Gütersloh

Wegen Unfallzahl: Ehemaliger Polizist fordert Stoßstangen an Traktoren

Immer wieder kommt es zu schweren Unfällen mit landwirtschaftlichen Zugmaschinen. Daher sollen diese nur noch mit Unterfahrschutz oder vorn mit Rammschutz auf öffentlichen Straßen fahren dürfen.

Totalschaden: Der riesige Reifen des Traktors führte vor einigen Wochen zu schweren Verletzungen eines Sechsjährigen. | © Andreas Eickhoff

08.07.2019 | 08.07.2019, 20:00

Gütersloh. Statistisch betrachtet fallen die Zahlen eigentlich kaum ins Gewicht, doch wenn es kracht, dann oft mit fatalen Folgen. Denn obwohl sie im Straßenverkehr meist relativ langsam unterwegs sind, haben Traktoren wegen ihres Gewichtes, insbesondere aber wegen ihrer riesigen Reifen, eine immense Zerstörungskraft – was die Frage aufwirft, warum diese landwirtschaftlichen Zugmaschinen nicht besser gesichert sind.

Laut Polizeistatistik hat es 2018 kreisweit 9.066 Verkehrsunfälle gegeben, an denen 47 Traktoren beteiligt waren. Ein Motorradfahrer starb, nachdem ihm die Vorfahrt genommen wurde, zudem wurden insgesamt neun Menschen verletzt, zwei davon schwer. Zuletzt machte Mitte Juni dieses Jahres ein schwerer Verkehrsunfall auf dem Stadtring Kattenstroth Schlagzeilen. Dort fuhr ein Traktor bei Rot über die Ampel und prallte in die Beifahrertür eines PKW. Der in einem Kindersitz ordnungsgemäß angeschnallte sechsjährige Junge wurde dabei schwer verletzt. Der Reifen des Traktors hatte sich quasi in die Beifahrertür gefräst, sie nach innen verformt, aus der Verankerung gerissen und dann auf die Fahrbahn gedrückt.

Die bis zu 2,16 Meter hohen Traktor-Reifen können wie eine Schrottpresse wirken

„Vielleicht wäre der Unfall glimpflich ausgegangen, wenn der Traktor vorn eine Stoßstange wie bei einem LKW gehabt hätte", sagt Heinz Felderhoff. Der Polizeibeamte im Ruhestand hat vor seiner Pensionierung zehn Jahre lang Unfälle bearbeitet. Die drohende Gefahr, die von ungeschützten Rädern großer Traktoren ausgehe, sehe er schon seit langem. Durch das grobe Profil der bis zu 2,16 Meter hohen Reifen könne das Blech eines PKW wie in einer Schrottpresse erfasst und zerdrückt werden. „Es sollte Vorschrift werden, dass derart gefährliche Fahrzeuge nur mit einem Unterfahrschutz beziehungsweise vorn mit einem Rammschutz auf öffentlichen Straßen gefahren werden dürfen", fordert er.

Bisher nämlich ist ein solcher Rammschutz, der europaweit bei LKW seit Jahren Pflicht ist, bei Traktoren gesetzlich nicht vorgeschrieben und gehört daher nicht zur Standardausstattung. Namhafte Hersteller wie beispielsweise Claas bieten einen solchen, obwohl er problemlos anbaubar wäre, in eigener Produktion nicht einmal an. Allerdings nicht aus Fahrlässigkeit, sondern schlicht aus pragmatischen Gründen, wie Frank Berning, stellvertretender Leiter der Claas-Unternehmenskommunikation, erläutert.

Denn: Oft würden die Landwirte auf dem Weg von einem zum anderen Feld nur kurze Strecken auf öffentlichen Straßen zurücklegen. „Das An- und Abbauen wäre arbeitsintensiv"; die meisten Landwirte hätten dafür keine Zeit. Außerdem sei der sogenannte Anbauraum im vorderen Bereich des Traktors oft mit Frontanbaugeräten wie beispielsweise einem Mähwerk besetzt. „Es liegt im eigenen Ermessen des Fahrzeughalters, einen zusätzlichen Schutz selbst anzubringen" , sagt Berning. Oder eben nicht.

Für die Polizei reichen die bisherigen Sicherungsmaßnahmen aus

Der Kreispolizeibehörde Gütersloh jedenfalls reichen die bisherigen Sicherungsmaßnahmen aus, sagt Sprecherin Katharina Felsch auf Nachfrage. „Für uns ist entscheidend, dass bei den Fahrzeugen während der Benutzung öffentlicher Straßen alle TÜV-relevanten Faktoren erfüllt sind." Man appelliere jedoch an alle Verkehrsteilnehmer, gerade im ländlichen Bereich in der Nähe von Traktoren vorsichtig und vorausschauend zu fahren.

„Man muss immer damit rechnen, dass einen der Traktorfahrer aufgrund seiner erhöhten Sitzposition und seines Sichtradius nicht sofort sieht", betont Felsch. Schließlich sei manches Traktorgespann mit 40, in Ausnahmefällen gar mit bis zu 60 Stundenkilometer unterwegs, und das bei einem Gewicht zwischen vier und neun, manchmal sogar bis zu 20 Tonnen.