Bettel-Gruppe in Gütersloh stellt Polizei und Stadtverwaltung vor ein Rätsel

Gütersloh. Einige von ihnen sitzen jeden Tag stundenlang in der Fußgängerzone auf einem Stückchen Pappe und betteln um eine milde Gabe. Sie möchten etwas Geld. Die Menschen kommen aus Rumänien, so viel steht fest. Sie sind mal da, sie sind mal weg. Und nachts? Fast an jedem Abend kochen sie mit Gaskochern ihre Mahlzeiten, schlafen selbst in fünf Grad kalten Nächten mitten auf dem großen Rasen des Weberei-Parks, wie in den vergangenen Nächten. Am Morgen verstecken sie ihre Utensilien in den Sträuchern und sind bis zum Spätnachmittag wieder verschwunden. Die Toilettengänge erfolgen in den umliegenden Büschen. Anwohner reihum schlagen Alarm und sagen: &bdquo;Das geht so nicht weiter!“ Doch es geht weiter. Denn hinter der Gruppe verbirgt sich ein Thema, das weitaus größer anmutet als es auf den ersten Blick scheint. Seit etwa eineinhalb Jahren beobachten Polizei und Stadt Gütersloh die vagabundierende Gruppe im Stadtgebiet. Bürger melden sich regelmäßig, um Ruhestörung oder andere Delikte zu melden. Die Behörden bleiben nicht untätig, rücken ein ums andere mal aus. Es hagelt Kontrollen und Platzverweise. Es nützt nur nichts. &bdquo;Haben es mit einem neuen Phänomen zu tun“ &bdquo;Im vergangenen Jahr haben wir mindestens fünf mal komplette Zeltlager inklusive Grill und allen möglichen Utensilien in Gütersloher Parks abgeräumt“, erklärt Nicole Pollklas, Leiterin des Ordnungsamtes Gütersloh. Sie ergänzt: &bdquo;Wir sind inzwischen rigoros.“ Die Sachen würden zwischengelagert, weil sie nicht entsorgt werden dürften. Abgeholt worden sei noch nie etwas. &bdquo;Ein paar Tage später ist alles wieder da“, ergänzt Henning Matthes, Sozialdezernent der Stadt Gütersloh. Das wilde Campen mit Vollausrüstung geht weiter. Die Versorgung der Menschengruppe erfolge also augenscheinlich aus dem Hintergrund von bislang unbekannter Seite. &bdquo;Der Kern der Gruppe mit vier bis fünf Personen ist immer gleich und namentlich bekannt. Der Rest wechselt durch“, erklärt Pollklas. &bdquo;Ob es Sinti und Roma sind, wissen wir nicht.“ Diese ethnische Gruppe sei nicht im Personalausweis gekennzeichnet. Während Gütersloher Bürger vielleicht meinen, eine Familie oder Großfamilie mit etwa zehn Personen in der rumänischen Gruppe zu erkennen, weiß man in Wahrheit nicht, wer sich gerade dazu gesellt hat. Die Formationen ändern sich fortlaufend. &bdquo;Wir haben es hier mit einem neuen Phänomen zu tun“, sagt Pollklas. &bdquo;Alle möglichen Formen der Kontaktaufnahme haben wir probiert. Es ist schier aussichtslos“, erklärt Jürgen Zöllner vom Fachbereich Soziales. Dolmetscher seien eingesetzt worden, obschon sich Pollklas und Zöllner sicher sind, dass die betroffenen Personen deutsch verstehen oder sogar sprechen. Hilfsangebote werden nicht angenommen Eine Kommunikation kommt trotzdem nicht zustande. &bdquo;Die Gruppe entzieht sich komplett.