Kampf gegen Elterntaxis: Gütersloh richtet Bringzonen an Grundschulen ein

Gütersloh. 43 Prozent: Beinah jedes zweite Grundschulkind wird von seinen Eltern mit dem Auto zur Schule gebracht. Das hat eine Umfrage ergeben, die ein Verkehrsingenieur an sechs Gütersloher Grundschulen getätigt hat. Da ein derart hoher Anteil nicht nur jeden Morgen zu Verkehrschaos führt, sondern die Kinder unselbstständig und bewegungsfaul macht, geht die Stadt nun dagegen vor. Sie richtet Hol- und Bringzonen ein. Ziel ist es, weniger Verkehr direkt an den Schulen zu haben – und die Mütter und Vater zu bewegen, ihr Elterntaxi am besten gleich ganz stehen zu lassen. Bislang gibt es solche Zonen nur an der Grundschule Kattenstroth. In 200 bis 300 Metern Entfernung sind dort blau markierte Flächen angelegt, wo die Kinder aus dem Elternauto aussteigen und das letzte Stück zu Fuß gehen. Die Kattenstrother Schule war die einzige aus Gütersloh, die an dem Pilotprojekt des Kreises &bdquo;Lass(t) uns laufen“ teilnahm. Doch das Interesse der Schulen, weniger Elterntaxis rund um ihre Gebäude zu haben, ist allumfassend. An dem neuen Vorstoß, diesmal von der Stadt, nehmen nun sechs weitere Grundschulen teil: Blücher-, Heidewald-, Kapellenschule sowie die Schulen Große Heide, Pavenstädt und Neißeweg. Maria Rolfes, Leiterin der Straßenverkehrsbehörde: &bdquo;Ist das Projekt an diesen sechs Schulen erfolgreich umgesetzt, dehnen wir es auf weitere Grundschulen aus.“ Auch weiterführende Schulen kämen in Betracht. Verstopfte Straßen auch an der Realschule in Gütersloh In der Sitzung des Bildungsausschusses machten die Vertreter nahezu aller Fraktionen Druck. &bdquo;Jeder weiß, wie sinnvoll das ist“, sagte Martin Goecke (SPD). &bdquo;Das Projekt gehört rasch ausgeweitet, die Eltern an den anderen Schulen warten doch schon. Und damit meine ich nicht nur die Grundschulen, sondern mindestens auch die Jahrgänge fünf und sechs.“ Wie chaotisch die Verkehrslage wegen der vielen Elterntaxis auch an einer weiterführenden Schule sei, erlebe er jeden Morgen, sagte Carsten Rethage, CDU-Ratsherr und Lehrer an der Geschwister-Scholl-Realschule. &bdquo;Die Straße ist regelmäßig verstopft, ich sehe da Eltern, die nur ein paar hundert Meter entfernt wohnen und trotzdem ihr Kind mit dem Auto bringen. Als Radfahrer muss ich aufpassen, dass ich da nicht vom Rad geputzt werde.“ Gütersloh will Vorhaben zügig vorantreiben Martin Noack (Grüne) hakte mehrmals nach, wann die Stadt die Evaluierung für die sechs Standorte vorlege und wann mit einem weiteren Rollout gerechnet werden dürfe – eine konkrete Antwort bekam er nicht, allerdings die Versicherung, dass man das Vorhaben nun zügig vorantreiben wolle. Schon die Erfahrungen des Kreises hatten gezeigt, dass der Kampf gegen die Elterntaxis kein leichter ist: Es sind Elternabende zu organisieren, Befragungen vorzunehmen, Gefahrenstellen zu besichtigen, Lösungsvorschläge zu prüfen. Beispielsweise müssen die Zonen sicher sein, heißt: gefahrloses Ein- und Aussteigen zulassen. Außerdem darf man den Eltern keine langen Umwege aufbürden, sonst akzeptieren sie die Zonen nicht. Das chauffierte Kind aus Gütersloh leidet - aus mehreren Gründen Bei den Umfragen an den sechs Gütersloher Schulen kam heraus, dass knapp ein Drittel der Eltern ihre Kinder auf dem Weg zur Arbeit absetzen (und wieder abholen). 19 Prozent begründen ihren Chauffeurdienst damit, dass sie den Straßenverkehr zu gefährlich für ihr Kind finden, elf Prozent finden den Schulweg zu lang, neun Prozent haben Angst, dass ihr Kind Übergriffen und Belästigungen ausgesetzt sein könnte. Die Aussagen sind valide: 60 Prozent der Eltern hatten den Fragebogen beantwortet. All diese Argumente und Bedenken führen zu dem Gesamtanteil von 43 Prozent Elterntaxi - ein außerordentlich hoher Wert, wie Carsten Elkmann, Verkehrsingenieur aus Dortmund, staunte. Es gebe in Gütersloh also einiges an Überzeugungsarbeit zu leisten. Zum Beispiel müsse man den Eltern klar machen, dass das allmorgendliche Verkehrschaos, das sie produzieren, genau das sei, was zu heiklen, gefährlichen Situationen führe. Die Chauffeurs-Eltern hemmten den Bewegungsdrang ihrer Kinder, sie raubten ihnen das Orientierungsvermögen und die Chance, selbstständig Verkehrserfahrungen zu sammeln, sie entzögen ihnen die Möglichkeit, ihren Schulweg als ein kleines Refugium zu erleben, endlich einmal ohne Begleitung von Mama oder Papa. Elkmann: "Die chauffierenden Eltern glauben, ihren Kindern zu helfen, in Wirklichkeit schaden sie ihnen." Bei dem Pilotprojekt des Kreises, von Studenten ausgewertet, gaben 70 Prozent der zu Fuß gehenden Kinder an, sie könnten sich nun besser im Unterricht konzentrieren. Für jeden Standort in Gütersloh wird ein eigener Schulwegplan entwickelt Damit die Umerziehung Erfolg hat, sei ein "Verkehrszähmer-Programm" erforderlich, so Elkmann. Dazu gehören Eltern- und Kindschulungen und eine Reihe aufklärender Elternbriefe. Seinen Titel trage das Programm, weil es bewirken soll, dass das böse Drachen-Auto in der Garage bleibt. "In Schulen, die es schon anwenden, läuft das super", sagt Elkmann. Wichtig seien Schulwegpläne: Faltpläne mit Karte, Hinweisen, Infos, Ansprechpartnern, den markierten Halte- und Bringzonen. Bis zum Sommer sollen für die sechs Schulen diese Pläne vorliegen. Welchen Effekt der Kampf gegen die Elterntaxis haben kann, sehe man in vielen Städten, so Elkmann. In Hessen, wo es außerdem landesweit das 365-Euro-Schülerticket gibt, seien nun 40 Prozent weniger Elterntaxis unterwegs.

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