Dubios: Nüchterner Autofahrer aus dem Kreis Gütersloh pustet - 1,26 Promille

Gütersloh. Man stelle sich vor: Ein junger Mann, wir nennen ihn Christoph Heinzmann, da er seinen echten Namen nicht bei nw.de lesen will, tankt seinen Wagen und wird von zwei Polizisten zum Atemalkoholtest aufgefordert. Obwohl Heinzmann keinen Alkohol zu sich genommen hat, heißt es plötzlich: 1,26 Promille. Nach zwei Wochen ohne Fahrerlaubnis bringt eine Blutprobe, seinerzeit keine Stunde nach dem ersten Test genommen, mit 0,0 für den jungen Mann zwar Gewissheit, wirft aber eigentlich nur noch mehr Fragen auf. Das ist die Kurzfassung einer bemerkenswerten Geschichte, die sich so Mitte März im Kreis Gütersloh zugetragen hat. Was ist da passiert? Heinzmann ist am Dienstag, 17. März, gegen 17 Uhr auf dem Weg von der Arbeit nach Hause, als er an einer Tankstelle an der B61 in Gütersloh hält. Noch während er tankt, parkt hinter ihm ein Polizeiwagen, aus dem zwei Beamte der Bielefelder Polizei steigen. So schildert es Heinzmanns Mutter, die das Geschehen für nw.de rekonstruiert. Demnach sind die Beamten auf der Suche nach einem jungen Fahrer mit Kennzeichen aus dem Kreis Gütersloh, der in Bielefeld Schlangenlinien gefahren sein soll. Automodell und Farbe passen anscheinend zu jenem von Heinzmann – er wird offenbar verdächtigt. Die Beamten müssen das Ergebnis des Tests nicht zeigen Nachdem die Beamten ihn dazu aufgefordert haben, sie anzuhauchen, kommen sie zu dem Schluss: Der Atem riecht nach Alkohol. Heinzmann soll einen freiwilligen Atemalkoholtest machen. Er weigert sich erst, tut es dann aber doch. "Schließlich ist er sich ja keiner Schuld bewusst gewesen", sagt die Mutter. Beide Beamte schauen sich das Ergebnis an, teilen es Heinzmann allerdings nicht mit. Wie Knut Packmohr von der Pressestelle der Bielefelder Polizei erklärt, gibt es dazu für die Beamten im Dienst auch keine Pflicht. Das hat speziell bei niedrigen Werten System, die nicht für die Verfolgung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit relevant sind. "Dadurch möchte man verhindern, dass Kraftfahrzeugführer Orientierung erlangen, wie man sich künftig an noch nicht relevante Alkoholwerte herantrinken kann", sagt Packmohr. Im Strafverfahren sei für die Beweisführung ohnehin das Ergebnis der Blutprobe maßgeblich. Heinzmann jedenfalls darf noch die Tankfüllung bezahlen, muss seinen Wagen aber abstellen und mit den Beamten zur Blutentnahme nach Bielefeld kommen, sein Führerschein wird einbehalten. Erst tags darauf erfährt er auf Nachfrage bei der Bielefelder Polizei, dass er mit seinem Messwert einen Straftatbestand erfüllt. Die Grenze liegt dafür bei 1,1 Promille. Packmohr bestätigt, dass sowohl der Einsatz in Gütersloh als auch der gemessene Wert von 0,63 Milligram Ethanol je Liter Atemluft, eben jene 1,26 Promille, im Einsatzprotokoll der Leitstelle dokumentiert sind. Vergleichbare Abweichungen sind in Bielefeld nicht bekannt Zwei Wochen vergehen, in denen Heinzmann gezwungenermaßen viel Zeit zum Grübeln hat. "Er hat das nicht verstanden, weil er kaum Alkohol trinkt", sagt seine Mutter, die ihn als ruhigen, stillen und verantwortungsbewussten Menschen beschreibt. Die Familie hat bereits ihre Rechtsschutzversicherung informiert, als schließlich die erlösende Nachricht von der 0,0-Blutprobe eintrudelt. Heinzmann erhält daraufhin den Führerschein zurück. Offen bleibt die Frage, wie die Diskrepanz der Ergebnisse zustande kommt. Grundsätzlich seien Abweichungen zwischen dem gemessenen Atemalkoholwert und der Blutprobe möglich und üblich, das liege oft am zeitlichen Versatz. "Die Diskrepanz in diesem Sachverhalt", räumt der Polizeisprecher ein, "ist aber in der Tat ungewöhnlich groß und unüblich". Ähnliche Abweichungen seien dem Bielefelder Polizeipräsidium aus der Vergangenheit nicht bekannt. Ein Defekt des Gerätes scheint ausgeschlossen Lebensmittel und Medikamente, Süßigkeiten mit Alkohol, Nasen- oder Mundsprays könnten laut Packmohr den Alkoholgehalt in der Atemluft beeinflussen und so Auswirkungen auf das Ergebnis des Tests haben. Wäre womöglich auch ein Defekt des Testgeräts denkbar? "Die Geräte werden regel- und vorschriftsmäßig gewartet und geeicht. Ein Defekt eines Gerätes ist hier bislang nicht bekannt", erklärt Packmohr. Sieht so aus, als bliebe das dubiose Testergebnis von Christoph Heinzmann ein Rätsel. Die Mutter jedenfalls hat noch immer das Gefühl, dass ihr Sohn ungerecht behandelt wurde – und hätte sich eine nachträgliche Entschuldigung von den Bielefelder Beamten gewünscht. Sie sagt: "Ein Führerschein bedeutet viel für einen jungen Menschen."

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