"Brauchen Demokraten in der Kultur": Güterslohs Dezernent über Umgang mit der AfD

Der Deutsche Städtetag hat im September 2019 eine Resolution beschlossen, die eine Verrohung von Sprache und Stil in der politischen Auseinandersetzung kritisiert und gegenseitigen Respekt, Toleranz und Menschenwürde einfordert. Sie haben diese Resolution dem Kulturausschuss in seiner September-Sitzung zur Kenntnis gegeben und jetzt noch einmal daran erinnert. Warum ist Ihnen dieses Papier so wichtig?Andreas Kimpel: Dieses Papier bietet meiner Meinung nach sowohl für alle freien wie öffentlichen Kulturträger eine wunderbare Grundlage für die Ausrichtung der Kulturarbeit vor Ort. Wir müssen deutlich machen, dass es um die Freiheit der Kunst geht in den Städten und in unserer Stadt. Denn wir haben es hier mit der neuen Gefahr eines Kulturkampfes von rechts zu tun. Wir müssen, als offene und plurale Gesellschaft, die sich insbesondere in den Kommunen ausdrückt, hier die Gefahr erkennen und uns für die Fortsetzung dieses multipluralen Ansatzes stark machen. Kunst und Kultur können hier eine sehr starke Rolle einnehmen, weil sie politisch wirken. Sie haben in der Sitzung des Ausschusses für Kultur- und Weiterbildung vergangene Woche bedauert, dass Sie damals keine Beschlussvorlage formuliert haben. Welche Wirkung trauen Sie einem solchen Beschluss zu?Kimpel: Ein Beschluss zu diesem Papier ist etwas deutlicher, manifester, als nur die Kenntnisnahme. Denn er würde eine Selbstverpflichtung für die Kulturarbeit in der Stadt Gütersloh bedeuten und damit eine Maxime für die Ausrichtung unser kulturpolitischen Arbeit beschreiben. Deshalb wäre ein Beschluss in der heutigen Zeit, bei der Entwicklung der Rahmenbedingungen, die wir feststellen müssen, durchaus angebracht. Ich möchte hinzufügen, dass wir in der Ausrichtung unserer Kulturarbeit einen breiten Konsens zu dem Papier des Deutschen Städtetags entwickelt haben und alle Programmleiter, vom Theater über die Bibliothek bis zur Volkshochschule, den Sinn und Zweck, aber auch den Geist dieses Papieres in ihre Arbeit integrieren. Sie haben angekündigt, dass jetzt ein Leitfaden zum Umgang mit illiberalen Akteuren formuliert werden soll. Wie wird dieser Leitfaden erarbeitet?Kimpel: Ich will es nicht nur auf die AfD reduziert fokussieren, weil sie aktuell durch die Ereignisse in Thüringen im Rampenlicht stehen, sondern schon weiter fassen wollen. Die Initiative, die Sie ansprechen, ist eine der beiden Kultursekretariate NRW in Wuppertal und in Gütersloh. Gemeinsam mit der TU Dortmund und dem Städtetag NRW möchten wir eine Umfrage an unsere Mitgliedsstädte adressieren und erfragen, welche Erfahrungen sie konkret mit Übergriffen durch antidemokratische bzw. illiberale Gruppierungen zum Beispiel auf Kultureinrichtungen oder Programmgestalter gemacht haben. Wir wollen so ein möglichst umfassendes Bild gewinnen, um aus dieser Analyse heraus einen Handlungsleitfaden zu entwickeln, der für die Kulturarbeit in den Kommunen eine Richtschnur sein kann. Wie konkret der Leitfaden sein wird, hängt davon ab, mit welchen Ergebnissen die Umfrage abgeschlossen wird. Wie weit ist diese Arbeit vorangeschritten?Kimpel: Im Moment wird eine Pilotumfrage zum Umgang mit illiberalen Akteuren durchgeführt mit fünf Städten, Gütersloh wird auch darunter sein. Wir wollen aus dieser Pilotbefragung Auffälligkeiten, Anzeichen, Tendenzen und Erkenntnisse herausarbeiten, um diese dann an alle Mitgliedsstädte zu adressieren. Angesprochen sind alle, die in der Kultur Verantwortung tragen und alle Kulturanbieter, natürlich besonders im öffentlichen Bereich. Wie sieht der Zeitplan aus?Kimpel: Der wird im Moment erstellt. Ich denke, die Pilotbefragung wird bis Ende des Frühjahrs abgeschlossen sein, so dass man bis zum Sommer mit der Befragung starten kann. Die Ergebnisse werden dann wahrscheinlich Ende des Sommers vorliegen. Haben Sie denn in Gütersloh schon Übergriffe irgendwelcher Art beobachtet?Kimpel: Ich persönlich kann