Gütersloh. Gerade hat der Autohändler Schröder Teams bekanntgegeben, zum 1. Januar 2020 zwei Fulland-Fahrradläden in Schloß Holte-Stukenbrock und Hövelhof zu übernehmen, um Kunden zukünftig „die gesamte Mobilitätssparte anzubieten“. Bastian Merkewitz, Geschäftsführer von Schröder Teams, das auch in Verl eine Niederlassung hat, begründet die Entscheidung mit dem Wandel der Branche – „egal ob auf zwei oder vier Rädern“.
Mit diesem Schritt wird das Autohaus zum Trendsetter in der Region: Experten der Wirtschaftsberatung PwC haben in ihre Glaskugel geschaut und prophezeien, dass die Autohäuser als solche zwar nicht verschwinden werden, aber ihre Geschäftsmodelle weiterentwickeln und um neue maßgeschneiderte Dienstleistungen rund um Mobilität und Beratung erweitern müssen.
Der Kunde werde in Zukunft keinen Kaufvertrag mehr für ein Auto unterschreiben, sondern bekomme ein „passendes Mobilitätskonzept“ bereitgestellt. Kein Wunder also, dass bei vielen Händlern in Deutschland die Sorge um die Zukunftsfähigkeit der traditionellen Autohäuser wächst. In einer Befragung der Wirtschaftsberater meinten 58 Prozent der Autohändler, dass die klassische Niederlassung in den nächsten Jahren merklich an Bedeutung verlieren werde.
Auf der anderen Seite benannten 56 Prozent der Autokäufer in einer weiteren Umfrage von PwC den Händler beim Kauf eines Autos weiterhin als wichtigste Informationsquelle. 84 Prozent der Befragten erklärten, sich unter „keinen Umständen“ vorstellen zu können, ein Auto ohne vorherige persönliche Beratung zu erwerben.
Die Pläne liegen bereits in den Schubladen
Ein Widerspruch, der sich schon bald auflösen könnte. Denn wie rasant sich das Kaufverhalten der Kunden durch den Onlinehandel ändert, konnte man in fast allen anderen Konsumsparten beobachten. Dass die Automobilbranche bislang davon verschont blieb, liegt an dem besonderen Verhältnis der Hersteller zu ihren Vertragshändlern vor Ort, für die das Thema Direktvertrieb über das Internet logischerweise ein rotes Tuch ist. Denn wenn Kunden heute eine Hose im Geschäft anprobieren und sie morgen online bestellen – warum sollten sie das nicht auch mit einem Auto tun: Testfahrt vor Ort und Kauf im Internet? Insidern zufolge liegen entsprechende Pläne in den Schubladen der Hersteller und einzelne Testballons sind schon unterwegs.
In den Autohäusern vor Ort ist das Thema unterschiedlich präsent. „Unsere Marken sind mehr oder weniger betroffen“, sagt Hans-Peter Koster, Geschäftsstellenleiter der Gütersloher Niederlassung von Markötter, Vertragshändler von Peugeot und Volvo. „Bei Volvo gibt es bereits ein Abo-Modell, mit dem sich der Kunde im Internet ein Auto zusammenklicken kann. Wir machen dann nur die Übergabeinspektion und die Wartung.“ In der Praxis stößt dieses Verkaufsmodell laut Koster jedoch noch an Grenzen. „Die Kunden können das Auto dann doch nicht so zusammenbauen, wie sie dachten, und die Euphorie geht schnell wieder ins Normale zurück.“
Auch die chinesische Volvo-Schwester Lynk & Co hat angekündigt, ab dem kommenden Jahr den europäischen Markt mit der sogenannten Netflix-Methode umzukrempeln: Kunden sollen für eine fixe Monatsrate, die je nach Angebot Posten wie Wartung, Reparaturen, Reifenwechsel, Versicherung und Steuern enthält, ein Auto-Abo abschließen können.
Während Volvo laut Koster versuche, mit dem Abo-Modell nicht den Anschluss an Anbieter wie Sixt zu verpassen, sei man im stationären Handel natürlich skeptisch: „Die Inhaber haben schließlich viel Geld in die Hand genommen. Sie haben große Häuser hingestellt und in Personal investiert.“ So stehen am Gütersloher Hauptstandort der Unternehmensgruppe gerade die umfangreichsten Bauarbeiten seit der Eröffnung 2008 an.
Millioneninvestition am Standort Gütersloh
Der gesamte, rund 1.000 Quadratmeter große Ausstellungsbereich wird neu gestaltet – nach den Vorgaben von Volvo und Peugeot, die auf einem jeweils einheitlichen Erscheinungsbild der Automarken bestehen. „Dafür müssen wir einen ordentlichen Betrag in die Hand nehmen, denn auch unsere anderen Standorte in Herford, Bielefeld und Paderborn sind davon betroffen.“ Von der Millioneninvestition, für die es nur geringe Zuschüsse von den beiden Herstellern gibt, erhofft man sich laut Koster aber auch durchaus positive Effekte: „Das Kauferlebnis ist online nicht wirklich spannend. Wir brauchen einen vernünftigen Mix aus beiden Modellen, denn in OWL sind die Leute nicht nur treu, sondern sie legen auch großen Wert auf die persönliche Beratung.“ Zudem seien die Hersteller auf das Händlernetz angewiesen, schließlich brauche jedes Fahrzeug Wartung und Inspektionen.
Eine Einschätzung, die auch Hermann Kattenstroth, Inhaber der gleichnamigen BMW-Autohäuser und Obermeister der Kfz-Innung im Kreis Gütersloh, teilt. „Unsere Kunden machen sich im Internet schlau und sind vorinformiert. Wir machen dann eine Bedarfsanalyse. Aber der klassische Kunde ruft an und sagt: Bestell mir ein neues Auto, du weißt, was ich brauche.“ Vertrauen, sagt Kattenstroth, sei die wichtigste Grundlage in seinem Geschäft.
Aber hat die Branche nicht gerade ganz andere Probleme? Wie sieht das Kaufverhalten aus nach Dieselskandal, Fridays for Future und brennenden SUVs? „Der SUV ist nach wie vor die Fahrzeugsparte mit der höchsten Zuwachsrate. Besonders ältere Menschen wollen höher sitzen, besser sehen und bequemer einsteigen“, sagt Kattenstroth. Hersteller, die diese Entwicklung mit einer zu kleinen Modellpalette verschlafen hätten, stünden nun besonders unter Druck.
Außerdem bemerkenswert: Sowohl Koster wie auch Kattenstroth registrieren, dass die Nachfrage nach Dieselfahrzeugen ungebremst ist, während der Verkauf von E-Fahrzeugen nur sehr langsam zunehme. Ein Großteil der Käufe werde mittlerweile auch bei Privatkunden über Leasingverträge abgewickelt: Beide Händler beziffern die Quote hier mit 70 bis 80 Prozent.