Güterslohs ältestes Gasthaus wird geschlossen

Gütersloh. Ein Fachwerkhaus vis à vis der Kirche mit 300 kleine Butzenscheiben. Eine Deele mit Schankraum, alten Werkzeugen, Jagdtrophäen, historischen Steinhäger-Kruken – das ist das Gasthaus &bdquo;Zur Linde“ in Isselhorst. Kaum ein Gütersloher, der hier noch nicht am Holztisch sein Bier getrunken hat oder in der Vorweihnachtszeit sich eine Gans mit Rotkohl schmecken ließ. Doch damit ist nun bald Schluss. Wenn Rolf Ortmeier nach Weihnachten die schwere Holztür zur Deele abschließt, wird er sie im neuen Jahr nicht wieder öffnen. &bdquo;Wir hören auf“, sagt der 68-Jährige. Sein Koch geht in wenigen Wochen in Ruhestand, Ersatz ist ebenso schwer zu finden wie Servicekräfte. Und für ihn und seine Frau Gerda (71) ist die Arbeit alleine nicht zu schaffen. Dabei sah es jahrelang so aus, als ob die fast 350jährige Familiengeschichte des ältesten Gasthauses Güterslohs weitergeführt werden könnte: Ortmeiers Sohn Till Rolf ist gelernter Koch, Tochter Ellen Katrin Restaurant-Fachfrau. Seit vielen Jahren arbeitet sie im elterlichen Betrieb mit, ist mit einem Koch verheiratet. Lediglich Tochter Kim Nadine hat keine Gastronomie-Laufbahn eingeschlagen, sondern ist beim Kreis als Mobilitätsmanagerin tätig. Nachfolger-Suche war erfolglos Doch der Personalmangel in der Gastronomie und die Erfahrungen der letzten beiden Corona-Jahre haben die Kinder von Rolf Ortmeier vor der Übernahme des Familienbetriebes zurückschrecken lassen. &bdquo;Unser Sohn arbeitet in Cuxhaven im Best Western Hotel als Küchenchef und hat inzwischen dort seinen Lebensmittelpunkt“, erzählt Gerda Ortmeier. Und auch Tochter Ellen und ihr Mann möchten das Traditionsgasthaus nicht weiterführen. So ganz kann er selber noch nicht glauben, dass Ende des Jahres der Zapfhahn für immer zugedreht wird. Und seine Stammgäste schon gar nicht. &bdquo;Ihr könnt doch nicht aufhören“, schallt es ihm allenthalben entgegen. &bdquo;Dann sage ich immer, dass sie ja alle gerne mal zum Bedienen und Helfen vorbeikommen könnten“, so Rolf Ortmeier. Gekommen sei nie einer. Auch der Versuch, über den Hotel- und Gaststättenverband und einschlägige Gastro-Portale einen Nachfolger für die wirtschaftliche erfolgreiche &bdquo;Linde“ zu finden, war bisher erfolglos. Schwierig sei das vor allem auch, weil im Familienbetrieb Ortmeier Leben und Arbeiten nahtlos ineinander übergeht. &bdquo;Um in unsere Wohnung zu kommen, muss man durch die Küche“, erzählt Gerda Ortmeier. Ohne große Umbauten an dem denkmalgeschützten Gebäude ginge es nicht. Eine Alternative wäre vielleicht der komplette Verkauf des Hauses. &bdquo;Wir werden im kommenden Jahr in Ruhe überlegen, wie es mit der Linde weitergeht“, meint Rolf Ortmeier. Im laufenden Betrieb sei dazu gar keine Muße. Haus fällt sofort ins Auge Es gibt wohl kaum ein geschichtsträchtigeres Haus in Issehorst, als die &bdquo;Linde“. 1677 wurde es von Hinrich Astroth und Ilsabein auf der Brüggen errichtet, wie in dem schweren Torbogen zu lesen ist. Salzschmuggler machten hier Rast, Postkutschen parkten vor der Deele, Musiker spielten an lauen Sommerabenden auf den heruntergezogenen Zweigen der großen Tanzlinde. &bdquo;Der Baum wurde 1940 erneuert, da die alte Linde einem Sturm zum Opfer fiel“, erzählt Rolf Ortmeier. Übrigens, während er sich mit &bdquo;i“ im Namen schreibt, so ist der historische Familienname eigentlich &bdquo;Ortmeyer“. &bdquo;Irgendein Standesbeamter konnte mal kein ,y schreiben“, erzählt der Wirt schmunzelnd. Und obwohl bereits 68-jährig, trägt er immer noch das &bdquo;Junior“ im Namen – sein Vater hieß ebenfalls Rolf Ortmeier. Die Linde war und ist ein Familienbetrieb – 1977 stieg Rolf junior in das Unternehmen ein und übernahm Ende 2008 die Verantwortung. Zuvor hatte er als Küchenmeister im Berliner Kempinski gekocht. Seine Mutter Anneliese, die im vergangenen Jahr starb, stand auch mit über 80 Jahren noch hinter der Theke. Lesen Sie auch: Das sind die beliebtesten Restaurants im Kreis Gütersloh Mehr Zeit für das Feuerwehrmuseum mit 50.000 Teilen Die Vergangenheit ist in der historischen Kneipe überall präsent. &bdquo;Ich bin ein Jäger und Sammler“, sagt Ortmeier über sich selbst. Und wer einmal einen Blick in die Räume des ehemaligen Lebensmittelladens neben dem Schankraum geworfen hat, weiß, wovon er spricht. Nachdem das Geschäft 1998 geschlossen wurde und das Inventar des kleinen Kolonialwarenladens ins Detmolder Freilichtmuseum kam, zog hier das Feuerwehrmuseum mit 50.000 Exponaten ein. Schon früh hatte Ortmeier seine Liebe zur Feuerwehr entdeckt, wie alte Schwarzweiß-Fotos im Museum zeigen. Als kleiner Knirps stand er mit großen Augen im Schankraum, wenn sein Vater den Knopf rechts neben der Eingangstür drückte, um den Feueralarm auf dem Dach der benachbarten Schule auszulösen. Ab kommendem Jahr kann er sich dann mehr seinem Hobby widmen. Allerdings ist es schwer vorstellbar, dass die Türen zum Gastraum dann für immer geschlossen bleiben sollen.

Meistgelesen