Apotheker im Kreis Gütersloh kritisieren E-Rezept: „Katastrophe für ältere Generation“

Gütersloh. Das rosafarbene Rezept ist Geschichte. Seit dem 1. Januar müssen Ärzte Medikamente für gesetzlich Krankenversicherte per E-Rezept verschreiben. Die Verschreibung wird auf der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) oder in einer App fürs Handy hinterlegt und in der Apotheke vorgezeigt. Alternativ ist auch ein Papierausdruck mit QR-Code möglich. Wie kommt die neue Technik bei Apothekern und Ärzten an? Die &bdquo;NW“ hat nachgefragt. Digitale Unterschrift vom Arzt fehlt oft Claudia Scherrer, Betreiberin der Nord- und der Linden-Apotheke und Sprecherin der Apotheker im Kreis Gütersloh, sieht noch Verbesserungsbedarf. Die meisten Bauchschmerzen bereitet ihr, dass die Kunden mit der Verschreibung in die Apotheke kommen, der Arzt aber die digitale Unterschrift, die Signierung, noch nicht geleistet hat. &bdquo;Das liegt wahrscheinlich daran, dass in den Praxen die Verschreibungen zunächst gesammelt und erst später, wenn der Arzt gerade Mittagspause hat, die Signatur für alle Rezepte auf einmal setzt.“ Dann müssen die Kunden warten oder später wiederkommen oder es muss telefonisch Rücksprache mit dem Arzt gehalten werden. &bdquo;Ich habe eben einer Kundin angeboten, die Karte hierzulassen und ihr das Medikament dann später zu bringen“, berichtet Scherrer. Es drohen Abzüge beim Honor Ihr Arbeitsablauf sei durch das E-Rezept nicht einfacher geworden. &bdquo;Es dauert deutlich länger als ein Papierrezept. Es sind einfach zu viele Schritte zu machen, ich würde mir sehr eine Verschlankung des Vorgangs wünschen.“ Zudem müsste es mehr Pflichtfelder für Ärzte geben, &bdquo;damit wir nicht wegen jeder fehlenden Dosierungsangabe Rücksprache halten müssen“. Die meisten Kunden kämen mit der Gesundheitskarte. Ganz selten nutze jemand auch die entsprechende Handy-App. Zumindest in den ersten Tagen seien auch noch viele rosafarbene Rezepte dabei gewesen, obwohl Ärzte verpflichtet sind, Medikamente nur noch digital zu verschreiben. Es drohen sonst Abzüge beim Honorar in Höhe von einem Prozent. Lesen Sie auch: &bdquo;Kenne keine Praxis, die mitmacht“ - Kritik am E-Rezept in Gütersloh Vorteil: Auch Teileinlösungen sind jetzt möglich Auch Sven Buttler, Inhaber der Isselhorster Apotheke und Vorsitzender der Bezirksgruppe im Apothekerverband Westfalen-Lippe, hat bemerkt, dass noch nicht alle Ärzte ihrer Pflicht in gleichem Maße nachkommen. Und auch er erkennt in der fehlenden Signatur ein Problem. Doch er gibt zu Bedenken, dass auch für Ärzte der Vorgang umfangreicher und zeitraubender geworden sei. Ein Vorteil erkennt er beim E-Rezept darin, dass nun Teileinlösungen möglich seien, wenn bei mehreren Verschreibungen nicht alle Rezepte vorrätig sind. Früher ging nur alles oder nichts. Davon profitiert auch der Kunde. Auch für Folgeverordnungen müssten Kunden nicht mehr zwingend in die Praxis. Gütersloher Apotheker: &bdquo;Für die ältere Generation ist das eine Katastrophe“ Auch beim Butler kommen die meisten Kunden mit der Gesundheitskarte. &bdquo;Ich habe spaßeshalber mal versucht, eine App einzurichten, das ist kompliziert. Für die ältere Generation ist das eine Katastrophe.“ Deshalb sieht er auch Online-Apotheken nicht als große Konkurrenz, weil eine Bestellung nur über die App möglich ist. Für Gaby Shabo, Filialleiter der Apotheke am ZOB, sind fehlende Signaturen nicht nur ein Ärgernis, sondern können auch zu Einbußen führen. Viele Kunden kämen vom nahe gelegenen Ärztehaus direkt zu ihnen und wollten dann nicht lange warten. Die gingen dann zu einer anderen Apotheke. Er würde es bevorzugen, wenn die Ärzte sofort signierten, was möglich sei. Auch ein ausgedrucktes Rezept könne sofort eingelöst werden. Nachteilig für Kunden sei, dass es weniger Flexibilität gebe. War es früher möglich, eine Hunderter-Packung auch in zwei Fünfziger-Packungen umzuwandeln oder – nach Rücksprache mit dem Arzt – Medikamente von einem anderen Hersteller herauszugeben, weil das verschriebene Medikament nicht auf Lager ist, so gebe es jetzt dafür keinen Spielraum mehr. Was sagen die Ärzte im Kreis Gütersloh? Und wie sieht es auf Ärzteseite aus? Heinz-Josef Sökeland, Allgemeinmediziner in Harsewinkel, war im Vorfeld einer der schärfsten Kritiker der Umstellung. &bdquo;So katastrophal, wie ich es befürchtet habe, ist es nicht geworden“, fällt sein erstes Fazit aus. Und schränkt gleich ein: &bdquo;Wenn so etwas eingeführt wird, sollte es doch das Ziel sein, dass wir weniger Arbeit haben, und nicht mehr. Aber es ist im Moment noch nicht abzusehen, dass das E-Rezept für uns eine Erleichterung bringt.