Zehntausende Bielefelder erhalten Weihnachtsgeld – doch viele gehen leer aus

Bielefeld. Für Reinhard Tweer ist die Zahlung von Weihnachtsgeld eigentlich eine Selbstverständlichkeit, wenn das Ende des Novembers naht. &bdquo;Denn wir sind tarifgebunden, und das Weihnachtsgeld ist eine Tarifleistung“, erklärt der Gießerei-Unternehmer, der zudem Vorsitzender des Unternehmerverbands der Metallindustrie Ostwestfalen Bielefeld-Herford-Minden ist. Doch er weiß, dass die Tariftreue der Unternehmen zunehmend in Gefahr ist – und damit auch das Weihnachtsgeld. &bdquo;Immer mehr Firmen gehen aus der Tarifbindung raus“, sagt er und wird ärgerlich: &bdquo;Das finde ich nicht gut, doch die Flucht liegt auch an der IG Metall, die immer häufiger Sonderverträge mit Abweichungen vom Tarifvertrag bei Arbeitszeiten, Löhnen oder Sonderzahlungen abschließt.“ Jeder Sanierungstarifvertrag, der einem schwachen Unternehmen erlaube, seine Wettbewerbsposition durch geringere Leistungen für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu verbessern, verschlechtere die Lage der tariftreuen Firmen, klagt Tweer. Stahlgießerei beklagt Wettbewerbsnachteile Das gehe auch zulasten seiner Firma: Die Stahlgießerei Tweer verliere derzeit Kunden an billigere Anbieter in Brasilien oder der Türkei, aber auch im Inland. Seine Belegschaft müsse daher von derzeit 230 auf bald nur noch 210 Beschäftigte verkleinert werden. Kernproblem seien nicht nur die hohen Lohnkosten, sondern auch &bdquo;die verheerende Industriepolitik der Bundesregierung“, die es bisher nicht geschafft habe, die Energiepreise ausreichend zu senken. Klar ist: Weihnachtsgeld und andere Sonderleistungen von Firmen und Institutionen sind auch ein Kostenfaktor, der in wirtschaftlich flauen Zeiten verstärkt in den Fokus der Manager gerät. Weihnachtsgeld in Deutschland: Wo Beschäftigte viel bekommen und wo wenig Gut die Hälfte der Beschäftigten, nämlich 51 Prozent, erhalten in diesem Jahr in Deutschland ein Weihnachtsgeld, ermittelten das Internetportal Lohnspiegel.de und das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung durch eine Umfrage. Die Tarifbindung sei dabei &bdquo;der entscheidende Faktor“, lautet ein Ergebnis, verbunden mit dem Hinweis, dass der Anteil tarifgebundener Betriebe von 68 Prozent im Jahr 2000 auf zuletzt nur noch 49 Prozent gesunken sei. Männer (54 Prozent) bekommen häufiger Weihnachtsgeld als Frauen (48 Prozent), heißt es weiter, Westdeutsche häufiger als Ostdeutsche. Hier wird Weihnachtsgeld gezahlt Eine Nachfrage bei großen Bielefelder Arbeitgebern ergibt allerdings, dass Weihnachtsgeld und das 13. Monatsgehalt weiterhin vielerorts üblich ist. Bei den Nahrungsmittelunternehmen der Marke Dr. Oetker zum Beispiel dürfen sich alle rund 5.000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen über Weihnachtsgeld freuen, und zwar tariflich beschäftigte ebenso wie außertariflich beschäftigte Mitarbeiter. Für die Standorte Bielefeld und Oerlinghausen liege das Weihnachtsgeld bei 80 Prozent eines Monatsgehalts, teilte Unternehmenssprecherin Birgit Deker mit: &bdquo;Sonderzahlungen wie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld sind fester Bestandteil unserer Corporate Benefits und Ausdruck unserer Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitenden.