Gütersloher Unternehmen Miele trennt sich von Start-up

Gütersloh. Täglich erntefrische Salate und Kräuter aus einem automatisch gesteuerten Gewächsschrank, einem so genannten &bdquo;Plantcube“ – mit diesem Konzept wollte das Münchner Start-up Agrilution die Idee des Vertical Farming in die eigenen vier Wände bringen. Seit Ende 2019 geschah dies unter dem Dach der Miele-Gruppe. Nun gibt der Gütersloher Hausgerätekonzern bekannt, das Geschäft mit den Plantcubes mangels wirtschaftlicher Perspektive nicht weiter fortzuführen. Betroffen sind einer Mitteilung zufolge fast 40 festangestellte und weitere studentische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, denen wegen Betriebsschließung zum 30. Juni gekündigt wurde. Die zuletzt etwa 650 Nutzer, die auch ihr Saatgut, so genannte &bdquo;Seedbars“, über Agrilution bezogen haben, erhalten laut Miele zeitnah ein Angebot über den Rückkauf ihres Gerätes. 2019 Insolvenzverfahren beantragt Unter &bdquo;Vertical Farming“ verstehen Experten die platzsparende Versorgung mit frischen Lebensmitteln über mehrstöckige Gewächshäuser. Agrilution wurde 2013 gegründet, musste dann aber 2019 die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragen, nachdem sich eine Finanzierungsrunde nicht wie geplant hatte realisieren lassen. Nach dessen Eröffnung hatte Miele im Wege eines sogenannten Asset Deals unter anderem die Marke, das Know-how sowie fast alle Beschäftigten übernommen und auf die neu gegründete 100-Prozent-Tochter Agrilution Systems GmbH übertragen. In den vergangenen Jahren sei mit finanzieller und technischer Unterstützung von Miele daran gearbeitet worden, Geschäftsmodell, Produktportfolio und Belegschaft in eine nachhaltig marktfähige Zukunft zu führen. Produkt kostet mehr als 3.000 Euro &bdquo;Leider hat sich seither aber herauskristallisiert, dass die Nachfrage weit hinter den Erwartungen zurückbleibt“, sagt Gernot Trettenbrein, als Senior Vice President New Growth Factory auch verantwortlich für die neuen Geschäftsfelder bei Miele. Hinzu komme, dass dieses Produkt wegen seiner technischen Komplexität mehr als 3.000 Euro koste. Um den Plantcube für breitere Zielgruppen attraktiv zu machen, sollte eine zusätzliche Baureihe zu einem deutlich niedrigerem Einstiegspreis auf den Markt kommen. Dies habe sich dann aber wegen der sprunghaft gestiegenen Material-, Energie- und Logistikkosten nicht mehr realisieren lassen, heißt es in der Mitteilung. Infolgedessen wurde nach sorgfältiger Prüfung aller verfügbarer Optionen die Entscheidung getroffen, das Geschäft mit den Plantcubes nicht weiter zu verfolgen. Betriebsrat widerspricht Miele öffentlich Der Betriebsrat des Vertical Farming-Entwicklers widerspricht den Aussagen des Miele-Unternehmens jetzt öffentlich. Vielmehr seien strategische Fehlentscheidungen seitens der Miele Business Unit “New Growth Factory” - die an der Münchner Geschäftsführung vorbei über die Strategie der Agrilution entscheiden würden - ausschlaggebend, heißt es in einer aktuellen Mitteilung. Im Rahmen einer Betriebsratsgründung sei es zu einer Entlassungswelle gekommen. Sibylle Wankel, Erste Bevollmächtigte der IG Metall München: &bdquo;Wirtschaftliche Gründe sind nur vorgeschobene. Die Entlassungswelle rund um die Betriebsratsgründung zeigt, dass die Eigentümerin Miele kein Interesse an Sozialpartnerschaft hat.“ Das aktuelle Produkt erfreue sich bei Kunden größter Beliebtheit. Erste Rückmeldungen würden verlautbaren lassen, dass das von Miele angebotene Buy Back Programm nicht im Sinne dieser ist. Viele würden sich wünschen, das Produkt zu behalten und weiter zu benutzen, so die IG Metall. Der Vorsitzende des Betriebsrats, Informatiker Jakob Oelkers, ergänzt: “Agrilution verfügt über ein nahezu marktreifes neues Produkt - die Produktionslinie ist komplettiert. Auch gibt es noch Bemühungen, diese Assets zu verkaufen. Das zeigt, dass auch Miele die Möglichkeit eines Weiterbetriebes sieht.”

Meistgelesen