Gütersloh/Ahlen. Das Ahlener Wersestadion war schon Augenzeuge vieler denkwürdiger Partien zwischen LR/RW Ahlen und dem FC Gütersloh. Jetzt wehte ein Hauch der längst vergangener glorreichen Fußballzeiten beider Vereine durch das doch in die Jahre gekommene Oval. Gleichzeitig schlug gut 35 Kilometer von der Dalke entfernt auch die Geburtsstunde der FC Gütersloh Traditionsmannschaft.
Die beiden Vereinslegenden Rob Reekers/Dirk Van der Ven versuchen momentan einen Kreis von 40 bis 50 ehemaligen FCG-Größen zu rekrutieren, die „vier, fünf Mal im Jahr für den guten Zweck oder zu besonderen Anlässen spielen", so Rob Reekers. Im Vordergrund stehen dabei nicht die Jagd auf Titel, Tore und Trophäen, sondern der Spaß am Fußball mitsamt des von vielen gemeinsamen Gesprächen und vielleicht auch der einen oder anderen Gerstensaft-Kaltschorle begleitete Wiedersehen mit ehemaligen Mitstreitern.
Auf Einladung der 2014 gegründeten Ahlener Traditionself um deren auch in Gütersloh bestens bekannten Manager Joachim Krug gastierten die Vanni-Boys zum Auftakt der in unregelmäßigen Abständen geplanten Wiedersehens-Tour am Freitag an der Werse. Nach unterhaltsamen geprägten Duell behielt der FCG am Ende mit 3:2 die Oberhand. Das Resultat war jedoch nur ein marginaler Randaspekt des fußballerischen Klassentreffens.
Viel mehr als über den aktuellen Spielstand wurde von den gut 150 Besuchern, aber auch auf dem Platz, über die Vita nebst den sportlichen Meriten der Alt-Internationalen gesprochen. Urlaubsbedingt musste das Trainer-Duo Rob/Reekers auf fest eingeplante Größen wie Dirk Flock, Heiko Bonan, Willi Landgraf, den aktuellen FCG-Coach Julian Hesse oder David Schwesig verzichten.
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Ansgar Brinkmann schickte Grüße vom Kreuzfahrtschiff
Auch der bekannteste "weiße Brasilianer" der Welt - Ansgar Brinkmann - schickte schöne Grüße vom einem Kreuzfahrtschiff. Um dennoch 13 einsatzfähige Spieler zusammen zu bekommen, bekamen die Ü 50/Ü 40-Akteure Frank Scharpenberg, Thijs Waterink, Stefan Braunschweig, Helge Bittner oder der aktuelle Co-Trainer Alex Schiller Verstärkung von den „Jungspunden" Vadim Thomas (32) und Alen Lizalovic (35) vom Bezirksligisten SV Avenwedde.
Rob Reekers: „Durch den Urlaub wars heute personell etwas eng. Wir wollten wenigsten ein oder zwei Wechselspieler auf der Bank haben." Der ehemalige Torwart-Trainer Hendrik Müller (32) spielte deshalb im Feld - und erzielte sogar ein wunderschönes Kopfballtor. Einem anderen Treffer der Gütersloher Nr. 3 wurde nach Zentimeter genauer Bittner-Flanke wegen Abseits die Anerkennung versagt.
Große Überraschung hinterm Triko mit der Nr. 6
Eine große Überraschung verbarg sich im blauen Mense-Trikot mit der Nr. 6 auf dem Rücken. Der sowohl auf dem Spielberichtsbogen als auch vom Stadionsprecher angekündigten „Rino Capritta" war niemand anders als der aktuelle 3.Liga-Coach des SC Verl Rino Capretti (39). Der frisch gebackene Fußball-Lehrer hatte in der Jugend sowie auch später als Senior in der Serie 2005/2006 die Schuhe für den FCG geschnürt.
Die damals herrschende Rivalität zwischen dem FCG und dem SCV spielte bei seinem Einsatz für die Traditionself keinerlei Rolle mehr. Dirk Van der Ven: „Die Verler sind mittlerweile Lichtjahre vom FC Gütersloh entfernt. Vor dem, was da geleistet wird, kann man nur sämtliche Hüte ziehen."
