Ein Millionengeschäft in Gütersloh wackelt: Jetzt geht's ums Vertragen!

Gütersloh. Bismarck soll es gesagt haben, Charles de Gaulle auch: &bdquo;Staaten haben keine Freunde, sondern nur Interessen.“ Nie konnte man das besser beobachten als beim Blick auf die heutige politische Weltlage. Im Kern geht es immer um Macht und Geschäfte. Und wenn es ums Geld geht, hört die Freundschaft bekanntlich auf. Zwei, die das in Gütersloh gerade spüren, sind die Stadtverwaltung und das Unternehmen Hagedorn. In dieser Woche hat Thomas Hagedorn sein strahlendes Lächeln eingetauscht – gegen etwas, das man wohl ein Zähnefletschen nennen darf. Das Ganze nett verpackt in Sätze wie &bdquo;Wir wollen die Stadt animieren, sich vor einem Schaden zu bewahren“, und natürlich gelte es zu vermeiden, die Angelegenheit vor Gericht zu ziehen. Derweil wird der beauftragte Rechtsanwalt Michael Hoppenberg präsentiert, um Stadt und Öffentlichkeit zu demonstrieren: Hier ist jetzt Schluss mit lustig. Was Hagedorn anpackt, klappt für gewöhnlich immer Der Streit um das Postareal ist also voll entbrannt. Warum? Weil die Stadt sich selbstbewusst zeigt – ein Umstand, mit dem das erfolgreiche Abbruchunternehmen offensichtlich nicht gerechnet hat und auch nur schwer umzugehen weiß. Kein Wunder. Thomas Hagedorn ist der Shooting-Star unter den Gütersloher Unternehmern. Was er anpackt, klappt. Steine jeder Art räumt er professionell aus dem Weg – sogar beim krisenerfahrenen FC Gütersloh, der mit seiner (finanziellen) Hilfe wieder auf Kurs ist und große Projekte in Angriff nehmen kann. Gleis 13, Schüttflix, Burger King oder die Überbauung des alten B + R-Geländes – die tatsächliche Liste der Gütersloher Bauprojekte von und mit Thomas Hagedorn ist lang. Stadtverwaltung und Politik möchten sich nicht mit dem Unternehmer streiten. Man fährt bewusst eine Linie der Entspannung. Dabei hat Hagedorn der Stadt schon in früheren Jahren juristische Schritte angekündigt, sollte es nicht so laufen wie vom Unternehmen geplant. Nur blicken Außenstehende durch die Querelen an Post und Bahnhof kaum mehr durch. Man will keinen Rechtsstreit. Oder doch? 2017 kauft Abbruchunternehmer Thomas Hagedorn für gut 3,5 Millionen Euro die Post-Immobilie von der luxemburgischen Investmentgesellschaft Lorac. Er schlägt der Stadt damit ein Schnippchen, denn zu diesem Zeitpunkt ist längst bekannt, dass der Busbahnhof ZOB dort neu und größer entstehen soll. Hagedorn hält sich mit seinen Plänen bedeckt, was er mit dem Grundstück vorhat. Verwaltung und Politik erwägen deshalb, die Notbremse zu ziehen und ihr zuvor vertraglich geregeltes Ankaufsrecht auszuüben. Gütersloh müsste den Kaufpreis für die knapp 9.500 Quadratmeter große Liegenschaft erstatten. Die Kontrahenten raufen sich zusammen. Die Stadt will Zeit, das Bauunternehmen das Prestigeobjekt gewinnen. Das Unternehmen Hagedorn bekundet, man sei bereit, das hohe öffentliche Interesse an dem Gelände zu respektieren und die eigenen Vorstellungen unterzuordnen. Das Ankaufsrecht wird in Absprache verlängert. Mehrfach. Das Problem ist nicht gelöst, aber der Streit erst mal vom Tisch. &bdquo;Wir sind ein lokales Unternehmen, dem stets an einem guten Verhältnis mit der Stadt gelegen ist“, so der Geschäftsführer der Unternehmenstochter Revital, Rick Mädel, vor fünf Jahren. Die