“ Er moniert, das beispielsweise private Rezepte oder Rezepte für Hilfsmittel weiterhin auf Papier aufgeschrieben werden müssen. Lesen Sie auch: Das Rezept vom Arzt wird digital - das müssen Patienten in Gütersloh jetzt wissen Software läuft noch nicht ganz problemlos Auch die Software laufe nicht ganz problemlos. Und er findet den Eindruck, dass bislang in Arztpraxen alles noch handschriftlich verordnet werde, völlig falsch. &bdquo;Wir sind seit 2006 digitalisiert, haben alles elektronisch archiviert und arbeiten völlig papierlos.“ Der Vorteil eines Rezeptes auf Papier sei, dass der Patient sofort sehe, was verschrieben wurde, auch ihm falle die Kontrolle auf Papier leichter. Vom Problem der unsignierten Rezepte habe er noch nichts gehört. &bdquo;Bei uns ist das signiert“, sagt Sökeland. Jetzt müsse man die weitere Entwicklung abwarten. Rezeptkontrolle ist einfacher Während in der Harsewinkeler Praxis erst seit Kurzem das E-Rezept Einzug gehalten hat, haben die Isselhorster Internisten Bernfried Unkell und Philipp Bruns bereits im September 2023 das System getestet und im November komplett umgestellt. Technische Probleme seien mittlerweile ausgeräumt, der Ablauf in der Praxis habe sich eingespielt, &bdquo;das Praxisverwaltungssystem (PVS) macht das alles mittlerweile recht schnell“, so Bruns. &bdquo;Vorteilhaft sehe ich eigentlich sogar, dass wir bei der Rezeptkontrolle sofort auf die Akte zugreifen können und nicht erst wieder zum Rechner laufen müssen, um Indikation und anderes zu prüfen.“ Rezeptfehler oder Änderungen könnten beispielsweise einfach mit einem neuen E-Rezept korrigiert werden, das alte werde gelöscht. Von Patienten seien ihm keine negativen Rückmeldungen bekannt. Im Gegenteil sieht er für diese den Vorteil, dass im Laufe des Quartals – vorausgesetzt, es wurde bereits die Krankenkassenkarte vorgelegt – Rezepte telefonisch oder per App bestellt werden können und diese dann ohne Praxisbesuch direkt in der Apotheke abgeholt werden können. Für Kunden von weiter her bedeute das weniger Wegstrecke. Mehrkosten für Klienten Ungelöst sei das Problem, wie mit Patienten im Pflegeheim umgegangen werden soll, da diese ja in der Regel nicht mit der Krankenkassenkarte in die Apotheke gehen könnten. Ein Problem, dass auch viele Pflegedienste betrifft. &bdquo;Für uns ist das eine Erschwernis, weil wir laufend Rezepte für unsere Klienten bestellen, bei denen wir ambulant vor Ort Medikamente stellen“, sagt Svetlana Lehmann, Pflegedienstleitung der Caritas-Sozialstation Gütersloh. Dazu müsste die Karte beim Arzt und dann bei der Apotheke vorgelegt werden. &bdquo;Das sind mehr Wege für uns, und für den Klienten mehr Kosten, weil wir die Fahrten in Rechnung stellen müssen.“ Pro Fahrt könnten das 20 bis 25 Euro sein. &bdquo;Das summiert sich. Wir müssen noch überlegen, wie wir damit umgehen.“ SPD-Gesundheitspolitiker Thorsten Klute kontert Kritik Thorsten Klute, gesundheitspolitischer Sprecher der SPD im NRW-Landtag, kontert aktuell auf die Kritik: &bdquo;Bei allen technischen Detailproblem, die sicherlich in der Anfangszeit auftauchen und die schnell beseitigt werden müssen, ist es gut, dass es bei der Digitalisierung im Gesundheitsbereich endlich vorangeht.“ Sicherlich nervten anfängliche Softwareprobleme, müssten sich auch die Abläufe erst noch einspielen. Zudem seien die Praxen auch &bdquo;unterschiedlich modern“ aufgestellt. &bdquo;Aber wenn ich Arzt wäre, würde ich doch sagen: Endlich geht es los“, so der Versmolder. Auf einer Reise durch Dänemark im vergangenen Jahr habe er erfahren, wie dort der digitale Stand im Gesundheitswesen ist. &bdquo;Die sind dort viel, viel weiter. Wir in Deutschland haben leider in den letzten zehn Jahren in diesem Bereich viel verschlafen“, sagt Klute und verweist darauf, dass das entsprechende Bundesministerium zwischen 2013 und 2021 CDU-geführt gewesen ist. Jetzt seien weitere Schritte in der Digitalisierung erforderlich.

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