Polizist verteilt Bußgelder auf Spielplatz: Gütersloh ist ein Friedhof für Jugendliche

Gütersloh. Ein Polizist steht in Uniform vor Ihnen und erteilt Ihnen ein Bußgeld von 50 Euro für Ihr Fehlverhalten. Ausweisen kann er sich nicht, einen Dienstwagen hat er auch nicht, weil er eigentlich im Feierabend und auf dem Weg nach Hause ist. Mal ehrlich, wie würden Sie als Erwachsener reagieren in Zeiten von täglichen Betrugsvorfällen und Abzockerei? Und nehmen wir mal an, der Beamte ist echt, darf er das dann überhaupt? Fünf Jugendlichen im Alter von 13 bis 15 Jahren ist der Fall am Montagabend in Friedrichsdorf passiert. Gemeinsam saßen sie auf dem Spielplatz neben der Turnhalle der Grundschule. Drei waren zu alt für den Spielplatz, weil eine Gütersloher Verordnung aus dem Jahre 2014 besagt, dass mit 14 Jahren Schluss ist mit Spielen. Mutter in Gütersloh fragt: &bdquo;Wo sollen sie sich denn aufhalten?“ Lärm soll es nicht gegeben haben. &bdquo;Er hätte die Kinder doch einfach wegschicken können“, wundert sich ein betroffener Vater. Die Mutter fragt: &bdquo;Wieso zeigt man Teenager im Namen der Stadt an?“ Und: &bdquo;Wo sollen sie sich denn aufhalten?“ Gute Frage. Was macht einen Ortsteil insbesondere für die junge Generation attraktiv? Das wollte die Stadt Verl vor zwei Jahren von Kindern und Jugendlichen erfahren. Sie hatten im Rahmen der Dorfentwicklungskonzepte für Kaunitz und Sürenheide zu einer Beteiligungsaktion aufgerufen. Für Kaunitz sind zwei Ideen zusammengekommen: &bdquo;Eine Eisdiele, Freizeitmöglichkeiten wie eine Sitzgruppe als Treffpunkt.“ Das darf man bescheiden nennen. Wohin mit 15? Angebote für die Kleinen gibt es reichlich, für Teenager herzlich wenig. Das ist nicht neu. &bdquo;Die Jugend in Gütersloh hat keine Lobby. Tatsache ist doch, dass es hier für junge Menschen mittlerweile so gut wie keine Freizeitangebote mehr gibt. Keine Disco, kein richtiges Jugendzentrum, ja nicht einmal einen öffentlichen Ort zum Treffen gibt es. Will die Stadt Gütersloh, dass alle Jugendliche und junge Erwachsene wegziehen? Man hat den Eindruck, der Stadt wäre es am liebsten, alle jungen Leute zwischen 16 und 25 Jahren zögen weg und kämen erst mit 25 zurück. Für einen Ort mit mehr als 100.000 Einwohnern ist das ein Witz!“ Matthias Markstedt, bis vor kurzem Betreiber des Wapelbades, ist schon seit Jahren davon überzeugt, dass die Stadt zu wenig für junge Menschen tut. &bdquo;Gäbe es die &bdquo;Wapelbeats“ nicht, wäre Gütersloh ein Friedhof für Jugendliche“. Güterslohs Bürgermeister Norbert Morkes denkt in die selbe Richtung. Auch er macht sich seit langem stark für mehr Angebote. Was die Gütersloher Jugendlichen wollen? Sie wünschen sich einen neuen Skatepark, ein größeres junges Musikangebot wie die Wapelbeats oder &bdquo;DJs in Town“, stärkeres WLAN im Bürgerzentrum Lukas und einen Schwimm- statt eines Baggersees in Blankenhagen. In Gütersloh sind das Ausmaße einer überalterten Gesellschaft Formulierte Wünsche von Jugendlichen auf dem Kulturforum im Februar. Den Schwimmsee in Blankenhagen wird es nicht geben, DJs in Town sucht für die diesjährige Umsetzung noch 20.000 Euro Sponsorengelder und die Ausweitung der Wapelbeats scheitert an Anwohnern, die den Spaß per Rechtsstreit unterbinden. Wer setzt sich schon dafür ein, dass 15- oder 16-Jährige irgendwo feiern können? Das sind die ersten Auswirkungen einer überalterten Gesellschaft. &bdquo;Wir haben in Friedrichsdorf keine Plätze für die Altersgruppe der 14- bis 18-Jährigen, welche wir anbieten können“, sagt Katrin Friesicke vom CDU-Ortsverband. Angebote gebe es lediglich bei der evangelischen Kirche, die katholische Kirche betreibe überhaupt keine Jugendarbeit in Friedrichsdorf mehr, das sei sehr bedauerlich. Es braucht neue Treffpunkte. Und mehr Zuspruch für Jugendliche. Die alten Spielplatz-Regeln haben ausgedient, die vorhandenen Areale lassen sich mit etwas gutem Willen und Kreativität für alle Altersgruppen teilen und nutzen – zumal die Stadtverwaltung nach eigenen Aussagen sogar Honorarkräfte beschäftigt, die Kontrollgänge eigens auf Spielplätzen abhalten. Skateanlage in Isselhorst gilt als positives Beispiel Die Skateanlage in Isselhorst ist ein gutes Beispiel dafür, wie es funktionieren kann. Und was man aus einem ehemaligen Spielplatz alles rausholen kann – natürlich mit zusätzlichen finanziellen Mitteln – zeigt die neue Freizeit-Anlage &bdquo;Area 61“. Das 5.300 Quadratmeter große Gelände am Dalke-Grünzug an der neuen Westringbrücke soll nächste Woche eröffnet werden. Gegen den Friedrichsdorfer Polizeibeamten ist übrigens Dienstaufsichtsbeschwerde ergangen. Ohne sein fragwürdiges Verhalten wäre die Diskussion nicht in Gang gekommen. Immerhin. Zumindest in Friedrichsdorf soll das Thema Jugendtreff jetzt politisch diskutiert werden. Der engagierte Beamte kann derweil gerne am Gütersloher ZOB nach dem Rechten sehen. Wenn er sich traut.

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