ist inzwischen, nicht zuletzt durch die wissenschaftliche Arbeit hier vor Ort, bewiesen. Geschulte, in der Wiederbelebung erfahrene Retter, die sich zufällig in der Nähe eines Notfallortes befinden, werden dabei durch die Leitstelle gleichzeitig mit dem Rettungsdienst alarmiert.

Ihr Vorteil: Sie sind häufig schneller vor Ort. Es kann also sein, dass der Nachbar, der Krankenpfleger ist, über Smartphone alarmiert zum Notfallort kommt. So wird das therapiefreie Intervall vom Notruf bis zum Eintreffen des Einsatzfahrzeugs weiter verkürzt. Die Rettungskette wird weiter gestärkt. Dazu heißt es von Bernd Strickmann, Ärztlicher Leiter Rettungsdienst: „Wir kombinieren die Lebensrettungs-Systeme und potenzieren somit ihre Effekte.“

Platz eins bei der Laien-Reanimation in Deutschland

Der Rettungsdienst des Kreises Gütersloh belegt Platz 1 beim Anteil der Laien-Reanimation – deutschlandweit. „Nirgendwo wird öfter vor Eintreffen des Rettungsdienstes mit der Reanimation begonnen, als hier“, berichtet Strickmann. In 65,6 Prozent der Reanimationseinsätze des Rettungsdienstes haben Laien bereits Maßnahmen ergriffen.

Wie viele Menschen können nach einem Reanimationsereignis lebend aus dem Krankenhaus entlassen werden? Und noch besser, wie viele sind darunter, die keine schweren Beeinträchtigungen haben? Strickmann kennt die Zahlen, denn jeder Einsatz wird ins Deutsche Reanimationsregister eingepflegt. Es gilt als das Tool für Qualität im Bereich Wiederbelebung.

Weniger als ein Prozent der Behandelten werden in schlechtem Zustand entlassen

„13,2 Prozent aller Menschen, bei denen wir einen Wiederbelebungsversuch begonnen haben, können lebend aus dem Krankenhaus entlassen werden. 12,3 Prozent aller Menschen, bei denen wir einen Wiederbelebungsversuch begonnen haben, können ohne Hirnschaden die Klinik verlassen. Der deutsche Durchschnitt liegt bei 7,1 Prozent. Das heißt, dass bei uns lediglich 0,9 Prozent in einem schlechten Zustand entlassen werden. Mich berühren die belastbaren Ergebnisse zutiefst“, wird Strickmann zitiert, „denn die Zahlen sind Resultate der Arbeit von motivierten, erfahrenen und sehr gut ausgebildeten Mitarbeitenden im Rettungsdienst.“

Und dennoch, bei ihm gelte: Gut ist nicht gut genug. Evaluation, wissenschaftliche Qualitätskontrolle und Optimierung – daran arbeite er täglich. „Nur Leitstellen, die sich systematisch mit ihren Abläufen bei Reanimationen befassen, können sich verbessern“, heißt es in dem Dossier des SWR.