Gütersloh

Nach Streckensperrung bei Gütersloh: Reisende empört über Bahnpersonal

Die Reisenden zeigen Verständnis für Ausfälle und Verspätungen, nicht aber für das Krisenmanagement und das Verhalten einiger DB-Mitarbeiter. Einer Kundin platzt der Kragen

Menschenmenge: Zahlreiche Reisende warteten lange auf dem Gütersloher Bahnhof oder erfuhren dort, dass ihr Zug komplett ausfällt. Die Informationspolitik der Deutschen Bahn wurde vielfach kritisiert. | © Michael Schuh

23.06.2017 | 24.06.2017, 13:05

Gütersloh. Ein Unwetter sorgt für Zugunfälle, Streckensperrungen und jede Menge Verspätungen. Für diesen Fall von höherer Gewalt zeigten die wartenden Reisenden im Gütersloher Bahnhof gestern durchaus Verständnis. Auf das Krisenmanagement der Bahn und das Verhalten einiger DB-Mitarbeiter reagierten viele Fahrgäste indes mit Stirnrunzeln, ja sogar mit Empörung.

Dorothee von Trotha hat eine Odyssee hinter sich. Als sich auf Gleis 1 des Gütersloher Bahnhofs gestern Vormittag endlich die Türen eines Zuges öffnen, weiß sie in der Hektik nicht sofort, ob es sich um die richtige Bahn handelt. Das scheint einer Zugbegleiterin nicht zu passen. „Rein oder raus – wollen Sie hier Kaffee trinken?", brüllt die DB-Mitarbeiterin quer über den Bahnsteig. Da platzt der Kundin der Kragen. „Nicht wir sind das Problem, sondern Sie!", schreit sie zurück. „Ich bin seit vier Stunden unterwegs!"

Im Stress: Die Service-Mitarbeiter der Deutschen Bahn hatten alle Hände voll zu tun. - © Michael Schuh
Im Stress: Die Service-Mitarbeiter der Deutschen Bahn hatten alle Hände voll zu tun. | © Michael Schuh

Eigentlich wollte von Trotha vom Bielefelder Hauptbahnhof um 6.58 Uhr mal eben nach Oelde fahren. Als sie von der Streckensperrung erfuhr, ging die Bielefelderin zur Information, um nach Alternativen zu fragen: „Nachdem ich dort 20 Minuten gewartet hatte, sagte man mir, ich solle den Linienbus nach Brackwede nehmen und von da weiterfahren." Leichter gesagt als getan: „Der erste Bus kam gar nicht, die nächsten waren völlig überfüllt und fuhren durch, ohne zu halten." Nach anderthalb Stunden Wartezeit fand sie endlich einen Bus, der sie nach Brackwede brachte. Nach erneutem Warten und einer halbstündigen Fahrtzeit erreichte sie um 10.30 Uhr den Gütersloher Bahnhof. Auf Gleis 1 musste sich die Bielefelderin inmitten einer Menschenmenge dann erneut in Geduld üben. Erst nach einer weiteren Stunde – und der rüden Zurechtweisung seitens des Personals – ging es schließlich in Richtung Oelde.

Auf Tour mit 30 Neuntklässlern

Auch Jorg Thomas kann das Verhalten der Bahn-Mitarbeiter nicht so recht nachvollziehen. Als kurz nach 11 Uhr ein Zug auf Gleis 1 des Gütersloher Bahnhofs einrollt, stecken dem Lehrer der Realschule Jöllenbeck, der sich mit einer Kollegin und über 30 Neuntklässlern auf einer Tagesfahrt nach Dortmund befindet, schon zweieinhalb Stunden Reisezeit in den Knochen. Ab Bielefeld wohlgemerkt. Von fehlenden Ersatz- und überfüllten Linienbussen kann Thomas ebenfalls ein Lied singen. Umso besser, dass endlich ein Zug mit Fahrtrichtung Ruhrgebiet und offensichtlich ausreichend freien Plätzen in den Bahnhof einrollt. Die Lehrer und ihre Schüler strömen einem Abteil entgegen – und kehren wenig später unvermittelter Dinge zurück. „Das war ein IC", berichtet Thomas, „der Zugbegleiter sagte mir, dass der nicht für unsere NRW-Tickets freigegeben sei und wir Zuschlag zahlen müssten. Aber das ist mit einer solch großen Schülergruppe doch gar nicht möglich." Nun merkt man dem bis dato lässigen Pädagogen seinen Unmut an: „Da hätte ich mehr Kulanz erwartet."

Verärgert zeigt sich auch Ernst Herold, der seine Frau extra mit dem Pkw von Herford zum Gütersloher Bahnhof brachte, damit sie zumindest von dort einen Zug nach Hamm nehmen konnte. Der fährt eigentlich vom Gleis 2 ab. Eigentlich. „Heute aber von Gleis 1. Doch das war weder auf der Infotafel auf dem Bahnsteig zu erkennen, noch gab es Durchsagen. Nichts." Somit hat die Herforderin den Zug verpasst – und muss auf den nächsten warten. Einziger Trost: Sie befindet sich in guter Gesellschaft.

Die „Kegelmäuse" aus Löhne sind auf ihrer Tour nach Münster in Gütersloh gestrandet. Ob sie es pünktlich zur eingeplanten Tatort-Führung um 16.15 Uhr schaffen, vermag Nele Henke nicht zu sagen. Doch eines weiß die Kegelschwester nach zweieinhalb Stunden genau: „Höflichkeit schien am Bielefelder Bahnhof nicht die Stärke des Personals zu sein."

Zugausfall wird erst am Bahnsteig publik

Über mangelhafte Informationen klagt eine Vielzahl der Kunden. Den Freizeit-Fußballern der IKK Gütersloh wurde von der Bahn telefonisch mitgeteilt, sie sollten um 11.38 Uhr über Münster ihre Fahrt nach Hamburg antreten. Erst auf dem Bahnsteig erfahren sie, dass besagter Zug ausfällt. Kommando zurück.

Mareike Neumeyer wartet am verwaisten Gleis 4 auf ihre Mutter. Kommt der Zug aus dem Sauerland oder kommt er nicht? Mit Verspätung läuft er tatsächlich ein – allerdings auf einem anderen Gleis. „Es wäre hilfreich, wenn das irgendwo gestanden oder man es durchgesagt hätte", findet die Gütersloherin.

Auf Anfrage von nw.de sagte ein Bahn-Sprecher, dass ein IC tatsächlich eine offizielle Freigabe benötige, um Fahrgäste mit NRW-Ticket mitzunehmen: „Das kann ein Zugbegleiter nicht ohne weiteres selbst entscheiden." Dass man in solchen Fällen durchaus Fingerspitzengefühl an den Tag legen könnte, stritt der Sprecher aber nicht ab.

Auf die überaus laute Zugbegleiterin angesprochen, verwies er darauf, dass das Personal oft Blitzableiter sei und selbst in nicht gerade schöner Form angegangen werde. Zwar würden die Mitarbeiter geschult, „doch offenbar haben die Nerven blank gelegen."