Wegen vieler Unfälle: Radfahrer fordern weniger Autos in der Stadt

Gütersloh. Mehr Fahrradwege für Gütersloh? Da nickt jeder passionierte Radler doch sofort mit dem Kopf. Umso überraschender, dass zwei Kämpfer für sicheren und mehr Radverkehr in der Stadt genau das Gegenteil fordern. &bdquo;Der Radverkehr gehört auf die Straße", sagen Kurt Gramlich und Heinz Felderhoff von der AG Verkehrswende Gütersloh. Für ihre Argumentation haben sich die beiden Verkehrsexperten die Unfalldaten genau angeschaut. Die jetzt für NRW aktualisierte Internetseite unfallatlas.statistikportal.de bietet Interessierten neuerdings Daten, wann und wo welche Unfälle sich innerhalb eines Jahres ereignet haben. Doch was nutzen Zahlen, Daten, Fakten, wenn man sie nicht zu interpretieren vermag? Das haben sich auch Gramlich und Felderhoff gedacht, als sie in der NW vom 5. August den Artikel zum Unfallatlas lasen. 80 Prozent der Unfälle passieren auf Radwegen Die AG Verkehrswende Gütersloh arbeitet nämlich bereits seit 2015 die Unfallstatistik mit Daten der Polizei selbst auf. &bdquo;Wir schauen dabei aber nicht nur auf die Zahlen, sondern analysieren die strukturellen Ursachen, warum es zu Unfällen gekommen ist", erklärt Heinz Felderhoff. Mit überraschenden Ergebnissen. Zunächst zu den Zahlen: 2019 gab es 2.732 gemeldete Verkehrsunfälle auf dem Gebiet der Stadt Gütersloh. Bei 276 Unfällen waren Radfahrende betroffen(ca.10 Prozent). Schaut man sich die 22 von der Polizei benannten Unfallschwerpunkte an, sind Radfahrende an 21 Unfallschwerpunkten beteiligt. Bei den 117 Unfällen, die sich dort ereignet haben, sind 106 Radler verletzt worden. An den Darstellungen der AG Verkehrswende, die online jedem Interessieren zugänglich sind, wird ersichtlich: Fast ausschließlich liegt die Ursache für den Unfall bei einem Kraftfahrer, nicht beim Fehlverhalten des Radfahrers. &bdquo;An diesen Zahlen ist zu erkennen, dass die Infrastruktur für Radfahrende nicht sicher ist", sagt Gramlich. Schon 2015 hätten Analysen der AG Verkehrswende gezeigt, dass 80 Prozent der Unfälle in der Innenstadt sich nicht auf der Straße, sondern auf dem Radweg ereigneten. &bdquo;Die Radwege täuschen eine Sicherheit vor, die nicht existiert", so Gramlich. Mit Poolnudeln wird bei Aktionen auf den Abstand hingewiesen Besonders beim Rechtsabbiegen würden Autofahrer die Radfahrer auf ihrem &bdquo;Sonderweg" nicht wahrnehmen. Grundsätzlich gälte: &bdquo;Fahrräder sind auf der Straße zugelassen, Ausnahmen müssen begründet sein", so Gramlich. Deshalb gehöre der Radverkehr innerstädtisch auf die Straße. Begrenzungsstreifen halten die beiden Experten als wenig praktikabel. &bdquo;Die führen dazu, dass jeder Verkehrsteilnehmer sie als sein Revier interpretiert, das zu verteidigen ist", so Felderhoff. Wichtiger sei, dass Autofahrer beim Überholen einen Mindestabstand von 1,5 Meter einhalten, der mit der neuen Straßenverkehrsordnung auf 2 Meter außerorts erweitert wurde. &bdquo;Mit einer Poolnudel, die auf dem Gepäckträger befestigt wird, machen wir bei Aktionen diesen Abstand sichtbar", erläutert Gramlich. Mittlerweile seien viele Autofahrer für dieses Thema sensibilisiert. Der wohl radikalste Vorschlag zur Unfallvermeidung ist, das Auto weitgehend aus der Innenstadt zu verbannen. Erreicht werden soll das unter anderem dadurch, dass der fließende Verkehr um die Innenstadt herum geführt wird. Auch das ebenerdige Parken sei, angesichts des tatsächlichen Werts der dafür zu Verfügung gestellten Flächen, zu günstig und solle nicht weiter von der Allgemeinheit subventioniert werden. Zumal parkende Autos auch eine große Gefahrenquelle darstellten. Ein Klassiker: Die sich plötzlich auf den Radweg öffnende Autotür, in die der Biker hineinradelt. Aber auch zugeparkte Bürgersteige und Radwege seien ein Ärgernis, zumal die Autos auch eine Sichtbehinderung darstellten. Die AG Verkehrswende fordert nachts Tempo 30 auf der B61 Zudem ein Problem: &bdquo;Die meisten verkehrsplanerischen Entscheidungen werden durch die Brille des Autofahrers vorgenommen", so Kurt Gramlich. Deshalb fordert die AG Verkehrswende, in die Verkehrskommission des Kreises auch Vertreter des ADFC und des VCD einzuladen, um von deren Sachverstand zu profitieren. Ein weiterer Vorschlag: Das Tempo rausnehmen. Heinz Felderhoff erinnert sich noch an seine Zeit als Verkehrspolizist, als auf dem Ring bei Tempo 90 eine &bdquo;Grüne Welle" garantiert wurde. An einigen Stellen vor Ampeln habe man sich aber immer über tiefe Fahrspuren gewundert. Bis ihm ein Lkw-Fahrer erklärte, dass das hohe Tempo für Lastwagen ein Problem gewesen sei, weil man oft doch nicht die Richtgeschwindigkeit habe halten können. &bdquo;Dann gingen die vor der umschaltenden Ampel voll in die Bremsen." Zu sehen als tiefer Abdruck im Asphalt. Lange habe er für ein Tempo 70 kämpfen müssen. Längst fordert die AG Verkehrswende Tempo 50 auf der B61. Tagsüber. Nachts soll dann auf Tempo 30 runtergedimmt werden, was auch den Lärm deutlich reduzieren würde. Die Geräuschemission sei für viele Kommunen auch der Hebel, um Temporeduzierungen durchzusetzen. Die Gesetzeslage gebe das her. Doch noch wolle die Straßenverkehrsbehörde da nicht mitziehen. Klar ist: Die AG Verkehrswende will in dieser Sache nicht locker lassen.

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