Gütersloh ist pleite: Neuer Kämmerer gibt erste Eindrücke preis

Sie sind seit 100 Tagen Stadtkämmerer in Gütersloh und sagen, dass Sie hier gut angekommen sind. Was bedeutet das für Sie konkret? Könnecker: Dass ich einen Großteil der Kolleginnen und Kollegen kennengelernt habe, dass ich auf der persönlichen Ebene angekommen bin und mir natürlich einen weitestgehenden Überblick über die städtischen Finanzen und den Haushalt verschafft habe. Thematisch bin ich gut drin. Sie wohnen in Osnabrück. Wird das so bleiben? Ja, ich pendel. Die Verbindung über die A 33 ist gut. Bis dato sieht es nicht so aus, als ob ich in Gütersloh ein Zimmer benötige. Wie schaffen Sie es, bei der räumlichen Distanz, die Stadt Gütersloh auch außerhalb des Rathauses kennenzulernen? Die Situation ist für mich nicht neu. Ich habe über 20 Jahre in Münster gearbeitet und ebenfalls in Osnabrück gewohnt. Das war unproblematisch. Ich will hier in Gütersloh nicht nur arbeiten und in Akten und Vorlagen die städtischen Themen lesen, ich will auch wissen, was dahintersteckt. Der Bürgermeister hat angeboten, mir die Stadt zu zeigen. Er hat sich viel Zeit dafür genommen, mir die Gütersloher Hotspots und aus städtischer Sicht wichtigen Dinge gezeigt. Das erleichtert mir persönlich das Ankommen sehr. Ansonsten nutze ich jede Mittagspause, um mit offenen Augen und Ohren durch die Stadt zu gehen. Sie haben bei Ihrem Amtsantritt gesagt, dass Gütersloh aus Ihrer Sicht viel Potenzial hat. Das schmeichelt natürlich, aber was meinen Sie konkret? Aus meiner Sicht ist Gütersloh ein attraktiver Standort mit guten Rahmenbedingungen. Die Stadt ist wirtschaftlich stark was Handel und Gewerbe anbelangt und hat einem gesunden Mittelstand. Beim Thema Wirtschaftsförderung hat man vor einigen Jahren ein wichtiges Handlungsfeld erkannt und richtig gehandelt. Das schafft entsprechende Steuereinnahmen. Das freut natürlich den Kämmerer. Die Lage ist aber gar nicht so rosig. Sie haben Ihren Vertrag in Gütersloh unterzeichnet zu einem Zeitpunkt, als noch nicht öffentlich bekannt war, wie es um die finanzielle Situation der Stadt bestellt ist, oder? Ich habe schon vorher Gelegenheit gehabt, mir entsprechende Bilanzen und Jahresabschlüsse anzugucken. Wenn man aus dem Metier kommt, kann man die Zahlen entsprechend interpretieren. Wie die Stadt in Gänze dasteht, wusste ich noch nicht zum Zeitpunkt meiner Bewerbung, aber ich wusste es, bevor ich gewählt worden bin. Das hat Sie offensichtlich nicht erschreckt? Nein. Ich komme vom Landschaftsverband der von verschiedenen Mitgliedskommunen getragen wird. Hierunter gibt es einige, die eine andere Haushaltssituation haben. Deshalb kann ich gut einschätzen, wie Gütersloh dasteht. Nämlich? Von der Einnahmenseite her gut. Woran man sicherlich arbeiten muss ist die Ausgabenseite. Das hat meine Vorgängerin Christine Lang viele Jahre thematisiert und hier stimme ich inhaltlich voll überein. Es ist erkennbar, dass Gütersloh vor allem in den letzten Jahren erhebliche Ausgabensteigerungen hat, insbesondere seit 2021. Das ist mit der Haushaltsaufstellung für das laufende Jahr kommuniziert worden, dass wir in einen Bereich kommen, der möglicherweise kritisch wird. Also ich bringe es mal auf den Punkt: Gütersloh gibt aktuell zu viel Geld aus. An welchen Stellen konkret? Die Antwort ist Teil der Haushaltskonsolidierung. Einzelne Themen kann ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht benennen. Hintergrund ist, dass wir uns aktuell den gesamten Haushalt angucken, eine umfassende Aufgabenkritik erstellen und anschließend die konkreten Punkte benennen, an denen gespart werden kann. Wann können die Bürger mit Ergebnissen rechnen? Ein Datum kann ich nicht nennen. Wir clustern die Felder, dann muss die Politik entscheiden. Wir wollen Ergebnisse schon in den Haushalt 2024 einpreisen. Aber meine persönliche Meinung ist, dass wir dann mit dem Thema Haushaltskonsolidierung noch lange nicht fertig sind. Warum dauert das so lange? Weil ich ein großes Interesse daran habe, eine strukturierte Haushaltskonsolidierung vorzunehmen. Was Gütersloh in der Vergangenheit bislang oft gemacht hat, war eher unsortiert. Es wurden einige Themen mit Preisen versehen, die anschließend politisch kontrovers diskutiert worden sind. Die gefundenen Kompromisse hatten womöglich sechsstellige Einsparungen – waren für die Haushaltslage aber nicht wesentlich. Mein Ansatz ist ein anderer. Wir müssen eine umfassende Aufgabenkritik des gesamten städtischen Haushalts vornehmen. Wir werden alle 26 Fachbereiche, die Ämter und die Beteiligungen in den Blick nehmen und konkrete Konsolidierungsmöglichkeiten benennen. Manche werden schnell gehen, bei anderen wird es sicherlich aufgrund der Auswirkungen viel Diskussionsbedarf geben. Bei welchen Fachbereichen rechnen Sie mit Problemen? Das sind eher die Themen