OWL vom Fernverkehr abgeschnitten: Wie Bielefelder Bahnreisende die Lage jetzt meistern

Bielefeld. Die gute Nachricht vorneweg: Das befürchtete Chaos ist ausgeblieben. Obwohl Bielefeld seit Freitagabend aufgrund von Bauarbeiten vom Fernverkehr abgeschnitten ist, wirkte der Hauptbahnhof am Samstagmorgen nach der Streckensperrung überraschend sortiert. Wer ahnungslos durch die Bahnhofshallen schlenderte, hätte fast meinen können, es sei ein normaler Samstag. Im Gespräch mit Reisenden wird jedoch schnell deutlich: Das liegt vor allem daran, dass viele Fahrgäste das Chaos bei der Bahn inzwischen als alltäglich akzeptiert haben. Zur aktuellen Situation am Bielefelder Hauptbahnhof: Seit Freitagabend halten am wichtigsten Verkehrsknotenpunkt in OWL weder ICE noch Intercitys. Grund hierfür sind Modernisierungsarbeiten an einer Eisenbahnbrücke in Herford. Die Baumaßnahmen haben allerdings auch Auswirkungen auf den Regionalverkehr – der Streckenabschnitt zwischen Bielefeld und Minden wird zurzeit nur vom Schienenersatzverkehr bedient und auch bei Zügen in Richtung Dortmund und Köln ist mit höherem Fahrgast-Aufkommen und Verspätungen zu rechnen. Musiker Dennis, der mit Gitarre und Verstärker im Gepäck auf dem Weg zu einer Bandprobe im Ruhrgebiet ist, gibt sich trotz dieser Aussichten gelassen. &bdquo;Heute ist für mich fast wie ein ganz normaler Tag. Auf dem Weg ins Ruhrgebiet rechne ich inzwischen damit, dass ich im Schnitt eine halbe Stunde länger warte als geplant“, kommentiert der Gitarrist, der seinen Nachnamen nicht verraten möchte, die aktuelle Lage am Bahnhof. Mehr Infos zur Streckensperrung: Bielefeld und weitere OWL-Städte ab Freitag vom Bahn-Fernverkehr abgekoppelt DB setzt am Hauptbahnhof Bielefeld mehr Service-Personal ein Er fügt an: &bdquo;Ich würde sagen, dass an schlechten Tagen auf der Strecke ungefähr jeder fünfte Zug ausfällt. Aber zum Glück gibt es zwischen Dortmund und Düsseldorf genug Alternativstrecken.“ Seinem Musiker-Kollegen Luis Maschmann, welcher sich am anderen Ende des Bahnhofs an seinen Trompeten-Koffer klammert, stehen solche Alternativen hingegen nicht zur Verfügung. Er müsste heute eigentlich für die musikalische Untermalung auf einer Hochzeit in Herford sorgen. &bdquo;Jetzt ist die Strecke aber dicht und ich habe – um ehrlich zu sein – keine Ahnung, wann und wo mein Ersatzbus kommt“, sagt er. Währenddessen sucht er in der DB-App nach neuen Informationen. Hilfe ist an diesem Samstagmorgen zum Glück nicht weit: Auf dem gesamten Bahnhofsgelände sind, zumeist junge Personen in Warnwesten unterwegs, die die Reisenden beraten und ihnen den Weg zum Schienenersatzverkehr zeigen. Vermutlich ist das der Grund, warum sich die Schlange vor dem Info-Schalter trotz Streckensperrung in Grenzen hält. Vieles deutet also darauf hin, dass der DB-Konzern inzwischen auch in Sachen Personalplanung mit dem Bau-Chaos kalkuliert. Bis 2027 immer wieder Sanierungsarbeiten an Herforder Brücke Dem ehemaligen Staatsunternehmen bleibt allerdings auch nicht viel anderes übrig: Neben der Generalsanierung des Hochgeschwindigkeitsnetzes hat die Bahn bereits vergangenes Jahr bekannt gegeben, großflächig die in die Jahre gekommene Betriebsinfrastruktur zu erneuern. Hiervon ist auch die Eisenbahnbrücke an der Sofienstraße in Herford betroffen. Das Problem: Die Brücke liegt wie ein Nadelöhr auf einer der wichtigsten Fernverkehrsverbindungen der Republik – der ICE-Strecke zwischen Berlin und dem Ruhrgebiet. Dementsprechend können die Sanierungsarbeiten nicht in einem Rutsch erledigt werden. Laut Bahn wird es deshalb rund um die 16 Gleise, die über die Herforder Sofienstraße führen, bis 2027 immer wieder zu Baumaßnahmen kommen. Mehr Verkehrsnachrichten aus Bielefeld: Weitere Baustelle in Bielefeld: Wichtige Verkehrsachse sechs Wochen lang dicht Für Dustin Malankowskie sind die hierdurch bedingten Streckensperrungen wiederum mit großen finanziellen Einbußen verbunden. Er ist seit einigen Monaten Geschäftsführer der Filiale des Franchise-Unternehmens &bdquo;Haferkater“ im Hauptbahnhof und verrät im Gespräch mit der NW: &bdquo;Die Leute, die auf der ICE-Strecke nach Hannover oder Berlin pendeln, sind für unser Geschäft sehr wichtig. Diese Einnahmen fallen jetzt natürlich weg.“ Bahnreisende in Bielefeld sehen politischen Handlungsbedarf Solche Situationen seien allerdings an einem Bahnhof &bdquo;Berufsrisiko“, erklärt der Franchisenehmer gelassen. Seine entspannte Haltung teilt er an diesem Tag mit vielen Bahnkunden. So auch mit Ann-Kristin Puls, die sich und ihre Freundin am anderen Ende der Halle mit Reiseproviant für eine Cosplay-Messe eindeckt. &bdquo;Wir haben schon zu Hause gesehen, dass der vorherige Zug ausfällt. Da haben wir uns einfach entschieden, den nächsten zu nehmen.“ Diese scheinbare Gelassenheit darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass die meisten Bahn-Kunden dringenden Handlungsbedarf sehen. Eine Reisende auf dem Weg nach Rahden konstatiert: &bdquo;Die Verantwortung hierfür haben natürlich die Leute, die in den letzten Jahren das Verkehrsministerium geleitet haben!“ Und auch Gitarrist Dennis sieht die Verantwortung hierfür aufseiten der Politik: &bdquo;Dass das hier normal ist, ist eigentlich traurig. Wenn es nach mir ginge, sollte die Bahn wieder verstaatlicht werden“, attestiert der Musiker.

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