Von Haustür zu Haustür in Gütersloh mit dem Bundestagskandidaten

Gütersloh. Das Wichtigste: Nach dem Klingeln erst mal drei Schritte zurück. Ein Fremder an der Haustür, das soll schließlich niemanden erschrecken, sondern bestenfalls neugierig machen. Die Grünen sind unterwegs und machen Haustürwahlkampf in Gütersloh. &bdquo;Guten Tag, ich bin Sebastian Stölting, Ihr Bundestagskandidat von den Grünen", dass der 30-Jährige seinen Einsatz in der Innenstadt in dieser Woche ausgerechnet in der Grünen Straße beginnt und damit als allererstes das Wohnhaus des ehemaligen Bürgermeisters Henning Schulz (CDU) erwischt, ist reiner Zufall. Stölting weiß es nicht besser und eigentlich ist es auch völlig egal, weil man vorher ohnehin nicht weiß, was an der Tür passiert. Ehefrau Imme Schulz jedenfalls nimmt Stölting das Papier &bdquo;Wahlprogramm kurz & knapp" ab und verschwindet mit einem Dankeschön hinter der Haustür. Stölting eilt schon zum nächsten Haus. Robert Habeck beim Haustürwahlkampf durch Potsdam begleitet &bdquo;Wir verteilen keine Kugelschreiber oder so einen Quatsch", erklärt Stölting und öffnet seine Leinentasche zum Hineingucken. Ein paar Flyer und Postkarten und einige wenige grüne Tischtennisbälle – für den sinnbildlichen Schlagabtausch mit ihm. Ansonsten soll es ein weitestgehend plastikfreier Wahlkampf sein. &bdquo;Wir haben auch weniger Plakate aufgehängt als alle anderen." Warum? &bdquo;Weil unsere mit dem dreifach recycleten Papier die teuersten von allen sind und weil Plakate nachweislich nichts bringen außer der Botschaft, dass Wahl ist." Weil man bis heute nicht weiß, wie es wäre, wenn kein Plakat hängt, sei dies ein guter Kompromiss. Stölting glaubt an den Haustürwahlkampf. Bei der letzten Landtagswahl in Brandenburg hat er den Bundesvorsitzenden Robert Habeck durch Potsdam begleitet. Die positiven Erfahrungen an den Türen haben ihn nachhaltig beeindruckt. &bdquo;Der wurde natürlich auch oft rein gebeten in die Häuser", sagt Stölting mit einem Schmunzeln, &bdquo;aber auch der hat abgelehnt." Haustürwahlkampf läuft nicht ohne Regeln. &bdquo;Draußen bleiben" ist eine davon. Haustürwahlkampf läuft nicht ohne Regeln Ding Dong. &bdquo;Guten Tag ich bin Sebastian Stölting." Unzählige Male geht das so. Die einen öffnen die Tür nur einen Schlitz breit und nehmen das Infomaterial wortlos entgegen, andere lassen den Gast gar nicht erst zu Wort kommen. Die Tür fliegt zu. &bdquo;Das macht nichts", meint der Bundestagskandidat, &bdquo;es geht darum, Gesicht zu zeigen." Die Werbung soll nicht im Briefkasten landen, sondern direkt in den Händen der Bürger. Und wer nicht daheim ist, der findet seinen Werbeflyer auch in den Mehrfamilienhäusern direkt im Türschlitz steckend. Es ist das Symbol: Sie waren da, die Grünen. &bdquo;Viele Leute sind überrascht, wie viel Aufwand wir uns machen. Aber ich mag die Form der Begegnung lieber als an einem Infostand in der Innenstadt zu stehen und darauf zu warten, dass jemand kommt", so Stölting. Sprüche wie &bdquo;Alles, nur nicht die Grünen", höre er an der Wohnungstür natürlich. Aber da sind eben auch die anderen Begegnungen. Die, die ihn weitermachen lassen. Wie die der jungen Mutter in der Grünen Straße, die keine Angst davor hat, die Haustür weit zu öffnen. &bdquo;Meine Stimme habt ihr, also macht mal kräftig Werbung bei den anderen", sagt sie mit einem Lachen. "Ihr seid die einzige Partei, die sich diese Mühe macht." Zwei Häuser weiter wohnt Familie Kaden. Juris Kaden kommt gerade von der Arbeit nach Hause und sieht den Bundestagskandidaten Stölting auf seiner Hofeinfahrt stehen. Er lacht. &bdquo;Beim letzten Wahlkampf war Katrin Göring-Eckardt hier. Ihr seid wirklich die einzige Partei, die sich diese Mühe macht. Ich finde das klasse, auch wenn ich jetzt keine konkreten Fragen habe, die ich immer schon mal stellen wollte." SPD und CDU würden ihre Werbung nur in den Briefkasten werfen. &bdquo;Oder wir waren bislang