als die Fachbereiche, vieles davon ist schon mit politischen Beschlüssen hinterlegt. Das Schwierige ist, diese Themen eindeutig zuzuordnen. So ist zum Beispiel vieles aus dem Bereich Klima, Umwelt, Nachhaltigkeit bei verschiedenen Fachbereichen verortet. Das werden wir sauber auseinanderarbeiten müssen. Meine Diagnose lautet, dass viele Themen noch nicht mit der ausreichenden Validität beziffert worden sind. Sie meinen, was das Thema die Stadt jeweils kostet? Genau. An einigen Themen ist noch kein Preisschild dran. Das muss erfolgen und dann müssen wir diesen Preis noch einmal hinterfragen. Das ist nicht trivial, da steckt eine Menge Arbeit drin. Aber das ist die Grundlage für eine betriebswirtschaftliche Betrachtung. Wir brauchen einen Preis für jedes Thema. Wissen Sie die Politik hinter sich? Ja. Ich habe der Politik einen Vorschlag gemacht, der bislang mitgetragen wird. Und ich bin zuversichtlich, dass das so bleibt. Dann würden Sie es besser hinbekommen als Ihre Vorgängerin. Meine Aufgabe ist es, den Haushalt komplett zu scannen und Vorschläge zu machen. Die letzte Entscheidung liegt bei den Gütersloher Politikern und sie müssen sie treffen im Kontext von schwierigen Zielkonflikten. Etwa beim Bau neuer Schulgebäude. Die Politik verliert ihre Glaubwürdigkeit, wenn nach all den Jahren die Diskussion wieder von vorne beginnt. Beim Ausbau der Grundschulen steht der Zug auf den Gleisen und es wäre fachlich und betriebswirtschaftlich zu kurz gegriffen, ihn anzuhalten. Das will auch keiner. Was wir sicherlich in Zukunft tun müssen ist, den gesamten Bauprozess in den Blick zu nehmen. Hier müssen wir möglicherweise nachjustieren, um die wirtschaftlichste Lösung zu finden. Welche Investitionsfehler hat die Stadt in den vergangenen Jahren gemacht? Ich würde es nicht Fehler nennen, aber die Schwerpunkte waren teilweise falsch gesetzt und die Kosten sind nicht deutlich genug. Als Sie in Gütersloh gestartet sind, sind Sie im Verwaltungsvorstand unmittelbar in turbulente Situationen geraten. Die Öffentlichkeit durfte miterleben, wie sich Bürgermeister und Dezernenten gestritten und gegenseitig das Vertrauen entzogen haben. Wie geht es Ihnen damit? Ich will das nicht überbewerten. Für mich ist es normal, dass es innerhalb eines Verwaltungsvorstandes unterschiedliche Sichtweisen gibt, und es gibt eben auch unterschiedliche Persönlichkeiten. Die Bürger sehen das vermutlich nicht so entspannt. Zuletzt wurde im Rat der Stadt über die Verletzung von Dienstgeheimnissen debattiert. Das ist Gegenstand eines beziehungsweise mehrerer laufender Verfahren. Deshalb werde ich mich dazu momentan nicht äußern. Zu gegebener Zeit wird es dazu Ergebnisse geben. Wann wird das sein? Das haben wir als Stadt nicht alles selber in der Hand. Wir prüfen die Vorwürfe gegen den Geschäftsführer der Gütersloh Marketing GmbH. Der Kreis prüft als Aufsichtsbehörde die Vorwürfe gegen Norbert Morkes. Hier sind wir nicht Herr des Verfahrens und müssen das Ergebnis selbst abwarten. Wie bewerten Sie die Zusammenarbeit mit dem Bürgermeister? Meine persönliche Zusammenarbeit mit ihm ist gut. Leidet ihr Fachbereich wie viele andere im Rathaus unter Personalmangel? Der demografische Wandel belastet uns. Qualifizierte Leute gerade im technischen Bereich zu finden ist noch schwieriger als in allen anderen Verwaltungsbereichen. Ich bin froh, dass ich im Rahmen meines Amtsantritts die Leitungsstelle in meinem Zuständigkeitsbereich des technischen Gebäudemanagements qualifiziert besetzen konnte. Darunter sind jedoch viele Stellen vakant. Sie haben beim LWL einen Etat von mehreren Milliarden Euro verantwortet. In Gütersloh ist es deutlich weniger. Spüren Sie diesen Unterschied? Der Haushalt beim LWL war zehnmal so hoch, er hat in 2023 erstmals die vier Milliarden-Marke geknackt. Aber es geht um die Inhalte, die Verantwortung ist die gleiche. Ich habe in Gütersloh die Erfahrung gemacht, dass auch hinter ganz kleinen Zahlen sehr komplizierte Inhalte stecken können mit viel Konfliktpotenzial. Andere große Zahlen im siebenstelligen Bereich sind hingegen unproblematisch, weil es sich zum Beispiel um gesetzliche Ansprüche handelt, die erfüllt und deshalb bezahlt werden müssen. Was war letztlich der Grund, vom Landschaftsverband in Münster nach Gütersloh zu wechseln? Ich war in Münster kein Dezernent, ich habe die Finanzabteilung geleitet. Der Wechsel nach Gütersloh war für mich also ein Schritt nach vorne. Hier bestand die Möglichkeit, Mitglied des Verwaltungsvorstands zu werden – vor allem in der Verbindung Finanzen und Hochbau. Im Hochbau wird ein großer Teil des Geldes ausgegeben und als Kommune ist man gut beraten, die beiden Dinge gemeinsam im Blick zu behalten. Sie haben also eine neue Herausforderung gesucht? Ja. Und ich habe sie gefunden.

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