Kommentar: Gütersloher Unternehmen wissen die Energiekrise für sich zu nutzen

Wann hat das angefangen, dass unsere Gesellschaft die Eckpfeiler der Ladenöffnungszeiten umgesetzt hat? Immer ein Stückchen weiter. Dass der Rewe-Supermarkt inzwischen bis 22 Uhr geöffnet hat, ist so absurd wie normal. Aldi, Lidl & Co. sind bis 21 Uhr offen. Das Drehen an der Uhr ist eine Art Wettrüsten im Kampf um die Kunden geworden. Wie haben wir den Lebensmitteleinkauf früher geschafft, als der Supermarkt um 18.30 Uhr zu war? Manchmal weiß ich es selbst nicht mehr. Wann hat das angefangen, dass Fitnessstudios wie FitX volle 24 Stunden geöffnet haben? Die Studioauslastung kann online eingesehen werden, wie viele Menschen nachts um 3 Uhr trainieren, ist wahrlich überschaubar, aber Licht, Wärme und Duschen müssen bereitgestellt werden. Wann hat das angefangen, dass die Bäcker auch sonntags öffnen? Dass wir ins Restaurant zum Essen gehen, nicht weil es einen Geburtstag zu feiern gilt, sondern weil wir heute keine Lust haben zu kochen? Überschaubare Zahl der Kunden rechnet sich lange nicht mehr In dieser Woche sammeln sich die Nachrichten, die darauf hindeuten, dass sich die Dinge ändern: Wirte streichen die Weihnachtsgans von der Karte. Das Traditionsessen erlebt eine Preisexplosion und außerdem traut man dem Kunden nicht mehr. Die ersten Bäcker kündigen an, sonntags nicht mehr öffnen zu wollen. Und der Branchen-Riese Aldi Nord geht voran und verkündet, dass die Öffnungszeit am Abend reduziert wird. Von 21 auf 20 Uhr. Das klingt nicht nach viel. Dahinter verbirgt sich jedoch eine Dynamik, deren Ausmaß noch nicht absehbar ist. Was dem Kunden aktuell mit dem Argument &bdquo;Energiekosten sparen“ verkauft wird und für ein Saubermann-Image sorgt, dürfte in Wahrheit die Gunst der Stunde sein, die jetzt (in allen möglichen Branchen) ergriffen wird. Die überschaubare Zahl der Kunden, die sich um 20.30 Uhr in Supermärkten tummeln, rechnet sich schon lange nicht mehr. Aber wer hätte sich getraut, die Öffnungszeiten ohne triftigen Grund zurückzuschrauben? Energiekosten und vor allem Personalmangel drücken dermaßen, dass aus der Not eine Tugend wird. Alles eine Frage des Marketings. Die Energiekrise schafft einen Verbund zwischen katholischer und evangelischer Kirche Hatte die katholische Kirche in Gütersloh nicht ohnehin vor, Sparmaßnahmen umzusetzen, um dem Mitgliederschwund zu begegnen? Der Anzug sei zu groß geworden, den man trägt. Soll heißen: Man muss zu viele Kirchen für zu wenig Gläubige unterhalten. Was liegt also näher, als von den zehn katholischen Gütersloher Kirchen vier aus dem laufenden Betrieb zu nehmen – probeweise? &bdquo;Als Kirche vor Ort sollten wir nicht nur verbal, sondern konkret etwas zur Nachhaltigkeitsdiskussion beitragen“, sagt Pfarrer Quante. Die Energiekrise schafft einen Verbund zwischen katholischer und evangelischer Kirche. Welch strenger Gläubige könnte da zürnen? Wir können wohl sicher sein, dass dieses Unterhaken ein Testlauf ist, der in der einen oder anderen Form fortgesetzt wird. Ein Zurück zum heutigen Status wird es nicht geben. Ist das nun alles ganz fürchterlich? Nein, im Gegenteil, die Entwicklung ist gut und richtig. Wir neigen zur Unbeweglichkeit – solange wir nicht gezwungen werden. Eine Erkenntnis, die wir in der Corona-Pandemie erleben durften. Die Arbeit im Homeoffice dient als bestes Beispiel. So sind wir Menschen halt. Freiwillig möchten wir nichts Liebgewonnenes abgeben, mögen nicht verzichten, mögen uns nicht dem Gerede der Öffentlichkeit oder Konkurrenz aussetzen. Als übergeordnete Instanz hat Corona vieles in Bewegung gesetzt. Und wo das Virus aufgehört hat, macht nun die Energiekrise weiter. Die Auswüchse des Wohlstands werden gestutzt. Was wir als Verzicht definieren mögen, ist in Wahrheit eher ein Normalzustand. &bdquo;Wir sollten in den nächsten Monaten zusammenrücken“, rät Pfarrer Quante. &bdquo;Das lässt uns vielleicht lebendigere Gottesdienste erleben.“ Es sind also nicht die schlechtesten Aussichten. Auch wenn es vielleicht manchmal so aussieht.

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