Gütersloh

Cannabis legalisieren? Das sagt ein Gütersloher Experte

Chefarzt Ulrich Kemper spricht sich für eine geregelte Vergabe von Cannabis aus, obwohl er auch die Schattenseite der Droge kennt. Vor allem, wenn sie von Jugendlichen konsumiert wird.

Vor allem bei jüngeren Menschen ist Cannabis laut Experten besonders beliebt. | © Pixabay

13.08.2019 | 13.08.2019, 11:50

Wie wird Cannabis konsumiert – und von wem?

Dr. Ulrich Kemper: Am häufigsten wird Cannabis als Joint, aus der Wasserpfeife, aus der Bong und vielen anderen Gerätschaften geraucht. Besonders bei jüngeren Menschen ist das hoch attraktiv. Gut 20 Prozent aller 18- bis 20-Jährigen haben laut einer Umfrage schonmal Cannabis konsumiert.

Wie wirkt sich der Konsum bei Jugendlichen aus?

Kemper: Man muss zwischen Probierkonsum und regelmäßigem Konsum unterscheiden. Viele Eltern wissen nicht, dass sich der Wirkstoffgehalt des Cannabis zwischen ihrer eigenen Jugend und der heutigen Zeit verfünfzehnfacht hat und daher auch ein höheres Risiko für Gesundheitsschäden besteht. Besonders problematisch ist die Cannabiswirkung im Gehirn und im Körper heranwachsender Menschen, weil die Pubertät als besonders kritische Phase der Gehirnreifung gilt.

Wie viele Abhängige sind in Ihrer Klinik in Behandlung?

Kemper: Es wird davon ausgegangen, dass etwa 3,3 Millionen Menschen in Deutschland mindestens einmal im Jahr Cannabis konsumieren. Das sind vier Prozent der Gesamtbevölkerung. Monatlichen Konsum betreiben etwa zwei Prozent der 18- bis 64-Jährigen. In unserer Klinik ist es zu einer Verschiebung der Behandlungsursachen gekommen. Vor knapp 20 Jahren war Cannabis höchstens ein Begleitphänomen, insbesondere bei Heroinabhängigen. In den vergangenen Jahren steht bei fast der Hälfte der Drogenabhängigen die Cannabisabhängigkeit im Vordergrund. Cannabis wird dann nicht wie früher mit Heroin gemeinsam kombiniert, sondern mit Amphetaminen. Jährlich werden etwa 200 Patienten mit einer Cannabisabhängigkeit stationär bei uns behandelt, die aber oft auch noch an anderen Suchterkrankungen leiden.

Cannabis wird mittlerweile auch bei Krankheiten eingesetzt. Bei welchen denn?

Kemper: Im Cannabis-Gesetz sind ausdrücklich keine einzelnen Krankheiten aufgezählt, bei denen Cannabis verwendet werden darf. Als sicher wirksam gilt es aber zum Beispiel bei der Behandlung chronischer Schmerzen bei Erwachsenen, als Antibrechmittel bei der Behandlung von chemotherapiebedingter Übelkeit und Erbrechen oder zur Verbesserung von Verkrampfungszuständen bei der multiplen Sklerose.

Sind Sie für oder gegen eine Legalisierung von Cannabis?

Kemper: Fast alle ernsthaften Forscher lehnen eine ungeregelte Freigabe ab. Denn insbesondere ein geordneter Jugendschutz ist bei einer solchen Freigabe nicht mehr möglich. Meine persönliche Meinung: Die Strafverfolgung von Konsumenten muss unbedingt aufhören. Außerdem sehe ich als Arzt einen erheblichen Forschungsbedarf und halte es für dringend geboten, Modellprojekte durchzuführen, um festzustellen, wie sich eine Veränderung der Cannabisgesetzgebung auswirkt. Neben der medizinischen Abgabe sollte Cannabis auch als Genussmittel kontrolliert abgegeben werden können – zum Beispiel von Apotheken.

Information

Vortrag von Dr. Ulrich Kemper

Thema: Nutzen und Risiken des Cannabis-Konsums und seiner Legalisierung
Beginn: 13. August, 19 Uhr
Ort: Aula des LWL-Klinikums Gütersloh; Haus 63
Der Eintritt ist frei.