Jesuiten-Mief und Love Stories: Büren wird zur Romanvorlage

Büren. Im Roman heißen sie Marion, Ulrike und Susanne – in Wirklichkeit natürlich anders. Sie waren Bürener Mädchen, in die sich der Schüler “Cäsar” aus dem Jesuiten-Internat verknallte. Es war die Zeit, als Sünden gebeichtet werden mussten, junge Leute bunte Schlaghosen trugen und man nur über Festnetz telefonieren konnte – um 1970. Der etablierte Schriftsteller Claus Cornelius Fischer (Jahrgang 1951, gestorben 2020) verewigte Jahrzehnte später seine Pubertätszeit mit unglücklichen “Love Stories” in einem temporeichen Roman mit dem Titel “Disco Old Germany” – der Name des damals bekannten Tanzschuppens in Bürens Burgstraße. Der Ich-Erzähler des Romans kommt dem damaligen Internatler aus dem so genannten “Kasten” (2008 abgerissen) wahrscheinlich recht nahe. In der Erinnerung von Mitschülern taucht “Cäsar” als jugendlicher Intellektueller wieder auf. Schon früh wollte Fischer – wie im Roman – Schriftsteller werden. Er lebte damals mit Büchern, Kino und Musik, nicht mit dem Schulstoff. Der Mauritianer erprobte sich seinerzeit in der Schülerzeitung “Improvisation” und leitete den Filmclub des Gymnasiums – bis zum vielleicht gerade noch gemeisterten Abitur 1972. Autor inszeniert sich als &bdquo;Ritter von der traurigen Gestalt“ Fischers Roman, platziert in Ausläufer der Hippie- und Protest-Generation in dieser konservativen Kleinstadt, setzt das jugendliche Lebensgefühl facettenreich in Szene. Der überhöhte Held, in der Fantasie längst eines seiner künstlerischen Vorbilder, scheitert schon am ersten Kuss, gibt aber niemals auf. Der Autor inszeniert sich im Rückblick auf seine Bürener Zeit stilsicher als &bdquo;Ritter von der traurigen Gestalt“, wie ihn der damalige Jesuiten-Superior im Buch beschreibt. Seinen “Cäsar” holt Fischer aus Filmgeschichten und musikalischen Vorlagen mit eleganter Selbstironie immer wieder in die Realität zurück. Die Pointen sind gekonnt platziert. Die Bürener Burgstraße wird im Roman zum Laufsteg für unbeholfene Liebesgeschichten. Sie spielen zwischen den seinerzeit bevorzugten Gaststätten: “Wellen war näher als Gödde-Menken oder Stümpel und nicht so zwielichtig wie Mischen Änne, wo amerikanische GIs und belgische Soldaten . . . Billard spielten und mit Stoff dealten”. Auch das Café Finkeldei und “Feinkost Starke” erleben literarisch ein Comeback. Die 1969 eröffnete Discothek “Old Germany” erreicht erst im letzten Teil die Romangeschichte. Lesen Sie auch: Karriere eines bekannten deutschen Journalisten beginnt im Gasthof in Büren Ehemalige Lehrer und auch einzelne Personen treten im Roman teilweise mit Echt-Namen auf und werden treffend beschrieben. Das bürgerliche Büren bannt Fischer unter anderem in einen Dialog zwischen seinem Helden und dem damals stadtbekannten Imbissbuden-Besitzer Otto Merschmann. Dieser führt “Cäsar” vor Augen, warum er dessen Provokation in der Tageszeitung an den Schützen mit ihren Holzgewehren allein aus geschäftlichen Erwägungen ablehnen muss – und wie der Pommesmann auf seine Weise Luft ablässt. Die Spielchen des Bürener Jesuitenpaters Der Autor gewährt seinen Lesern auch Einblicke in Elternhäuser seiner Angebeteten. Wenn Fischer im Haus des Bürener Polizeichefs einen Jesuitenpater zum Teilnehmer eines alkoholisierten Spiels macht, mag das auch ein Stück späte Rache an der körperlichen wie physischen Gewalt sein, die damals durchaus ausgeübt wurde und die noch weitgehend akzeptiert war. Lesen Sie auch: Großer Rückblick: Als Büren 800 Jahre alt wurde Der Schriftsteller Fischer kam vor etwa zehn Jahren noch einmal zurück nach Büren, um für sein geplantes Werk vor Ort nachzurecherchieren. Er traf sich dabei auch mit früheren Freunden und Bekannten. In der Stadt ist sein 2023 posthum erschienener Roman längst Gesprächsthema. Es dürfte weiter gemunkelt und gerätselt werden, wer seine Romanfiguren wohl in der Wirklichkeit waren.

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