“ Und so schnell wie sie auftaucht, ist sie wieder weg. Auch jegliche Hilfsangebote werden abgelehnt. &bdquo;Sozialleistungen von der Stadt Gütersloh werden nicht in Anspruch genommen“, sagt Zöllner. Nur ein einziges Mal sei es gelungen, eine Frau und einen Mann mit deren Mutter für einige Wochen im Winter in einer Unterkunft einzuquartieren. Alle anderen Hilfsangebote von der Stadt wurden bislang abgelehnt. Kinder seien bislang nicht in der Gruppe gesichtet worden. &bdquo;Einmal haben wir ein 16-jähriges Mädchen entdeckt, das angab, in den Ferien ihre Eltern zu besuchen. Sie war nach einiger Zeit wieder weg.“ Was davon stimmt, sei mitunter schwer nachweisbar. Pollklas ergänzt: &bdquo;Wir wissen nicht, ob die Gruppe irgendwo in Gütersloh Unterschlupf hat.“ Sie schlagen sich augenscheinlich durchs Leben, womöglich unter Zwang. Welche finanziellen Mittel ihnen zur Verfügung stehen, weiß niemand. Nach den Erfahrungen aus den vergangenen Monaten ist sich die Stadtverwaltung inzwischen sicher, dass sie es hier mit einer Form organisierter Kriminalität zu tun hat. &bdquo;Wir sind im Austausch mit anderen Kommunen“, erklärt Henning Matthes. Vorrangig sei hier die Stadt Dortmund erwähnt, die besonders stark von dem Phänomen der vagabundierenden rumänischen Menschengruppen betroffen ist. &bdquo;Aggressives Betteln ist nicht erlaubt“ Von Dortmund ging die Initiative aus, andere Kommunen bei dem Thema ins Boot zu holen. &bdquo;In den Ballungszentren reden wir von ganz anderen Dimensionen. Die Zahl der Taschendiebstähle steigt dort signifikant“, so Matthes. Das treffe auf Gütersloh nicht zu. &bdquo;Hier erkennen wir keine Zusammenhänge“, bestätigt eine Sprecherin der Kreispolizeibehörde Gütersloh. Werden Teilnehmer der Gruppe in der Fußgängerzone beim Betteln angetroffen, nimmt ihnen das Ordnungsamt das Kleingeld ab. &bdquo;Wir erheben inzwischen eine Sicherheitsleistung“, erklärt Nicole Pollklas, bis auf kleine Restbeträge wandern die zuvor erbettelten Spenden in die Kasse der Stadt Gütersloh. &bdquo;Grundsätzlich gilt, dass Campieren im Weberei-Park nicht erlaubt ist. Seine Notdurft öffentlich zu verrichten, ist verboten und aggressives Betteln ist ebenfalls nicht erlaubt“, stellt Henning Matthes klar. Gegen solche Vorkommnisse gehe die Stadt konsequent vor. Rumänien ist seit 2007 EU-Mitgliedsstaat. Der Zuzug südosteuropäischer Arbeiter in den Kreis Gütersloh hält seit Jahren ungemindert an. Viel von ihnen arbeiten in der Fleischindustrie. &bdquo;Aber das ist in der Regel eine Gruppe Menschen, die zum arbeiten zu uns kommt“, so Matthes. Beide Personengruppen seien getrennt voneinander zu betrachten. Polizei bitte darum, Vorkommnisse zu melden Das sogenannte stille Betteln in der Fußgängerzone ist erlaubt. Soll man nun Geld geben oder lieber nicht? Matthas möchte hier keine Empfehlung aussprechen, nur sollte man etwas aufpassen, bei denjenigen, die aufdringlicher werden. &bdquo;Wer die vagabundierende Gruppe nachts im Park sichtet, sollte die Polizei anrufen“, lautet der Rat vom Sozialdezernenten. Auch die Polizeisprecherin fordert dazu auf, Vorkommnisse unbedingt zu melden, auch wenn es mitunter mühsam erscheine. Platzverweise gelten für 24 Stunden. Am nächsten Tag geht das Spiel nicht selten wieder von vorne los.

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