Firma wolle auf keinen Fall einen langen Rechtsstreit provozieren. Der könnte nach Juristenmeinung jedoch drohen, sollte die Stadt ihr Vorkaufsrecht in Anspruch nehmen. Das war schon 2017. Bielefelder Projektentwickler hat sich ebenfalls eingekauft Inzwischen hat sich ein zweiter Eigentümer, Christoph Borchard, in die Trägergesellschaft des Areals eingekauft. Dem Bielefelder Unternehmer, eigenen Angaben zufolge größter Projektentwickler in OWL, gehören neben Hagedorn 50 Prozent. Das Ganze ist ein Mammutprojekt, das hat sich längst herumgesprochen in der Szene. Paderborn und Münster sind das Vorbild. Dort wurde das gesamte Bahnhofsumfeld neugestaltet. Genau das ist das, was dem Unternehmen Hagedorn – und offenbar mehrheitlich auch der Politik und Verwaltung – vorschwebt: ein großer Wurf. Eine Komplettüberplanung von Post- und Bahnhofsgelände. &bdquo;Wir haben hier eine historische Chance“, so Hagedorn-Manager Rick Mädel im April dieses Jahres. Es gebe aktuell eine Konstellation, die es möglich mache, binnen der nächsten Jahre das Entree von Gütersloh neu zu entwickeln. Die Eigentümerverhältnisse und die Gesprächsbereitschaft der Beteiligten, auch der Bahn, seien günstig. Diese Chance dürfe man nicht verpassen. Hagedorn/Borchard wollen sie gewiss auch nicht verpassen, doch seit dem überraschenden Ratsbeschluss im Juni steht das Millionen-Geschäft auf wackeligen Füßen. Die Stadt geht in Konfrontation, kauft das Postareal sofort und will die neue Stadtentwicklungsgesellschaft Concept GT in eine Projektentwicklung einbinden. Man darf davon ausgehen, dass es hinter den Kulissen gewaltig brodelt. Dass Hagedorn den Gang in die Öffentlichkeit macht und die Stadt auffordert, den Ratsbeschluss rückgängig zu machen, wirkt hilflos. Inzwischen ist von der Stadt bestätigt, dass der Kauf vollzogen ist. Der Poker ums Areal ist in die nächste Runde gegangen, nur hat der Gewinner des letzten Spiels gerade ein neues Blatt in die Hand bekommen. Ähnlich dumm hat die Stadt vor fünf Jahren geschaut, als ihr das Areal vor der Nase weggeschnappt wurde. Politik will Entscheidung nicht kippen &bdquo;Es bleibt bei unserer Haltung“, sagt CDU-Fraktionschef Heiner Kollmeyer, nichts werde rückgängig gemacht. Das habe vor allem damit zu tun, so Kollmeyer, dass Hagedorn selbst Antworten schuldig geblieben sei. Viele offene Fragen seien ungeklärt geblieben. &bdquo;Das war uns zu dünn.“ Es war richtig, dass die Stadt das Post-Grundstück gekauft hat – es hätte ohnehin irgendwann passieren müssen. Jetzt gibt’s 90 Prozent Fördergelder zurück. Worauf also warten? Auch kann sich die Firma Hagedorn kaum beschweren über den Kauf der Stadt, schließlich war diese Option von Anfang an Vertragsgegenstand. Eines aber hat sich in den fünf Jahren und vor allem in den letzten Monaten tatsächlich geändert: das Bewusstsein für Abhängigkeiten. Zu viel davon tut nicht gut. Es wäre richtig, wenn alle Beteiligten noch einmal ohne Juristen zusammenkommen, um auszuloten, was man aneinander hat. Hagedorn braucht das Wohlwollen der Stadt, und ob Gütersloh das Bahnhofsprojekt ohne das Unternehmen Hagedorn/Borchert schafft, ist tatsächlich fraglich. Bevor Verträge womöglich aus juristischem Zwang geschlossen werden, geht’s jetzt ums Vertragen. Die beiden Wörter gehören zusammen.

Meistgelesen