Update, 14. Mai: Der Bund der Steuerzahler wirft den TWE-Planern vor, mit unseriösen Kostenschätzungen operiert zu haben. „Da wurde bewusst nicht ordentlich kalkuliert. Anders ist ein derartiger Preissprung kaum erklärbar“, sagt Jens Ammann, Projektleiter für öffentliche Finanzen beim Bund der Steuerzahler NRW.
„Wenn die Kosten derart explodieren, ist am Anfang nicht vernünftig ermittelt worden“, sagt Ammann. Es handele es sich um ein typisches Beispiel für eine Planung, die von vornherein unzureichend war. „Man hat sich das schöngerechnet.“
Beim Bund der Steuerzahler spreche man in solchen Fällen von „Schaufensterpreisen“. Das seien Preise, die absichtlich niedrig angesetzt seien, um eine politische Zustimmung zu dem Projekt zu erreichen. Das Problem: Auf Basis solch unrealistischer Schätzungen würden jedoch Entscheidungen getroffen. Später, wenn sich das Vorhaben als viel teurer erweise, sei oft der „Point of no return“ erreicht, ein Zurückrudern nicht mehr möglich. Ende 2027, so der aktuelle Zeitplan, sollen die Züge rollen.
Wie teuer sind die schon bestellten Züge?
Was fehlt, sind unter anderem die Kosten für die Züge. Das werden Batterie-Loks sein, gebaut vom spanischen Hersteller CAF; den Zuschlag hat die Firma bereits vor geraumer Zeit erhalten. NWL und der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) hatten ohnehin schon 63 dieser elektrischen Schienenfahrzeuge bei den Spaniern bestellt, dann stockte sie diese Bestellung um zehn auf: fünf für die TWE, fünf für die Strecke Münster-Sendenhorst, die ebenfalls wieder in Betrieb gehen - und die ebenfalls deutlich teurer werden soll: von 37 auf 133 Millionen Euro.
In einer Ausschreibung ist der Gesamtwert des Auftrages an die CAF mit 170 Millionen Euro beziffert. Diese Zahl beinhaltet den Preis für alle 73 Fahrzeuge, außerdem die Verpflichtung der CAF, diese zu warten und instandzuhalten; für die zehn nachbestellten Loks gilt das für 33 Jahre, bei den anderen für 30 Jahre. Umgerechnet auf die Bestellung für die TWE wären das demnach Kosten von 11,6 Millionen Euro für Loks und Wartung.
NWL und TWE gehen weiterhin davon aus, dass der Nutzen des Projekts die Kosten übersteigt. Um das genau zu ermitteln, werde derzeit eine neue „standardisierte Bewertung“ vorgenommen, und zwar nach dem aktuell geltenden Standard „2016+“. Diese werde voraussichtlich bis Ende der ersten Jahreshälfte vorliegen, also bald.
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Gütersloh. Die Reaktivierung der TWE-Strecke wird viel teurer als bislang gedacht. Nach Angaben des Zweckverbands Nahverkehr Westfalen-Lippe (NWL) wird die Instandsetzung der Bahnlinie zwischen Harsewinkel, Gütersloh und Verl anstatt 34,5 Millionen Euro nun rund 110 Millionen Euro kosten.
„Die Gründe dafür sind vielfältig“, sagt Anja Stocksieker, Projektleiterin beim NWL. Zum einen seien die Kosten in der Baubranche enorm gestiegen. Zum anderen sei beispielsweise die technische Sicherung der Bahnübergänge teurer als gedacht.
Ursprünglich sollten auf der rund 26 Kilometer langen Strecke der Teutoburger-Wald-Eisenbahn über 50 der mehr als 70 Bahnübergänge erneuert oder komplett neu gebaut werden. Diese Zahl habe sich nach mehrfacher Überprüfung erhöht. Auf Gütersloher Gebiet liegen 25 öffentliche und 12 private Bahnübergänge der TWE.
In den 110 Millionen ist bereits ein Puffer für Mehrkosten eingeplant
Die Gelder für das Unterfangen kommen zu einem Großteil aus öffentlichen Fördertöpfen. „90 Prozent der Kosten werden über das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) des Bundes finanziert“, berichtet die Projektleiterin. Weitere fünf Prozent werden durch Fördermittel vom Land Nordrhein-Westfalen gedeckt.
Die restlichen fünf Prozent muss der Eigentümer der Infrastruktur, also die TWE selbst, tragen. Ob in Zukunft mit noch weiteren Kostensteigerungen zu rechnen sei, kann Stocksieker derzeit nicht sagen. Allerdings sei in den 110 Millionen Euro bereits ein Puffer für etwaige Mehrkosten eingeplant.
Doch bis die Bauarbeiten starten können, müssen erst einmal die Weichen dafür gestellt werden. Dafür ist Ende März ein bedeutender Schritt erfolgt. Die TWE GmbH, Tochter von Captrain Deutschland, hat es nach langem Vorlauf geschafft, die Unterlagen für die Planfeststellung bei der Bezirksregierung in Detmold einzureichen. Wann die Bezirksregierung das Planfeststellungsverfahren einleitet, ist noch unklar.
Ab 2027 sollen die Züge auf der Strecke rollen, so der Zeitplan
Detmold werde zunächst die Unterlagen sichten müssen, heißt es. Erst wenn das Verfahren abgeschlossen sei, bestehe Baurecht, sagt Stocksieker. Derweil sei man bereits auf der Suche nach Bauunternehmen, die das Projekt umsetzen könnten. Die Dauer des Verfahrens werde mit rund einem Jahr veranschlagt, fügt sie hinzu.
Währenddessen werden Bürger, Verbände und die Träger öffentlicher Belange Gelegenheit bekommen, Stellungnahmen abzugeben. Ob es wegen der Menge oder dem inhaltlichen Gewicht an Einwänden zu einem öffentlichen Erörterungstermin kommt, wird sich dann zeigen. Die Unterlagen werden öffentlich ausliegen, mutmaßlich in den Rathäusern von Gütersloh, Verl und Harsewinkel.
Die reine Bauzeit wird mindestens ein Jahr in Anspruch nehmen. Neben den Arbeiten an der Strecke und dem Bau von Schranken wird es erforderlich sein, Bahnsteige und Mobilstationen zu errichten. Angestrebt ist, dass die Züge ab Dezember 2027 rollen. An diesem Zeitplan halte der NWL weiterhin fest, so Projektleiterin Stocksieker.