Kircheneintritte in Gütersloh: Warum sich Erwachsene für den Glauben entscheiden

Gütersloh. Die evangelischen und katholischen Kirchen haben schon seit einiger Zeit zu kämpfen: 2024 gehörten erstmals weniger als die Hälfte der Menschen in Deutschland den beiden großen christlichen Kirchen an (45 Prozent). Doch trotz dieses Abwärtstrends und der schwindenden gesellschaftlichen Bedeutung entscheiden sich Menschen auch heute noch bewusst dafür, in die Kirche einzutreten. Im vergangenen Jahr haben sich 20 Personen aus Gütersloh zu dem evangelischen Glauben bekennt, in der katholischen Kirche waren es zwei. Bei den beiden großen christlichen Kirchen gibt es drei Möglichkeiten, einzutreten: über die Taufe, den Wiedereintritt und den Eintritt aus einer anderen christlichen Kirche, also aus dem Katholischen ins Evangelische und anders herum oder aus einer Freikirche. Seitens der Gütersloher evangelischen Kirche gehöre Letzteres zu der häufigsten Form des Eintritts bei Erwachsenen, informiert Michael Frentrup, evangelische Pfarrer in Gütersloh. So kam auch Achim Westerbarkei mit 45 Jahren zum evangelischen Glauben. Der Gütersloher ist zwar in einem katholischen Haushalt aufgewachsen, doch &bdquo;die Strukturen in der katholischen Kirche sind sehr starr. Vieles ist vorgegeben.“ Und das sehe er kritisch. Auf der Suche nach spirituellem Halt Der Kircheneintritt ist für die meisten Menschen eine sehr persönliche Angelegenheit. Daher sind die Gründe durchaus &bdquo;vielfältig und individuell“, teilt Pfarrer Frentrup mit. Dennoch ergibt sich ein Muster: Oftmals können Eintritte auf einschneidende Lebensereignisse und -abschnitte zurückgeführt werden. So sind die Geburt eines Kindes, die eigene Hochzeit oder der Kontakt zu Krankheit und Tod, Anlass, der Kirche beizutreten. Auch das Patenamt ist ein relevanter Motivator. &bdquo;Die Begründung für den Kircheneintritt kommt immer aus dem eigenen Leben heraus“, fasst Torsten Roland zusammen. Der Katholik hat vor eineinhalb Jahren die Nachfolge von Pfarrer Quante angetreten, der im vergangenen Jahr verstarb. Für Michael Frentrup ist es relativ klar, warum genau diese Wendepunkte, Lebensphasen und Krisen Menschen dazu bewegen, der Kirche beizutreten. &bdquo;Es tauchen Fragen auf, die über das alltägliche Leben hinaus gehen: Wo gehen wir hin? Was ist der Sinn? Gibt es eine höhere Macht?“ Denn auch wenn viele der Kirche ihren Rücken zuwenden, gebe es &bdquo;keine spirituelle Einöde“, wie es Frentrup formuliert. &bdquo;Die Menschen suchen nach spirituellem Halt.“ Schließlich &bdquo;haben wir alle Fragen über Leben und Tod.“ Pfarrer Roland sieht das ähnlich: &bdquo;Die, die eintreten, haben Sorgen und Fragen. Ich glaube, dass wir auf das Leben Antworten haben.“ Aber auch abseits des Persönlichen gibt es Gründe für den Kircheneintritt: &bdquo;In der heutigen Zeit schwanken viele Gewissheiten“, merkt der evangelische Geistliche an und verweist auf den Zustand der Demokratie. &bdquo;Die Welt wird unsicherer.“ Themen wie Kriege und Klimawandel würden viele Menschen beängstigen. Ernennung des neuen Papstes belebt katholische Kirche &bdquo;Die Aufgabe der Kirche ist es, da klare Worte zu finden“, sagt Frentrup. So solle sich die Kirche frei und unabhängig für die Menschen einsetzen: &bdquo;Menschenrechte gelten für alle Menschen. Das ist christliches Gedankengut.“ Wesentlich sei zudem der Gemeinschaftsaspekt. So spende der Gedanke &bdquo;sich zu etwas Größerem zugehörig zu fühlen“ Kraft. &bdquo;Die Glaubensgemeinschaft gibt Halt“, weiß Torsten Roland. Auch Westerbarkei erlebt die Gemeinschaft als &bdquo;bestärkend“ und &bdquo;verbindend.“ Für die katholische Kirche ist dieses Jahr noch in einer anderen Hinsicht besonders: Denn die Ernennung des neuen Papstes hat auch Einfluss auf das Gemeindeleben in Gütersloh und ist stets Gesprächsthema. &bdquo;Er ist sehr authentisch und hat eine menschliche Art“, findet Roland. &bdquo;Ich glaube, dass er bewirken kann, dass Menschen eintreten.“ Pfarrer wissen, dass Kirche an Bedeutung verliert Unter anderem deshalb gibt es laut dem Pfarrer derzeit einen &bdquo;Aufschwung“ im Pastoralen Raum Gütersloh. &bdquo;Die Menschen wollen wieder mehr mitgestalten und der Kirche ein Gesicht geben.“ Ob die Aufbruchsstimmung auch auf seine Person zurückzuführen ist, könne er nicht beurteilen. &bdquo;Das möchte ich nicht an mir festmachen“, so Torsten Roland. Sein Vorgänger Quante stand zuletzt wegen Veruntreuung von Kirchengeldern in der Kritik. Trotz allem sind sich beide Pfarrer bewusst, dass die Kirche stetig an Bedeutung verliert. &bdquo;Das ist eine große Herausforderung für uns. Deshalb müssen wir zu den Menschen hingehen.“ Frentrup spricht von &bdquo;neuen Formen der Begegnung“, darunter fallen Open-Air Gottesdienste, Taufen im Stadtpark oder auch Pop-Up Trauungen wie in Rheda-Wiedenbrück. &bdquo;Wir müssen offener werden.“ Dazu gehöre auch, zu hinterfragen, wo sich die Kirche in alten Traditionen verrannt habe, sagt der Pfarrer, der seit 34 Jahren in der Gütersloher evangelischen Kirche arbeitet.

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