Handtücher mit Hitler-Porträt in Gütersloh zu sehen: Das steckt dahinter

Gütersloh. Der dreckige Holzstuhl vor der sauberen weißen Wand ist mit einer SS-Rune beklebt. Das Paar schwarze Gestapo-Stiefel davor wirkt akkurat abgestellt. Drumherum drapiert sind eine Luger, die typische Waffe der Wehrmacht, dazu Lederhandschuhe, Soldaten-Schirmmütze und Pistolenhalfter. Auf der anderen Seite des Raumes hängen Handtücher, versehen mit verschieden aussehenden Konterfeien von Adolf Hitler. &bdquo;Es ist zweifellos keine leichte Kost, was da zu sehen ist“, weiß Friedrich Wilhelm Schröder. Aber, ergänzt der Vorsitzender des Kunstvereins Kreis Gütersloh, er hätte nicht den Eindruck gewonnen, dass Besucher verärgert gewesen seien, weil sie ihm im Gütersloher Veerhoffhaus nun Nazi-Devotionalien zu Gesicht bekämen. Für ein Echo sorgt die Installation trotzdem. Seit dem Abend des 25. Mai, als tausende Menschen das Kultur-Event &bdquo;Langenachtderkunst“ in der Gütersloher Innenstadt besuchten, ist die Ausstellung mit Arbeiten der US-Amerikanerin Marsha Pels eröffnet. Unter dem Titel &bdquo;Seite an Seite“ werden seitdem insgesamt rund 50 Werke und Installationen der 74-Jährigen und ihrer Bildhauer- und Metallgießer-Verbündeten Coral Penelope Lambert präsentiert. Ein Betrachter wundert sich über die Ausstellung im Veerhoffhaus Die Reaktion fallen unterschiedlich aus. Oft sind Betrachter betroffen. Andere sind irritiert, wie auch eine Textnachricht vermuten lässt, die der &bdquo;Neuen Westfälischen“ weitergeleitet wurde. Der unbekannte Verfasser zeigt sich erstaunt darüber, weshalb im Veerhoffhaus &bdquo;Adolf-Handtücher als Kunst ausgestellt“ werden. Die anonym zugespielte Nachricht ist gleich drei Mal mit dem Affen-Emoji &bdquo;Siehe nichts Böses“ versehen worden. Dessen Bedeutung liegt im Allgemeinen darin, dass man etwas nicht einmal ansehen möchte oder so tun möchte, als hätte man es überhaupt nicht gesehen. Lesen Sie auch: Nazi-Graffiti in Gütersloh entdeckt: Schule plötzlich im Blick von Polizei Eines steht fest: Alles was der Kreiskunstverein Gütersloh gerade zur Schau stellt, ist juristisch betrachtet erlaubt – die Verwendung verfassungsfeindlicher Zeichen mit inbegriffen. &bdquo;Wir haben die rechtliche Seite vorher abgeklopft. Das Zeigen von Nazi-Symbolen in der Öffentlichkeit ist eigentlich strafbar“, weiß Friedrich Wilhelm Schröder, &bdquo;außer in der Kunst“. Geregelt ist der Umstand im Paragrafen 86a des Strafgesetzbuches (StGB) . Schwarz-Weiß-Bild zeigt die Künstlerin in Uniform Der 71-jährige Gütersloher und Ausstellungsleiter Jörg Spätig (53) aus Bielefeld freuen sich über die Ausstellung zweier Künstlerinnen, die nicht gerade darauf warten würden, ihre Arbeiten in Ostwestfalen zu zeigen. Ein Jahr Vorlaufzeit habe die Realisierung erfordert. &bdquo;Das Besondere ist“, sagt Schröder, &bdquo;dass wir seit langem mal wieder einen künstlerischen Blick von der anderen Seite des Atlantiks haben.