Gütersloher Bauern können beim Wettbieten mit Investoren nicht mithalten

Gütersloh. Der größte Bauer in den USA ist: Bill Gates. Dem Microsoft-Gründer sollen 110.000 Hektar Farmland gehören, und wie so vieles, was er anfasst, hat sich sein Invest gelohnt: Der Wert des Landes hat sich seit Erwerb fast verdoppelt. Gates profitiert von einer Erkenntnis, die für alle Gegenden unseres Planeten gilt: Boden ist nicht vermehrbar und wird deshalb teurer. Unaufhaltsam. Ob in den Vereinigten Staaten oder in Gütersloh-Hollen. Noch ist unklar, was oder wer hinter dem Fall Meier zu Hollen steckt. Gates wird es nicht sein, aber vielleicht ein anderer Großmulti? Einer, der wie der amerikanische Milliardär erkannt hat, welches Rendite-Potenzial in Böden steckt? Und deshalb dem Eigentümer ein unschlagbares Angebot gemacht hat? Der Eigentümer des Hofes äußert sich nicht Wir wissen es nicht. Der Eigentümer des Hofes äußert sich dazu nicht, auch am Freitag im direkten Gespräch nicht. Nein, das gehe die Öffentlichkeit nichts an, jedenfalls nicht zum jetzigen Zeitpunkt. Die Unternehmerfamilie Hagedorn, heißeste Kandidatin in der Gerüchteküche, hat ein Kaufinteresse dementiert, der Erdbeerbauer Aschentrup, Rang zwei der Favoritenliste, ebenfalls. Was allein feststeht, ist das Drama der Pächterfamilie Bettentrup: 65 Jahre lang haben sie den Hof bewirtschaftet, nun müssen sie gehen. Warum? Sie wissen es nicht. Die Zukunft eines Meierhofes, eines der ältesten Gütersloher Anwesen, sie ist demnach ungewiss. Im Grunde ist jedes weitere Wort deshalb spekulativ – gäbe es nicht diesen wahrlich bemerkenswerten Vorgang, dass eine Bauernfamilie mit drei Generationen vom Hof und dem von ihr beackerten Land vertrieben wird, und gäbe es nicht eine Marktentwicklung, die bedenklich stimmt: jene, die wertvolles Ackerland zu einer Kapitalanlage degenerieren lässt. Ackerland wird ständig wertvoller Es ist vielerorten zu beobachten, nicht nur in den USA: Ackerland wird ständig wertvoller. Im Kreis Gütersloh, einer Region mit wachsender Bevölkerung, schlägt sich das besonders nieder. Seit 2010 schießen die Preise für Acker und ackerfähiges Grünland steil in die Höhe. Ein Ende ist nicht abzusehen. Wer im Kreis Gütersloh einen Hektar Acker kaufen will, legt mittlerweile bis zu 100.000 Euro auf den Tisch. Zu entnehmen ist das den Marktberichten der Gutachterausschüsse. Vor zehn Jahren lag der Preis noch bei 30.000 Euro. Neue Wohnsiedlungen, Gewerbeflächen, Straßen: Der Flächenfraß verknappt ein ohnehin schon kostbares Gut. Was ist, wenn der Hoferbe fehlt? In der Kreisstadt Gütersloh, die Jahr für Jahr um 1.000 Einwohner wächst, wird inzwischen um jeden Quadratmeter gerungen. Man muss sich nur den Entwurf für den nächsten Regionalplan ansehen: Was die Stadt dort an neuen Wohn- und Gewerbeflächen angemeldet hat, lässt die Bauern erblassen. Kommunen, Firmen, Privatleute: Sie alle greifen nach Fläche und bedienen sich bei der Landwirtschaft. Nun wird selten ein Bauer gezwungen, sein Land zu verkaufen. Doch was ist, wenn der Hoferbe fehlt? Was ist, wenn die Alten zu alt werden, um noch im Melkstand auszuhelfen, was ist, wenn die Marge beim Schweinepreis derart schrumpft, dass der Bauer trotz aller Plackerei auf keinen grünen Zweig mehr kommt? Über die Runden kommen nur noch die Großen Über die Runden kommen eigentlich nur noch die Großen. Wer unter 60 Hektar hat, kann die Landwirtschaft bleiben lassen. Was passiert also? Es kommt Land auf den Markt, zur Pacht oder zum Kauf. Und wer kriegt den Zuschlag? Derjenige, der mit dem dicksten Scheckheft wedelt. Bill Gates. Die Investoren greifen nach Bauernland. In Thüringen etwa ist die Aldi-Familie Albrecht inzwischen eine große Nummer, mehrere tausend Hektar sollen ihr Eigen sein. Dem Brillenunternehmer Fielmann wird Ähnliches nachgesagt, auch der Arzneimittelunternehmer Merckle mischt wohl mit. Und die Bauern? Sie spüren die kalte Hand des Kapitalismus. Sie können nicht mithalten bei dem Wettbieten um Land, und selbst wenn: Für die Natur ist die Spirale fatal. Denn um sein Invest wieder hereinzubekommen, bliebe dem Bauern nur übrig, sein Land maximal ertragreich zu beackern – je intensiver, desto höher der Rückfluss. Dem Wunsch nach naturschonender Bewirtschaftung, nach weniger Dünger und Pestiziden, steht das krass entgegen. Nichts geht über ein schönes Stück Ackerland Der Kauf von Land gilt für Betuchte längst als smart. Wenn alle anderen Investments risikobehaftet sind und kaum was abwerfen, geht nichts über ein schönes Stück Acker, dessen Wert verlässlich steigt. Dass nun auch der Ukraine-Krieg hineinspielt, mit verknapptem Getreide und folglich explodierenden Weltmarktpreisen, kommt hinzu. Doch für viele Vermögende ist der Kauf von Boden nicht nur eine hübsche Bereicherung ihres Portfolios. Den Mohns, Gehrings und Bessmanns im Kreis Gütersloh geht es weniger um Ausweitung landwirtschaftlicher Betriebsfläche, sondern um ein schmuckes Gehöft. &bdquo;Landgüter sind die Yachten von heute“, wie ein Gütersloher Bauer am Donnerstag sagte. In den vergangenen Jahren habe sich sein Eindruck verfestigt, es sei in manchen Kreisen schick, über eine schmucke Hofstelle zu verfügen. Was früher die Villa war, ist heute das Landgut. Beispiel: Der Hof Schlichte gehört nun dem Inhaber der Plastimat GmbH, Hersteller von Straßenleitpfosten. Es wirkt wie ein Rückschritt Schon ist die Rede vom neuen Landadel. So wie einst die Bauern ihren Zehnten an die Gutsherren oder ans Kloster Marienfeld abführen mussten, so werden immer mehr Höfe in Pacht oder Lohnverhältnissen betrieben. Es wirkt wie ein Rückschritt.

Meistgelesen