Ehrgeiz ist immer noch da
Den Hut zogen die Augenzeugen auch vor den immer noch vorhandenen technischen Fähigkeiten, Raumaufteilung, Übersicht, Spielverständnis und größtenteils auch vor der Fitness der Protagonisten. Wer angesichts Begriffes Traditionself einen entspannten Kick zweier Bauch-Truppen erwartet hatte, lag völlig falsch.
Altersbedingt waren die prägenden Heroen unzähliger Zweit-, Dritt- und Viertligapartie zwar nicht mehr so drahtig und in der körperlichen Topform ihrer aktiven Zeiten, von Rundungen war dennoch kaum etwas zu erkennen. Auch der Ehrgeiz ist in den Jahren seit Beendigung der Karrieren kaum geringer geworden.
Schnappi, dass Du...
Beim Aufwärmen für seinen Einsatz in der zweiten Hälfte räumte Thijs Waterink (52) ein: „Mit 50 wollen die Knochen nicht mehr so wie früher. Aber heute ist das egal. Natürlich gehts um Spaß. Aber wenn man auf dem Platz steht, will man auch gewinnen. Das steckt einfach drin. Das kann man auch nicht abschalten."
Die Art und Weise wie der gertenschlanke Frank Scharpenberg beispielsweise bei einem Konter von seiner Position als Libero in der Schlussminute noch über den gesamten Platz nach vorne spurtetet, nötigte Dirk Van der Ven nach dem Abpfiff tiefen Respekt ab: „Schappi, das waren 50 Meter hin und 50 zurück. Dass Du dafür noch die Kraft hattest .." .
"Ich komme erst rein, wenn wir 5:1 führen"
Als früherer Fanliebling, Goalgetter und Anführer unzähliger Raupen beschränkte sich Vanni gemeinsam mit dem kniekranken früheren Abwehrchef Rob Reekers auf das Coachen. „Ich komme erst rein, wenn wir 5:1 führen - dann kann nichts mehr passieren", witzelte der 51-jährige. Diesen Ausspruch konterte Mitspieler Michael Tischbierek mit einem süffisanten: „Er hat in dieser Woche einfach schlecht trainiert."
Nichts verändert hatte die Zeit am Selbstverständnis und der persönliche geprägten Sichtweise der Altinternationalen. Auch die Sprüche waren noch die selben wie vor 20 Jahren. Scheinbar in den Genen verankert ist bei den Vereinslegenden die Kritik am Schiedsrichter. Obwohl der Referee keinen Spieler ermahnen, keine Gelbe Karte zücken, noch nicht mal eine strittige Situation lösen musste, konnte sich Rob Reekers zwischendurch ein launiges „Ey Schiri. Das war doch nur eine leichte Berührung. Die können doch nicht machen was sie wollen" nicht ersparen.
Spaß am Fußball hört wohl nie auf
Als ein weiter Ball von Stefan Braunschweig im Niemandsland mitten in der gegnerischen Hälfte landete, kam Vanni wieder die Vergangenheit in den Sinn : „Das ist wie früher jeden Sonntag. Es sich nichts geändert." Einig waren sich die Vanni-Boys in der abschließenden Beurteilung. Alex Schiller : „Das hat Bock gemacht."
Helge Bittner pumpte zwar nach 70 Minuten wie ein Maikäfer, räumte allerdings ein: „Ich hab vorher noch ne Stunde Tennis gespielt, war vielleicht ein bisschen viel. Für Ahlen hats trotzdem gereicht". Auch Fußball-Lehrer Rino Capretti war mit dem Auftritt insgesamt zufrieden: „Fürs erste Mal wars in Ordnung, es ist aber noch Luft nach oben." Klingt so, als wollten sich die Traditionskicker des FC Gütersloh noch lange nicht aufs Altenteil zurück ziehen. Denn auch wenn die Haare vielleicht etwas grauer geworden sind, das Jucken in den Füß
en sobald ein Ball in Sicht kommt, hört bei ihnen vermutlich nie auf.