Impf-Vordrängler im Kreis Gütersloh: Die Stimmung kippt, alle drehen durch

Kreis Gütersloh. Wer sich impfen lässt, obwohl er nach der Impfverordnung noch nicht an der Reihe ist, soll mit einem Bußgeld von bis zu 25.000 Euro bestraft werden können. Das Vergehen soll eine Ordnungswidrigkeit werden, da ist sich die Bundesregierung einig – damals zumindest, am 24. Februar 2021. Bundesweit hatte es unzählige Fälle von Impfvordränglern gegeben. In Gütersloh wurden gar Spitzenpositionen neu besetzt, als das Vordrängeln bekannt wurde. Die derzeit gültige Fassung der Impfverordnung sieht Ausnahmen von der Impfreihenfolge nur dann vor, wenn angebrochene Impfdosen andernfalls weggeworfen werden müssen. Wen wundert es also, dass wir keine Impfvordrängler mehr haben, sondern jede Menge Reste-Verwerter. Damit kein Impfstoff verloren geht, müssen mit einem Anruf vielleicht mal 50 oder auch mehr Menschen auf einen Schlag mobilisiert werden, erklärt die Kreisverwaltung. Die hat ihren 13 Kommunen &bdquo;temporäre Angebote" gemacht. Und so sind in den letzten Wochen reichlich Mitarbeiter der Kreis- und Stadtverwaltungen reihum geimpft worden. Viele Mitarbeiter aus kontaktreichen Bereichen wie Feuerwehr und Rettungsdienst waren dabei, aber auch fragwürdige Abteilungen wie Wasserversorgung, Müllabfuhr und sogar Wahlhelfer. Der Grund? Ein Termin-Chaos. Ausgelöst durch Senioren, die Termine gebucht, aber nicht abgesagt haben, weil sie doch lieber zum Hausarzt gehen. Ausgelöst durch eine Wahlfreiheit der Impfstoffe bei den älteren Generationen. Welches Vakzin hätten Sie denn gerne? Eine Luxusfrage, die für Menschen Ü60 nie hätte erlaubt werden dürfen. Dazu ein schier undurchdringlicher Vorgabenkatalog der Prioritätengruppen. Wer ist wann dran? Gehört der Bauer mit Hofladen nun dazu oder nicht? Aus Angst, etwas zu verpassen, aus Freude, endlich an der Reihe zu sein, melden sich alle erst mal an. Die Folge: ein auf Wochen restlos ausgebuchtes Impfzentrum. Der Impftourismus quer durch Westfalen-Lippe blüht. Der ganze Impfprozess läuft aus dem Ruder und hat sich komplett verselbstständigt. Warum hast Du schon Deine erste Impfung bekommen? &bdquo;Ein Freund von mir arbeitet im Impfzentrum", &bdquo;Der Vater meiner Freundin ist Kinderarzt", lauten Antworten von Kollegen, die mir in den vergangenen Tagen berichtet haben, warum sie schon eine erste Corona-Impfung ergattert haben. Sie alle haben Restdosen erhalten – natürlich – die andernfalls hätten weggeschmissen werden müssen. Wer artig wartet, bis er dran ist, ist der Dumme? So jedenfalls scheint es. Lesen Sie auch: Prognose für den Kreis Gütersloh - wann alle vollständig geimpft sind &bdquo;Ruf beim Gynäkologen an. Oder beim Orthopäden, oder beim HNO-Arzt. Irgendeiner wird dich schon auf die Liste setzen", lauten die Ratschläge. Wenn ich höre, welche Alters- und Berufsgruppen gerade an mir vorbeiziehen, weil sie sich augenscheinlich cleverer anstellen als ich, dann bin ich einmal mehr wütend auf dieses organisierte Durcheinander. Und ich bin wohl nicht die einzige. Ärztlicher Leiter des Impfzentrums: "Ich überlege, den Job hinzuschmeißen" &bdquo;Ganz ehrlich: ich überlege, den Job hinzuschmeißen", sagt Michael Hanraths, Ärztlicher Leiter des Impfzentrums. Das Klima vor Ort sei schwierig, die Stimmung kippt und es werde auf absehbare Zeit zu wenig Impfstoff geliefert. Seitdem die Ferienzeit näher rücke und Lockerungen für Geimpfte verspreche, würden alle durchdrehen. Es würde auch ständig versucht, die Intervalle zwischen den Terminen zu verkürzen, um schneller als vollständig geimpft zu gelten. Lesen Sie auch: Gütersloher Impfzentrum - das Problem mit der Prioritätsliste Derweil hat sich die Kreisverwaltung beim Land NRW um zusätzlichen Impfstoff für Menschen bemüht, die beengt zusammenleben. Gemeint sind die osteuropäischen &bdquo;Fleischarbeiter". Auch 1.300 Impfdosen für Menschen in Flüchtlingsunterkünften und Obdachlosenheimen hat der Kreis beantragt. &bdquo;Aber die Antwort war jeweils negativ." Und so sperren wir wohl bei einem möglichen weiteren Infektionsausbruch wieder Menschen hinter Bauzäunen ein, anstatt sie jetzt flott zu impfen. Mit Vernunft hat das alles wenig zu tun. !function(){"use strict";window.addEventListener("message",(function(a){if(void 0!==a.data["datawrapper-height"])for(var e in a.data["datawrapper-height"]){var t=document.getElementById("datawrapper-chart-"+e)||document.querySelector("iframe[src*='"+e+"']");t&&(t.style.height=a.data["datawrapper-height"][e]+"px")}}))}(); Ende Juli sinkt die 7-Tage-Inzidenz für den Kreis Gütersloh der aktuellen Prognose nach sogar unter den Wert fünf. Vielleicht hält Michael Hanraths mit dieser Perspektive im Impfzentrum weiter durch. Vielleicht hat er aber schon das Handtuch geworfen, weil er vom CDU-Bundesfraktionschef Ralph Brinkhaus in dieser Woche den Satz vernommen hat: &bdquo;Das wird nicht die letzte Pandemie gewesen sein, die wir erleben."

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