
Gütersloh. Bei „4830“ dürfte es bei älteren Güterslohern klingeln: War das nicht mal die unsere Postleitzahl? Das war sie. Jetzt ist sie der Titel eines Albums, das die Band „Poempl“ herausgebracht hat. Das Ergebnis: eine so liebevoll-ironische wie punkrockig-derbe Verneigung vor der Heidestadt.
„Poempl“ – dahinter verbergen sich mit Till Schulze-Geißler (Gesang), Henning Poppe (Gitarre), Thorsten Drücker (Gitarre), Daniel Hermes (Bass) und Boris Fust (Schlagzeug) in Gütersloh nicht ganz unbekannte Namen.
Alle Fünf haben an heimischen Einrichtungen wie der Kreismusikschule, dem Posaunenchor des ESG, dem Kirchenchor St. Pankratius oder der Feuerwehrkapelle Spexard genügend Handwerk gelernt, um später erfolgreich in den Kellern der musikalischen Subkultur ihre Spuren zu hinterlassen.
Auftrittsverbote: „Es gibt kein Bier in der Weberei“
Als Produzenten-Kollektiv „Mobserv“ arbeiten sie seit 2008 an immer wieder unterschiedlichen Projekten zwischen Disco, osteuropäischem Metal und Glamrock. Und unter dem Bandnamen „Fuck Me And Marry Me Young“ verdienten sie sich in aufrichtigem Fleiß Auftrittsverbote in einem hiesigen alternativen Kulturzentrum.
Das kommt übrigens auch auf der EP vor, aber nicht gut weg: „Es gibt kein Bier in der Weberei, es gibt kein Bier“, grölen die Fünf auf eine alte Schlagermelodie ins Mikro der „Megaknall Studios“ in Berlin-Lichtenberg.
Hier entstanden im vergangenen Jahr innerhalb von 24 Stunden Text und Musik der acht Titel. „Wir haben das in einer Rutsche gemacht, und dabei wurde viel gegessen und getrunken“, erzählt der in Berlin lebende und als Heilpraktiker arbeitende Till Schulze-Geissler. „Danach habe ich eine Woche Pause gebraucht.“
Nur einer der Punkrocker lebt noch in Gütersloh
Anlass war, dass sich Bandmitglied Boris Fust zum 50. Geburtstag ein „Poempl“-Album wünschte. „Wir sind eigentlich eine alteingesessene Gütersloher Formation, die leider über Deutschland verteilt wohnt und deshalb kaum in Erscheinung tritt. Nur Daniel Hermes lebt noch in Gütersloh.“
Das Abum sei eine „schöne Hauruck-Aktion“ gewesen: „Rein in den Raum, Stifte raus und einfach Gas geben, ohne zu wissen, was man tut.“
Klar war zu Beginn nur eines: Es sollte eine Hommage an Gütersloh werden. Und an die Jugendzeit, die die Beteiligten in der 80er und 90er Jahren hier verlebten. Wie beim Brainstorming kam dabei alles aufs Tapet, was wichtig erschien.
Vom Conti Herforder, den man für 10 Mark von der Aral-Tankstelle am Ring holte, über Erlebnisse im Freibad („Lutschfinger und Pommes-Schranke/Nordbad, Nordbad, danke, danke“) bis zu Fahrten mit „Taxi Pischke“, die von Kneipe („,Hieronymus’ – was muss, das muss“) zu Kneipe („Das ,Journal’, das wird fatal“) führten.
Eine geheimnisvolle Liebe in Isselhorst
Lustvoll spielt das Quintett in „Miele, Miele“ oder in „Happy, Happy Gütersloh“ vermeintliche Feindschaften zwischen zwei Gütersloher Weltfirmen oder auch verschiedenen Stadtteilen gegeneinander aus.
Es verrät, was im Leben schief gehen kann, wenn man das Abitur am falschen Gymnasium baut. Und am Ende besingt Till Schulze-Geissler eine Liebe in „Isselhorst“ zu einer gewissen Alice, die nach ihrem Umzug nach Harsewinkel offenbar auf die schlechte rechte Bahn kam und der er jetzt empfiehlt: „Fick die AfD!“
Eine Gütersloher Kneipenlegende wird sogar mit einem eigenen Song geehrt: Nur Insider wissen wahrscheinlich, dass sich hinter „Ottenottebrock (Wilfried, Wilfried)“ Tresenkönig Wastel verbirgt, der mit seinem „Happy Happy“ (einem eleganten Cuvée aus Jägermeister und Pernod) ganze Generationen auf ein späteres hartes Leben vorbereitet hat.
Reaktionen auf das Album kamen sogar aus Süddeutschland
Die liebevolle Mühe, mit assoziativem Namedropping ein spezielles Gütersloh-Feeling zu erzeugen, verpackt Autor Till Schulze-Geisler in Verse, die wie mit der Axt gehauen wirken: „Mittwochs immer dieselbe Litanei, ab aufs Fahrrad, in die Weberei./Ärger auf der Brockhäger, die Tommys rufen die Feldjäger“, heißt es gleich zu Beginn im Titelsong „4830“.
Die 21 Minuten lange EP ist auf den üblichen Streaming-Plattformen wie Spotify, Tidal oder Apple Music zu hören. Als CD, da ist die Band ganz heutig, wird „4830“ nicht erscheinen. „Wer hat noch CDs?“, fragt Schulze-Geissler skeptisch.
Und eine Produktion auf Vinyl sei zu teuer. Aber einen Live-Auftritt kann er sich durchaus vorstellen. Falls es noch einen Ort für diese Art von Subkultur in Gütersloh gibt.
Die ersten Reaktionen auf die EP seien durchgehend positiv gewesen. „Ich habe Anrufe sogar aus Süddeutschland bekommen.“ Natürlich von ehemaligen Güterslohern, die sich in den Songs wiedererkennen können. Keine Frage: Da ist Poempl das ultimative GT-Album gelungen.