Zinsen bei Krediten steigen: Experte aus Gütersloh gibt wichtige Tipps beim Hauskauf

Herr Patrick Gerhardt, Sie sind in Gütersloh als Kreditvermittler tätig. Derzeit halten sich Immobilienkäufer auf dem Markt aber wegen hoher Zinsen zurück. Läuft Ihr Geschäft deswegen aktuell schlecht? Die aktuelle Situation ist besonders durch den Zinsanstieg im vergangenen Jahr herausfordernd. Allerdings sehen wir auch die Chancen, die der aktuelle Markt bietet und diese sollten die Menschen für sich nutzen. So haben Kaufwillige heute deutlich mehr Angebot als es in der Vergangenheit der Fall war und können besonders bei Bestandsimmobilien die Preise verhandeln. Aber: Eine Finanzierung ist immer individuell, man sollte sich daher beraten lassen und die eigenen finanziellen Möglichkeiten im Detail durchrechnen. Würden Sie sagen, dass die Preise für Immobilien seit dem Zinsanstieg Anfang 2022 in Gütersloh gesunken sind? Bei Objekten aus jungem Immobilienbestand beobachten wir nur geringe Preisrückgänge. Die Nachfrage nach Immobilien mit guter Energieeffizienz ist am Standort Gütersloh nach wie vor hoch. Viele Käufer verfügen hier, wo es attraktive Arbeitgeber gibt, über die Bonität, sich nach wie vor höhere Kaufpreise leisten zu können. Und bei älteren Immobilien? Bei älteren Immobilien der Energieeffizienzklassen G und H sind die Preise deutlich stärker gesunken. Wegen der politischen Unsicherheiten rund um das Gebäudeenergiegesetz ist die Nachfrage nach älteren Immobilien mit schlechter Energieeffizienz stark zurückgegangen. In diesen Gebäudeklassen lassen sich gerade Käufe zu sehr attraktiven Preisen tätigen. Wichtig ist es, vorher den Modernisierungsbedarf der Immobilie genau zu analysieren und in den Kaufpreis einzukalkulieren. Früher waren die Zinssätze viel höher als heute. Müsste man mit Blick auf die Historie nicht aktuell zugreifen? Die gestiegenen Zinsen haben natürlich auch die Raten erhöht. Zum Vergleich: Lag die durchschnittliche Rate für eine zehnjährige Zinsbindung in Q4 2021 – und damit in der Niedrigzinsphase - noch bei durchschnittlich 1.166 Euro, lag sie in Q2 2023 bei 1.506 Euro und damit rund 30 Prozent höher. Man darf aber nicht vergessen, dass wir uns aktuell immer noch auf einem historisch betrachtet niedrigen Zins-Niveau bewegen. In den 80er-Jahren lagen die Bauzinsen teilweise im zweistelligen Prozentbereich. Genau. Außerdem sind die Einkommen in den letzten Jahren stärker gestiegen als die Immobilienpreise. Im historischen Vergleich ist die Erschwinglichkeit von Immobilien derzeit also gar nicht so schlecht, wie viele glauben. Die hinter uns liegende Zeit der Niedrigzinsen war also viel mehr Ausnahmen denn Regel. Und woran liegt es, dass der jüngste Zinsanstieg den Immobilienmarkt so trifft? In unseren Studien sehen wir, dass die Bereitschaft für einen Hauskredit auf bestimmte Dinge zu verzichten in unserer Gesellschaft geringer geworden ist. Außerdem sind die Ansprüche an die Größe des Wohnraums und die Ausstattung gestiegen. Und mehr Quadratmeter pro Person sowie eine nachhaltige und hochwertige Ausstattung sind eben auch mit höheren Kosten verbunden. Daher halten sich derzeit viele Käuferinnen und Käufer zurück. Wie viel Eigenkapital sollten Kreditnehmer derzeit mitbringen, um einen Kredit zu erhalten? Wer die Finanzierung einer Immobilie plant, sollte zumindest die Kaufnebenkosten aus eigenen Mitteln finanzieren können. Die Kosten schließen unter anderem die Ausgaben für den Makler, den Notar und das Grundbuchamt sowie die Grunderwerbssteuer ein. Je nach Region können für die Nebenkosten insgesamt mehr als zehn Prozent des Kaufpreises anfallen. Damit sollten bei einem Kaufpreis von 400.000 Euro allein schon für die Nebenkosten 40.000 Euro an Eigenkapital