TV-Star und Autor Charly Hübner spricht in Bielefeld übers Aufwachsen zwischen zwei Welten

Bielefeld. Ein Abschluss mit Paukenschlag: Zur letzten Veranstaltung der 30. Literaturtage kam Schauspieler Charly Hübner – doch der Begriff einer Lesung für diesen vielseitigen Abend griffe zu kurz. Obwohl Hübner mit seinem Buch &bdquo;Wenn du wüsstest, was ich weiß. . . Der Autor meines Lebens“ eine veritable Liebeserklärung an den Schriftsteller Uwe Johnson vorstellte, geriet der gut besuchte Abend zu einem facettenreichen, informativen und unterhaltsamen Ballwechsel zwischen ihm und Gastgeberin Angelika Teller. Das lag vor allem daran, dass die Organisatorin der Literaturtage mit dem Schauspieler eine DDR-Sozialisation verbindet. Es war Lehrstück und Vergnügen, beide dabei zu beobachten, wie sie in Prägung, Passion für Johnsons Werk und Literaturleidenschaft übereinstimmten. Und all’ das zu einem bunten, gehaltvollen Cocktail verquirlten. Johnsons literarisches Genie spielte dabei eine wichtige Rolle. Etwas unscharf sei dieser immer als &bdquo;Chronist eines geteilten Landes“ beschrieben worden, fanden beide. Dabei habe der früh aus der DDR Geflohene weltmännisch aus dem fernen Sehnsuchtsort New York geschrieben, dies dann mit einer Familiensaga in Mecklenburg verwoben. Hübners Werdegang in einer untergehenden Welt Mit seiner geschliffenen, präzisen Sprache machte Johnson auf den jungen Mann, der von seinem regimetreuen Vater aus dem Neustrelitzer Elternhaus gewiesen worden war, riesengroßen Eindruck. Der kritische Geist Johnsons kam dem heimatlos gewordenen 19-Jährigen, den aber schon bald der Sturz der Mauer rettete und den Weg in den Westen ebnete, gerade recht. Er traf die Lebens- und Gefühlswelten der Wende-Jugend genau, so Hübner, und: &bdquo;Er nahm sich mit seinen Büchern alle Freiheiten heraus, auf die seine Landsleute verzichten mussten.“ Lesen Sie auch: Charly Hübner und Caren Miosga lesen Uwe Johnson Freilich vom sicheren Westen aus – Johnson emigrierte 1959 und starb nur 49-jährig 1984 in Kent/England. Trotzdem hinterließ der Erzähler, der seinen Figuren in fast jedem seiner Bände ein Weiterleben gewährte, ein bedeutendes Werk und Briefwechsel mit vielen klugen Köpfen seiner Zeit. Charly Hübner begann seine Liaison mit dem verstorbenen Schriftsteller mit der Lektüre der &bdquo;Jahrestage“, jenes Opus Magnum, das Johnson mit Band 4 erst 1983 fertigstellte. Hübner war fasziniert von dessen Tagebuchstruktur und der besonderen assoziativen Sprache, die ihm so noch nicht untergekommen war. Viel später las der inzwischen erfolgreiche Schauspieler es gemeinsam mit Moderatorin Caren Miosga als Hörbuch ein. Und schließlich schrieb er das Buch, von dem er auf der Bielefelder Lesebühne sagt: &bdquo;Ich fand mich die ganze Zeit über anmaßend, dass ich über so einen Großgeist schreibe.“ Aber er schreibt ja auch über seinen eigenen Weg, seine Welt in der untergehenden DDR und das Elternhaus, in dem &bdquo;das Lesen nicht selbstverständlich war“. &bdquo;Schön hier bei ?Ihnen in Bielefeld“ Hübner plauderte über sein literarisch grundiertes Coming-of-Age und erzählte die Geschichte einer Weltaneignung qua Literatur, was in der medialen Kakophonie unserer Zeit herzerwärmend nostalgisch klingt. Angelika Teller steuerte unaufdringlich ihre Ost-Prägung bei, was die beiden da auf der Bühne enger zusammenrücken ließ. &bdquo;Schön hier bei Ihnen in Bielefeld“, entfuhr es Hübner zu vorgerückter Stunde beim Plaudern und (gelegentlichen) Lesen. Und man nahm ihm das spontan geäußerte Wohlbefinden sofort ab. Zwischendurch kam auch die Politik ins Spiel: &bdquo;Wir sind im Osten mit der Illusion aufgewachsen, dass bei uns anständig entnazifiziert wurde“. Panoramen einer Spitzelgesellschaft entstanden da vor dem geistigen Auge. Anschaulich vermitteln konnten Johnson, Hübner und auch Teller, was es bedeutet, in unüberwindbaren Grenzen zu leben – physischen wie geistigen. Und welche Befreiung es bedeutet, sich daraus zu lösen. Das könnte Sie auch interessieren: Bielefelder Literaturtage: Edgar Selges Kindheit zwischen Liebe und Gewalt &bdquo;Das sind ganz schöne Fan-Hudeleien, die wir hier betreiben“, sagte Hübner irgendwann. Ja, aber sehr nachdenkenswerte, erlauben sie dem verwöhnten Wessi einen Blick auf den Riss (die Grenze), der Leben zerstörte. Das war ein würdiger Abschluss dieser sehr erfolgreichen Reihe, musikalisch treffend kommentiert von Valentin Katter (Gesang, Trompete) und Henning Rice (Klavier). 📱 News direkt aufs Smartphone: Hier finden Sie den kostenlosen Whatsapp-Kanal der NW-Bielefeld

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