nie zuhause. Das kann natürlich auch sein." Mit Blick auf die Bundestagswahl am 26. September sagt Kaden: &bdquo;Ich habe mich schon festgelegt." Er sei inzwischen zum Wechselwähler geworden. Immer nur eine Partei wählen, das mache er nicht mehr. &bdquo;Ich versuche mich mit den Parteiprogrammen so gut es geht auseinanderzusetzen." Lesen Sie auch: Parteiloser Landwirt aus dem Kreis Gütersloh will in den Bundestag Eine halbe Million Türen wollen die Grünen bundesweit abklappern, um die Wählerinnen und Wähler zu erreichen. &bdquo;In Gütersloh haben wir uns keine Zahl als Ziel gesteckt. Wir machen so viel wie wir schaffen", sagt Ines Böhm. Sie managed den Wahlkampf der Grünen im Kreis Gütersloh. Ihren eigenen Wahlkreis in Kattenstroth hat sie weitestgehend bestückt. &bdquo;Der ist grün", sagt sie zufrieden. Haustürwahlkampf ist Teamsport. Auch das gehört zu den Regeln: Man geht nicht alleine, man bleibt in Sichtkontakt. &bdquo;Keine Werbung" steht auf dem Briefkasten an dem Mehrfamilienhaus am Nordring. Parteiwerbung dürfte trotz Verbot eingeworfen werden. &bdquo;Ich mache das aber nicht", erklärt Böhm und drückt auf die Klingelknöpfe. Eine Frau lugt zur Tür hinaus, wimmelt ab und sagt beim Blick auf die Flyer in Böhms Hand: &bdquo;Was mich wirklich stört ist, dass ihr so viel Papier dafür verschwendet." Wie soll es denn sonst gehen, will die Wahlkampfmanagerin wissen. &bdquo;Natürlich digital", bekommt sie zu hören. Als Geschäftsführerin der Grünen und erfahrene Politikern kennt sie das. &bdquo;Wir Grünen dürfen nicht mit dem Auto fahren, keinen Strohhalm benutzen und kein Papier verteilen, sonst wird es uns sofort um die Ohren gehauen." Dieses Verhalten nervt die Lokalpolitikerin, denn es gehe den Grünen schließlich nicht darum, Extrempositionen zu verbreiten, sondern auf die Missstände aufmerksam zu machen. Und nach welchen Kriterien die Bürger ihre Wahlentscheidung träfen, irritiere sie bisweilen schon sehr. &bdquo;Wir kennen heute die Regime in aller Herren Länder. Aber die Politik in der eigenen Stadt ist uns fremd. Welcher Bürger hat denn schon mal eine Ausschusssitzung in Gütersloh besucht?" Und auch das erfährt Böhm beim Haustürwahlkampf immer wieder: &bdquo;Die Leute tun sich schwer damit, die einzelnen Wahlen auf Bundesebene, im Land oder der Kommune zu unterscheiden." "Eigentlich bin ich ja grün, aber die SPD gefällt mir gerade auch sehr gut." Weiter geht es in der Bismarckstraße. &bdquo;Guten Tag, ich bin Sebastian Stölting." Er steht Charlotte Oeser gegenüber, die den Bundestagskandidaten gleich mal etwas genauer unter die Lupe nimmt und wissen möchte, welche Ausbildung er hat. Stölting erklärt, dass er Politik- und Kommunikationswissenschaften studiert hat, inzwischen als Strategieberater arbeitet und in Eckardtsheim mit drei Geschwistern aufgewachsen ist. &bdquo;Eigentlich bin ich ja grün", erklärt die Renterin ihm, &bdquo;aber die SPD gefällt mir gerade auch sehr gut." Nein, sie habe sich noch nicht endgültig entschieden, wem sie ihre Stimme gebe. &bdquo;Ich diskutiere das mit meinem Mann noch ausführlich. Wir sind uns bislang nur einig, wen wir auf keinen Fall wählen." Weil der Direktkandidat vor Oesers Tür bei ihr augenscheinlich noch im Rennen ist, nimmt Stölting sich Zeit zum Argumentieren. &bdquo;Möchten Sie ein Wasser trinken? Sie dürfen auch reinkommen", lautet das Angebot schließlich. Stölting lehnt ab. Mehr zum Thema: Diese Kandidaten stehen neben Ralph Brinkhaus auf dem Stimmzettel Was er sich für die Bundestagswahl am 26. September wünscht? &bdquo;Eine Wiederholung des Kommunalwahlergebnisses im vergangenen Jahr", als auf die Grünen im Kreis Gütersloh 27 Prozentpunkte entfielen. 20 Prozent würden reichen, um den Direktkandidaten Stölting in den Bundestag zu bringen. Das Ergebnis wäre historisch. Einen grünen Bundestagsabgeordneten aus dem Wahlkreis Gütersloh I gab es noch nicht.

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