Gütersloh

Warum sich über Gütersloh regelmäßig Eurofighter jagen

Nach dem Crash in Mecklenburg stellt sich die Frage, ob solch ein Unglück auch den Kreis Gütersloh treffen könnte.

Eurofighter bei einer Übung. | © picture alliance/APA/picturedesk.com

26.06.2019 | 27.06.2019, 12:52

Gütersloh. In Mecklenburg ist das kleine Dorf Nossentiner Hütte am Montag bei der Kollision zweier Eurofighter-Jets nur knapp einer Katastrophe entgangen. Ein Pilot starb bei dem Unfall, der andere wurde verletzt. Dass die Bundeswehr die Zahl der an den Bergungsarbeiten beteiligten Soldaten aktuell auf 500 erhöht hat, zeigt das Ausmaß der Zerstörung. Durch die Kollision wurden die Trümmerteile kilometerweit verteilt, auch in der Nähe des Kindergartens im Dorf wurde ein Teil des Wracks gefunden.

Auch über dem dichter besiedelten Gütersloh führt die Luftwaffe regelmäßig Abfangübungen durch, wie die NW immer wieder berichtet. Oft sind die Jagdflieger wegen einer dichten Wolkendecke zwar nicht zu sehen, aber auch nicht zu überhören. Der Lärm erregt dann viel Aufmerksamkeit, manchmal wackeln sogar die Fensterscheiben und häufig melden sich Leser in der Redaktion, um zu fragen, was da wieder los war.

Ehepaar konnte dem Piloten praktisch in die Augen blicken

Manchmal haben dann niederländische Tiefflieger vom Typ F-16 geübt oder es waren Tornados des Taktischen Luftwaffengeschwaders, die durch die Wolken über Gütersloh donnerten. Ein besonders krasser Fall aus der Region liegt bereits zehn Jahre zurück. Damals wurde das Ehepaar Steinkröger in Sende von einem Tiefflieger erschreckt, dessen Piloten sie praktisch in die Augen blicken konnten, weil er so nahe an ihrem Garten vorbei düste.

Meistens handelt es sich bei den Übungen jedoch um sogenannte „Air Combat"-Manöver, bei denen zwei „Jäger" im Eurofighter ein anderes Flugzeug - häufig einen Learjet der Gesellschaft für Flugzieldarstellung - verfolgen und sich dabei immer wieder abwechseln. Beim Tauschen der Rollen müssen sich die Piloten gut miteinander absprechen, damit sie nicht kollidieren. Was passieren kann, wenn sie das nicht tun, zeigt der tödliche Unfall über der Mecklenburger Seenplatte.

Beim Überflug von Städten ab 100.000 Einwohner gilt eine andere Mindesthöhe

Für Auskünfte zur Situation in Gütersloh ist die Pressestelle des Luftfahrtamtes des Bundeswehr in Köln zuständig, bei der wir aus aktuellem Anlass noch einmal nachgefragt haben, was im Luftraum über der Dalkestadt eigentlich erlaubt ist. "Grundsätzlich ist über dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland überall militärischer Flugbetrieb zulässig. Die dabei einzuhaltende Mindesthöhe für Kampfflugzeuge über Grund beträgt 1.000 Fuß (ca. 300 Meter). Diese für den militärischen Tiefflug geltende Mindesthöhe darf nach vorheriger Anmeldung in wenigen aber unverzichtbaren Ausnahmen auf 500 Fuß (ca. 150 Meter) über Grund unterschritten werden", erklärt Oberfähnrich Kai Stobbe. Beim Überflug von Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern sei für Kampfflugzeuge eine Mindesthöhe von 2.000 Fuß (ca. 600 Meter) einzuhalten.

Dass es über Gütersloh so viele Übungen gibt, liegt daran, dass sich hier zwei von insgesamt acht deutschen Übungslufträumen mehr oder weniger schneiden. Neben dem Luftraum ED-R 203 Münsterland, in dem Flughöhen von 2.450 bis 6.100 Metern zulässig sind, gibt es noch den Übungsluftraum LANTA (Low Altitude Night Training Area) Paderborn, der laut Stobbe im Rahmen der Nachtflugausbildung bereits in rund 1.065 Metern Höhe genutzt werden darf. Statistiken über die Häufigkeit der Übungen gibt es ebenso wenig wie über die fliegenden Verbände, die sie durchführen.

Übungen sorgen für Diskussionen in den sozialen Netzwerken

Die Übungen werden laut Stobbe zwar grundsätzlich ohne Bewaffnung durchgeführt, trotzdem sorgen sie für Beunruhigung und für Diskussionen in den sozialen Netzwerken. Wie groß die Besorgnis nach spektakulären Unfällen nicht nur bei den Gütersloher Bürgern, sondern auch in der Politik ist, zeigt eine Anfrage zu Luftkampfübungen, die die SPD-Fraktion schon 2014 im Kreistag gestellt hatte. Damals war es ebenfalls bei einer Abfangübung nahe Elpe im Sauerland zu einer folgenschweren Kollision zwischen einem Eurofighter des Nörvenicher Luftwaffengeschwaders und eines Learjets gekommen. Die beiden Insassen des Jets, der knapp neben einem Haus auf die Erde knallte, kamen bei dem Unfall ums Leben.

Die SPD hatte in ihrer Anfrage moniert, dass die Bundeswehr keine konkreten Auskünfte zur Häufigkeit und Art der Übungen über Gütersloh mache. Thomas Kuhlbusch, Fachbereichsleiter Recht und Ordnung, bestätigte damals im Kreisausschuss, dass es keine rechtliche Möglichkeit gebe, dagegen vorzugehen. Und Landrat Sven-Georg Adenauer erklärte, dass er es grundsätzlich für wichtig halte, dass die Piloten der Luftwaffe üben. "Diese Meinung hat sich auch nach dem jüngsten Unfall nicht geändert", sagte der Verwaltungschef jetzt auf Nachfrage der NW.

"Ich kann das nur wiederholen: Ich halte es nach wie vor für nachvollziehbar, dass der Luftraum auch bei uns genutzt wird. Die Piloten machen das ja nicht zum Spaß, sondern weil sie den Ernstfall proben. Was in Mecklenburg passiert ist, ist natürlich schlimm. Aber zunächst muss man jetzt die Unglücksursache herausfinden."