“ Dazu gehört auch die Inszenierung von Pels’ &bdquo;Führer“-Stube auf den dunklen Holzbohlen im Erdgeschoss. Die Installation mit dem Namen &bdquo;The Cleansing“ (Die Säuberung) macht zweifellos nur einen kleinen Teil der gesamten Ausstellung aus, aber einen durchaus wirkmächtigen. Ein Schwarz-Weiß-Bild an der Kopfseite des Raumes zeigt die Künstlerin selbst in einer Uniform. Das Rahmenglas der Fotoarbeit &bdquo;I Like Germany & Germany Likes Me“ liegt in Scherben davor auf dem Boden. Fast wäre es von einer Reinigungskraft entfernt worden, es ist jedoch Teil des Ganzen. &bdquo;Alles ist mit Bedeutung aufgeladen, selbst das kaputte Glas ruft Kristallnacht“, erläutert Kuratorin Susanne Roewer. Fast alle Vorfahren und Verwandten sind von den Nazis ermordet worden Seit 2013 kennt die Berlinerin die Künstlerin Marsha Pels und ihre Geschichte. &bdquo;Sie hat jüdische Wurzeln, ihr Großvater stammt aus Deutschland, wo sie zwischen 1997 und 1999 den Holocaust untersucht hat. Fast alle ihrer Vorfahren und Verwandten sind im zweiten Weltkrieg von den Nazis ermordet worden“, erzählt Roewer. Somit ist die Ausstellung auch ein Stück Vergangenheitsbewältigung. Pels befasst sich mit persönlichem Verlust und gesellschaftlichem Trauma. Einen Teil ihrer &bdquo;Hitler-Vitrinen“, die unter anderem den Schädel des Führers als Kristallguss beinhalten, hat Marsha Pels auch mit nach Gütersloh gebracht. Mit ihnen übt sie Kritik an den drei männlichen &bdquo;Künstlerfürsten“ Joseph Beuys, Anselm Kiefer und Gerhard Richter, die allesamt Symbolik des Dritten Reichs verwendeten. 74-Jährige sieht in ihrer Ausstellung eine &bdquo;Antikriegsserie“ Die 74-Jährige betrachtet die Vitrinen selbst als &bdquo;eine historisch begründete Antikriegsserie, 2001 geschaffen von einer amerikanisch-jüdischen Feministin“, verrät sie im Gespräch mit der Kuratorin und fügt hinzu: &bdquo;Unglücklicherweise erscheint diese Werkreihe heute eher als Voraussage aktueller ungeheuerlicher Entwicklungen.“ In Zeiten, in denen Kriege, Remigrations-Fantasien oder &bdquo;Ausländer raus“ grölende Jugendliche die Nachrichtenlage in Deutschland bestimmen, hat Marsha Pels das Land ihrer Vorfahren für eine Woche besucht. Lesen Sie auch: Unbekannte Täter: Ärger mit Nazi-Schmierereien in Gütersloher Parkhaus Auf dem Weg zur Eröffnung ihrer Ausstellung ist sie am Berliner Platz in Gütersloh einem mit Hitler-Bart verzierten Wahlplakat des AfD-Politikers Björn Höcke über den Weg gelaufen. &bdquo;Gerade in Zeiten wie diesen, kann ein Stück Erinnerungskultur wichtig sein“, findet Kunstverein-Vorstand Friedrich Wilhelm Schröder. Marsha Pels: &bdquo;Einige bewundern die Ironie, andere empfinden Abscheu“ Marsha Pels weiß, dass viele Menschen starke emotionale Reaktionen auf ihre Arbeiten zeigen. &bdquo;Einige bewundern die Ironie, andere empfinden Abscheu“, sagt sie im Gespräch mit der Kuratorin. Sie bemühe sich jedoch darum, zahlreiche Interpretationsmöglichkeiten zuzulassen. Die fein säuberlich aufgehängten Handtücher ihrer Installation zeigen verschiedene Porträts von Adolf Hitler. Es sind quasi &bdquo;Steckbriefe“ des Führers, die der New Yorker Maskenbildner Eddie Senz 1994 im Auftrag des US-Geheimdienstes angefertigt hat, um im Fall einer Flucht darauf vorbereitet zu sein, wie der Massenmörder aussehen könnte. Ausstellung ist noch bis Anfang Juli in Gütersloh zu sehen &bdquo;Die Handtücher sollen zeigen, dass nach der Reinigung zwar das Abtrocknen erfolgt“, sagt Kuratorin Susanne Roewer, &bdquo;aber ungewiss ist, ob die Prozedur damit abgeschlossen ist.“ Die Ausstellung &bdquo;Seite an Seite“ der international bekannten Künstlerinnen Marsha Pels und Coral Penelope Lambert ist noch bis zum 7. Juli in Gütersloh zu sehen. Der Kunstverein Kreis Gütersloh öffnet das Veerhoffhaus freitags bis sonntags zwischen 13 und 19 Uhr.

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