“ Die mehr als 960 Beschäftigten der Sparkasse Bielefeld erhalten kein klassisches Weihnachtsgeld und auch kein Urlaubsgeld, dafür aber eine ausgesprochen großzügige einmalige &bdquo;Sparkassensonderzahlung“, wie Sparkassen-Sprecherin Rabea Giersch mitteilt. Die Zahlung beruhe auf dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TvöD) und werde im November ausgezahlt – in Höhe von knapp 1,83 Monatsgehältern zusätzlich zum November-Gehalt. An der Sparkassensonderzahlung habe sich im Prinzip nichts verändert, außer, dass sie aufgrund der Tariferhöhung leicht gestiegen sei. Die Volksbank in Ostwestfalen zahlt fast allen ihrer 1.315 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen vor Weihnachten ein volles Monatsgehalt zusätzlich, erklärt Bank-Sprecher Jan Kleinheinrich. Die Höhe sei unter anderem davon abhängig, ob die Beschäftigten bis zum Jahresende angestellt waren. Das zahlt Bethel den Beschäftigten Für den bundesweit tätigen Sozialdienstleister Bethel mit mehr als 25.000 Mitarbeitende an über 300 Standorten in acht Bundesländern gelten unterschiedliche Arbeitsrechtsregelungen und Tarife, wie Kommunikations-Chef Johann Vollmer betont. &bdquo;In den meisten Regelungen sind auch Sonderzahlungen wie Weihnachtsgeld vorgesehen“, erklärt Vollmer. Zum Teil würden Sonderzahlungen in Höhe eines vollen 13. Monatsgehaltes geleistet, allerdings verteilt auf Juni und November. Zum Teil gebe es eine Staffelung nach Vergütungsgruppen – untere Gehaltsgruppen erhalten im November 90 Prozent eines Monatslohns zusätzlich, obere Gehaltsgruppen nur 60 Prozent. Gewerkschaft: Mini-Jobber haben Anspruch auf Weihnachtsgeld Das sind die Regelungen der Stadt Bielefeld Der größte Arbeitgeber des Oberzentrums, die Stadt Bielefeld, beschäftigt derzeit fast 7.200 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Von den 5.686 Tarifbeschäftigten der Stadt bekommen gut 90 Prozent mit der Gehaltszahlung für November eine Jahressonderzahlung, wie Carla Winkenjohann aus dem Rathaus berichtet: Die Zahlung sei gestaffelt nach Entgeltgruppe und betrage zwischen 51,8 und 84,5 Prozent. Eine große Gruppe allerdings gehe leer aus, und zwar die 1.510 städtischen Beamten. Deren &bdquo;Weihnachtsgeld“ ist demnach ganz unweihnachtlich bereits in der monatlichen Besoldung inbegriffen. Den kommunalen Beamten geht es damit genauso wie tausenden Lehrern, Polizistinnen oder Richtern, die als Landesbeamte in Bielefeld arbeiten. Weihnachtsgeld für alle Beschäftigten bei Piening &bdquo;Bei Piening Personal erhalten auch 2025 alle rund 5.500 Mitarbeitenden Weihnachtsgeld“, berichtet Nils Ortmann als Sprecher des Zeitarbeitsunternehmens Piening. Interne Mitarbeitende erhalten standardmäßig 13 Monatsgehälter, aufgeteilt auf Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld, so Ortmann. Für Beschäftigte im Kundeneinsatz gelten demnach die Vorgaben des Tarifvertrags der Branche (iGZ), es dürfte in der Regel allerdings deutlich geringer ausfallen als ein Monatsgehalt. Der Fenster- und Türenspezialist Schüco, der unter der anhaltenden Bauflaute leidet, teilte mit, dass &bdquo;allen Mitarbeitenden, deren Arbeitverhältnis tariflich geregelt ist“, auch 2025 Weihnachtsgeld gezahlt werde. Dies geschehe &bdquo;entsprechend der Regelung des angewandten Tarifvertrags“, so Schüco-Sprecherin Sandra Greiser. Änderungen wegen der aktuellen Krise gebe es nicht. Die Handwerkskammer OWL zahlt ihren 180 Beschäftigten ein Weihnachtsgeld in Höhe eines festen prozentualen Anteils eines Monatsgehalts – und zwar nach &bdquo;seit Jahren etablierten“ Regeln, so Ulrike Wittenbrink. Auch bei der Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen (IHK) ist Weihnachtsgeld ein fester Bestandteil der arbeitsvertraglichen Regelungen, wie IHK-Sprecher Jörg Deibert sagt. Die rund 200 IHK-Beschäftigten erhalten ein halbes Monatsgehalt als Weihnachtsgeld.

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