das nicht verzeichnen. Ich habe aber auch noch keine Rücksprachen mit den jeweiligen Institutsleitern geführt, bislang sind mir noch keine Ergebnisse mitgeteilt worden. Vielleicht lässt sich auf Nachfrage das eine oder andere identifizieren. Ich weiß aber durch meine Tätigkeiten im Land Nordrhein-Westfalen und im Bund, dass das in anderen Städten durchaus anders aussieht, auch außerhalb von NRW. So hat es eine Anfrage in Stuttgart zu Besetzungslisten an Theatern gegeben, die durchaus diesem Milieu zuzuordnen ist. Sie haben auch auf die AfD und die Vorkommnisse in Thüringen angespielt. Glauben Sie, dass nach der Gründung des Stadtverbandes und der bevorstehenden Kommunalwahl sich das politische Klima in Gütersloh durch die AfD ändern könnte?Kimpel: Ja, ich kann mir das gut vorstellen, aber immer nur unter der Annahme, dass es der AfD gelingt, ausreichend Ratsmandate zu erringen. Denn das würde dazu führen, dass auch der Ausschuss für Kultur- und Weiterbildung mit Mitgliedern der AfD besetzt werden müsste. Ich glaube, dass dann Debatten, wie wir sie im Moment zu Themen wie Erinnerungskultur, zur Europäischen Kulturarbeit, zur Ausrichtung der kulturellen Integrationsarbeit auch im Bereich der kulturellen Bildung führen, durchaus anders geführt werden könnten. Ob sich solche Themen nämlich mit den Interessen der Politik der AfD vereinbaren, wie sie mir zumindest aus AfD-Aussagen bekannt sind, ist doch eher zweifelhaft zu sehen. Von daher möchte ich die Kultur in Gütersloh präparieren, sensibilisieren, wachrütteln und dazu bewegen, eine ganz klare Haltung hierzu einzunehmen. Das heißt, es werden keine Handlungsempfehlungen entwickelt, wie man die AfD am besten politisch draußen hält?Kimpel: Nein, es geht insgesamt um grundsätzliche inhaltliche Fragen. Wir werden keine demokratischen Prozesse biegen. Aber wir können uns mit demokratischen Mitteln auseinandersetzen. Voraussetzung dafür ist das Erkennen und Sichbewusstwerden einer solchen Situation. Britta Haßelmann, die Geschäftsführerin der Grünen im Bundestag, hat mir gesagt, dass der Kulturpolitische Sprecher der AfD im Bundestag, Marc Jongen, ganz deutlich von einer, &bdquo;Entsiffung des Kulturbetriebs" gesprochen hat, die er angehen wolle. Das hat mich aufgeschreckt und motiviert, mich intensiver mit dem Thema zu beschäftigen und mich in den Gremien, in denen ich vertreten bin, zu engagieren. Was kann die Kulturpolitik dem entgegensetzen?Kimpel: Wir müssen, glaube ich, in der Kulturpolitik wieder stärker gesellschaftliche Entwicklungen zu reflektieren begreifen. Wir müssen uns Gedanken dazu machen, welche Entwicklungen sich in Europa abspielen. Der Brexit ist das letzte große Ereignis in der EU gewesen. Aber auch die Entwicklungen wie in Polen und in Ungarn können uns nicht ungerührt lassen. Der Blick geht natürlich auch in unsere französische Partnerstadt Châteauroux, wo im März Kommunalwahlen stattfinden werden. Bei der Europawahl war die Nationale Front von Marie Le Pen die zweitstärkste Partei. Das sind alles Bereiche, mit denen wir in Verbindung stehen. Wenn wir das Thema Europäische Kulturarbeit in den nächsten Jahren forcieren wollen, dann ist von entscheidender Bedeutung, welche Wertehaltung und politische Haltung wir in den Partnerstädten vorfinden. Wäre es denkbar, gelassener zu reagieren und zu sagen: Wenn die AfD einen Antrag stellt, der diskriminiert und demokratiefeindlich ist, dann stimmt man einfach dagegen?Kimpel: Ich glaube, dann unterliegt man genau der Strategie der AfD, die eine Verharmlosungs- und Normalitätsstrategie ist. Die AfD kommt als Wolf im Schafspelz daher. Darauf möchte ich nicht reinfallen. Ich möchte mich frühzeitig mit den Kulturakteuren in dieser Stadt mit dieser Entscheidung auseinandersetzen, um dann entsprechend reagieren zu können und nicht überrumpelt zu werden. Was wir mehr denn je brauchen, sind Demokraten in der Kultur, die unsere Kulturdemokratie verteidigen.

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