Wird Gütersloherin wegen fehlendem deutschen Pass Corona-Impfung verwehrt?

Gütersloh. Darf jemand, der schon lange in Deutschland wohnt, dort aber nicht geboren ist, vom Hausarzt für eine Corona-Schutzimpfung abgelehnt werden, mit der Begründung, dass er keinen deutschen Pass besitzt? Diese Frage steht im Mittelpunkt eines Falles möglicher rassistischer Diskriminierung, der sich vor wenigen Tagen in einer Arztpraxis im Kreis Gütersloh ereignet haben soll. Namen, Nationalitäten und Daten der handelnden Personen liegen der NW vor, sind jedoch aus Rücksichtnahme auf die Persönlichkeitsrechte geändert worden. Tatjana V. (65), eine aus Rumänien stammende Rentnerin, ist Ende der 50er Jahre mit ihrer Familie nach Deutschland umgesiedelt und lebt seit mehr als 15 Jahren in einem Stadtteil von Gütersloh. Dort wohnt sie mit ihrem zwei Jahre älteren Ehemann Per V., einem gebürtig aus Aarhus stammenden Dänen, den sie in den 70er Jahren geheiratet hat. Sie besitzt seitdem einen dänischen Pass. Beide leben unter einem Dach und teilen das Schicksal einer schweren Krankheit. Aufgrund ihrer Vorerkrankung hatte Tatjana V. angenommen, sie gehöre zum Kreis der Personen, die in der Prioritätengruppe aktuell befugt sind, eine Corona-Schutzimpfung zu erhalten. Ihr Mann sollte beim Hausarzt einen Termin abmachen, schildert sie. Ehemann hört: Man impfe nur Deutsche Dann die böse Überraschung: Nun hätte das Personal den Ehemann in der Praxis darauf hinweisen können, dass seine Frau – wie sie selbst zumindest zu diesem Zeitpunkt vermutete – erst zur Impfpriorisierungsgruppe 3 zähle und damit einfach noch nicht an der Reihe sei. Damit wäre Tatjana V. ja noch einverstanden gewesen. Was ihr Gatte nach eigener Aussage aber stattdessen zu hören bekam, sei für beide einfach nur schockierend gewesen. &bdquo;Ihm wurde gesagt, ich solle mich in den nächsten Flieger nach Dänemark setzen, wenn ich geimpft werden wolle. Man impfe nur Deutsche! Das ist so eine Diskriminierung. Ich verstehe die Welt nicht mehr", sagt Tatjana V. Gesagt haben soll diese Worte eine Mitarbeiterin der Gütersloher Praxis, die von mehreren Ärzten geleitet wird. Einer der Mediziner reagiert, von der NW mit der Sachlage konfrontiert, deutlich auf die im Raum stehenden Vorwürfe: &bdquo;Da ist natürlich Quatsch. Ich bin selbst nicht in Deutschland geboren. Wenn uns jemand Ausländerfeindlichkeit andichten will, werden wir dagegen vorgehen." Er verweist auf die Impfverordnung, &bdquo;die genau festlegt, wer zu den Impfberechtigten gehört". Daran halte man sich strikt. Die Nationalität spiele dabei aber keine Rolle. Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthaltsort ist maßgeblich So besagt es auch die Coronavirus-Impfverordnung des Bundesgesundheitsministeriums, die Andreas Daniel (61), Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL), im vorliegenden Fall zu Hilfe bemüht. Dort ist in Paragraph I, Absatz zwei, klar geregelt, dass Personen einen Anspruch auf die Impfung haben, &bdquo;die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort in der Bundesrepublik Deutschland haben". Das ist bei Tajana V. der Fall, somit steht ihr trotz dänischen Passes eine Impfung in Deutschland zu. Bei der KVWL hätte es auch schon den umgekehrten Fall gegeben. Andreas Daniel formuliert zugespitzt: &bdquo;Wenn ich als Rentner in Südfrankreich lebe und mich daran erinnere, dass ich früher mal in Wuppertal in den Kindergarten gegangen bin, würde die Stadt Wuppertal mir berechtigterweise die Impfung dort verwehren." Bei der Arztpraxis im Kreis Gütersloh hat man am vergangenen Mittwoch mit dem Impfen begonnen. &bdquo;Bereits am Dienstag konnten wir uns vor Anrufen nicht retten." Dass seine Praxis sich derartigen Vorwürfen wie von Tatjana V. ausgesetzt sieht, dafür hat der leitende Arzt eine aus seiner Sicht einfache Erklärung. Betroffene will der Praxis den Rücken kehren, sobald sie einen neuen Hausarzt gefunden hat &bdquo;Ich denke, das ist ein klassisches Missverständnis, bedingt durch den Unmut, dass die Dame vielleicht einfach noch nicht an der Reihe ist", sagt der Arzt. Ständig werde man in letzter Zeit unter Druck gesetzt, &bdquo;von Leuten, die meinen, sie wären schon dran oder die sich einen Impftermin erschleichen wollen". Man würde regelrecht bedrängt. Für Tatjana V. hat der Fall ein positives Ende gefunden. Sie hat sich nach eigener Aussage erfolgreich am Kreisimpfzentrum an der Marienfelder Straße um einen Termin bemüht und ist bereits geimpft. Von &bdquo;den Praktiken" in ihrer bisherigen Praxis ist sie nach wie vor enttäuscht. Sie habe vor, ihr den Rücken zu kehren, sobald sie einen neuen Hausarzt gefunden hätte.

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