Pannenserie geht weiter: B61-Brücke in Gütersloh bleibt wegen Absturzgefahr gesperrt

Gütersloh. Die Pannenserie beim Bau der Fußgänger- und Radfahrer-Brücke über die Bundesstraße 61 reißt nicht ab. Eigentlich sollte das bereits vielfach wegen Verzögerungen und Kostensteigerungen in die Schlagzeilen geratene Bauwerk vorgestern für die Benutzung freigegeben werden. Das sah jedenfalls noch vor vier Wochen der interne Ablaufplan vor. Pustekuchen. Die Baustelle bleibt vorerst weiter gesperrt – auf unbestimmte Zeit. Grund sind Sicherheitsbedenken des Prüfunternehmens. Demnach besteht Absturzgefahr für kletternde Kinder. Für Ende voriger Woche war die Hauptabnahme der Brücke als Teil der wichtigen Ost-West-Verbindung zwischen der Innenstadt und den Wohn- und Naherholungsgebieten in und um Pavenstädt geplant. Bereits dieser für drei Stunden angesetzte Termin wurde kurzfristig abgesagt. Der Grund: Zu der Liste der Nacharbeiten, Restarbeiten, Mängeln und fehlenden Unterlagen habe sich das Thema &bdquo;Übersteigschutz und Verkehrssicherheit“ gesellt, heißt es in einer Mail aus dem städtischen Tiefbauamt. Der Versicherer der Stadt sehe die Verkehrssicherheit nicht vollumfänglich gegeben und lehne die dauerhafte Deckung von etwaigen Schäden ab. Die Sache tue den Beteiligten der Stadt &bdquo;leid und auch außerordentlich weh“. Kinder könnten zum Klettern verleitet werden Bei den möglichen Gefahren geht es konkret um die Brückengeländer mit ihren kunstvoll gestalteten, 1,30 Meter hohen Brüstungen aus speziellem, Rost ansetzenden Stahl samt Bogen- und Seilstrukturen. Wegen der teils horizontal angebrachten Streben könnten Kinder dazu verleitet werden, an dem Geländer hochzuklettern. Die Auffassung des TÜV Süd, dass die vorhandene Absturzsicherung für alle Verkehrsteilnehmer sicher und mangelfrei sei, teilt der Prüfer des Engeraner Fachunternehmens Bockermann Fritze Ingenieur Consult in seinem Bericht zur sogenannten Brückenhauptprüfung nicht. Es sei kein den Vorschriften konformer Übersteigschutz vorhanden. Außerdem: Im Bereich des anschließenden Geländes sei zudem ein Beklettern der Konstruktion von außen möglich. Die gleiche Meinung vertritt der Versicherer der Stadt als Bauherrin. Die Ausführung des Geländers mit Querstreben, die als Kletterhilfe dienen könnten, entspreche nicht den technischen Regeln. Offenbar habe man aus ästhetischen Gründen von einem klassischen Stabgittergeländer mit ausschließlich vertikalen Streben abgesehen. Gutachten liegt seit März 2020 vor Die Rede ist von einer &bdquo;bedenklichen Planung“, so dass der Versicherungsschutz nur bis auf weiteres gewährt werde – bis zu einer gerichtlichen Klärung. Beobachter gehen schlimmstenfalls von einem jahrelangen Prozess mit weiteren Gutachten und Gegengutachten aus. Der Verdacht, dass die ausgewöhnliche Konstruktion des siegreichen Architektenentwurfs der Arbeitsgemeinschaft Drewes + Speht/Lohaus + Carl aus Hannover aus dem Jahr 2019 unter Sicherheitsaspekten bedenklich sein könnte, besteht offenbar schon länger. Denn das Gutachten des TÜV Süd liegt bereits seit März 2020 vor. Wer es in Auftrag gegeben hat, ist nicht klar. Damals schien jedoch alles in Ordnung zu sein. Denn in der Expertise steht, dass ein Erwachsener nur unter Vorsatz die Konstruktion überwinden könne. Außerdem sei auf den Wegen neben der Brücke nicht mit unbeaufsichtigten Kindern zu rechnen. Der Stemweder Stahlbauer Richard Rohlfing, in dessen Werkstatt die Brückenelemente hergestellt wurden, hält eine technische Lösung des Problems für machbar. Wie er auf Anfrage erläutert, sei es möglich, nachträglich Stäbchen aus (rostfreiem) Edelstahl in die Geländer zu schweißen und auf diese Weise Kletterversuche von Kindern zu unterbinden. Bis zu 2.000 Bleche müssten zum Schutz eingebaut werden 1.000 bis 2.000 Bleche seien dafür erforderlich. Die Arbeiten würden laut Rohlfing zwischen zwei und drei Wochen dauern und zwischen 20.000 und 30.000 Euro kosten. Die Stäbchen müssten genügend breit sein, um das Anbringen sogenannter Liebesschlösser zu verhindern, und gleichzeitig sehr dünn, damit auch künftig die Brüstungen von Tageslicht durchflutet werden. Theoretisch könnte man auch einfach Plexiglas an die Geländer schrauben. Freilich kommt es bei gestalterischen Veränderungen gegenüber dem Ursprungsentwurf auch auf das Wohlwollen der Architekten an. Denn deren Planung für die neue Brücke dürfte gesetzlichen Urheberrechtsschutz genießen. Stadt will im Aussschuss informieren Die Stadt kündigte gegenüber der "NW" weitere Informationen für den nächsten Mobilitätsausschuss am 27. April an. Dann werde die Technische Beigeordnete Nina Herrling Aktuelles zum Stand der Dinge mitteilen. Sprecherin Annette Blumenstein räumte ein, dass noch der abschließende Nachweis fehle, "dass dieses Bauwerk vollumfänglich den anerkannten Regeln der Technik entspricht". Zugleich wird Herrling mit den Worten zitiert: &bdquo;Die Beteiligten arbeiten mit aller Kraft an einer schnellen Freigabe der Brücke.“ Die alte Brücke über den Westring, war im August 2018 wegen erheblicher Schäden zunächst gesperrt und dann abgerissen worden. Das neue 206 Meter lange und geschwungene Bauwerk sollte zunächst 2,5 Millionen Euro kosten. Der Preis hat sich inzwischen fast verdoppelt auf rund 4,8 Millionen Euro inklusive Planung.

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