bereitstehen. Wichtig: Jeder Euro Eigenkapital reduziert die monatliche Rate. Je mehr man davon einbringen kann, umso besser. Wie hoch ist die Nachfrage in Gütersloh nach Krediten für Sanierungen oder für einen Heizungstausch? Verbunden mit den politischen Unsicherheiten rund um die Wärmewende fragen viele unserer Kunden aktuell deutlich mehr Kredite für Sanierungen und zum Beispiel den Einbau von Photovoltaikanlagen und Wärmepumpen an. Lohnt sich das bei den Zinsen denn überhaupt? Das hängt in erster Linie von der Frage ab: Welchen Beitrag möchte ich persönlich zur grünen Transformation leisten? Denn im Hinblick auf die deutlich gesunkene Nachfrage nach älteren Immobilien und dem damit verbundenen Preisrückgang in diesem Segment ist eine teure und aufwendige energetische Sanierung derzeit eher weniger lukrativ. Erwarten Sie, dass die Zinsen weiter steigen? Die aktuellen Zinsen liegen Anfang Juli bei 3,79 Prozent. In den kommenden Wochen erwarten wir, wie in den letzten Monaten, Zinsen zwischen 3,5 und 4 Prozent. Für den Rest des Jahres rechnen wir mit weiteren kleinen Zinsschritten durch die Europäische Zentralbank (EZB), die jedoch bereits im aktuellen Zinsniveau berücksichtigt sind. Es könnten kurzfristige Spitzen über 4 Prozent auftreten, aber größere Anstiege auf 5 Prozent oder höher sehen wir vorerst nicht. Macht es in Ihren Augen Sinn, sich die derzeitigen Konditionen langfristig für Anschlussfinanzierungen zu sichern? Wer zum Beispiel 2011 gekauft hat und jetzt eine Anschlussfinanzierung braucht, kann entspannt sein, denn er oder sie bekommt den nahezu gleichen Zins. Auch, weil in der Regel schon einiges vom Kaufpreis abbezahlt wurde und die Rate dadurch sinkt. Für alle anderen, die in den kommenden Jahren eine Anschlussfinanzierung brauchen: Handelt jetzt und spekuliert nicht auf fallende Zinsen. Das müssen Sie erklären. Mit Sondertilgungen oder einem Tilgungssatzwechsel kann eine Schenkung oder eine Gehaltserhöhung zum direkten Abtrag der Restschuld verwendet werden. Und für die Anschlussfinanzierung kann man sich mit einem sogenannten Forward-Darlehen, über das man bereits heute die Anschlussfinanzierung für die Zukunft festmachen kann, oder einem Bausparer jetzt schon gut aufstellen. Werden viele Häuser aufgrund auslaufender Zinsbindungen demnächst auf den Markt kommen, da sich viele Käufer die höheren Zinsen für eine Anschlussfinanzierung nicht leisten können? Medien beschreiben häufig Horrorszenarien in Bezug auf die Anschlussfinanzierung. Unsere Daten zeigen jedoch, dass diese Szenarien oft nicht der Realität entsprechen. Die meisten unserer Kunden, die zwischen 2015 und 2021 in der Niedrigzinsphase finanziert haben, sicherten sich die günstigen Zinsen sehr lange (zwischen 12,5 bis 14 Jahren) und vereinbarten hohe Anfangstilgungen von im Schnitt über 3 Prozent. Dadurch wurde zum Zeitpunkt der Anschlussfinanzierung bereits ein großer Teil des Kredits zurückgezahlt. Wenn man das beherzigt hat, wird die Anschlussfinanzierung auch bei gestiegenen Bauzinsen nicht problematisch sein. Wie sollten sich Kaufinteressenten momentan auf dem Markt positionieren? Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so scheint. Wer jetzt kaufen will, hat vielmehr Möglichkeiten als noch vor ein paar Jahren. Es gibt mehr Immobilienangebot, die Menschen sind dem Markt nicht mehr so ausgeliefert. Sie können die Preise wieder verhandeln und es ist einiges möglich, wenn man sich denn traut und das erste Angebot der Verkäufer nicht als das finale betrachtet. Gerade bei Bestandsimmobilien sind hier größere Nachlässe möglich. Mein Rat: Nicht auf weiter fallende Preise spekulieren, denn der Markt kann sich auch wieder drehen.

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