Müllproblem wird immer schlimmer: Bielefelder filmt Plünderer vor Altkleidercontainer

Bielefeld. &bdquo;Was hier nachts passiert, das glaubt mir keiner“, sagt Gerald F., &bdquo;aber ich habe es gefilmt!“ Es sind nur wenige Sekunden, und in den ersten kämpft die Handykamera mit dem Scharfstellen auf das kleine Licht in fast völliger Finsternis. Dann aber findet der Autofokus sein Ziel, und plötzlich erscheint eine männliche Gestalt im Bild. Die hält in der einen Hand eine Taschenlampe und wühlt mit der anderen in der ausrangierten Kleidung, sucht ganz offenbar nach tauglichen Textilien. Mitten in der Nacht in der Wohnsiedlung Am Dreierfeld in Bielefeld-Heepen. Dort steht seit vielen Jahren die beliebte Container-Kombi für Altglas und Altkleider, erzählt F. Seien die Stahlkisten randvoll mit den Wertstoffen, dann scheue sich das meist mit Autos vorfahrende Publikum nicht, weitere Tüten rund um die Container zu drapieren. Wobei: &bdquo;Früher waren es Tüten, heute liefern die Leute eher säckeweise ihre alten Sachen ab.“ Und niemand scheint gewillt, seine Altlasten wieder mit nach Hause zu nehmen oder einen der anderen 160 Standorte in der Stadt aufzusuchen. Und das jüngste Phänomen seien eben die nächtlichen Plünderer: &bdquo;Die reißen die Säcke auf, wühlen sich durch die Sachen und finden vielleicht etwas Brauchbares – danach aber fliegt alles in der Gegend herum.“ Containern 2.0. Früher stöberten selbst ernannte Lebensmittelretter in den Containern von Supermärkten und mussten prompt noch büßen für ihre gut gemeinte Tat, wenn jemand das Delikt zur Anzeige brachte. Heute wühlen ungebetene Gäste in fremder Wäsche, und falls sie jemand anspreche, so hagle es Beschimpfungen und Drohungen. Video: Mann durchwühlt in der Nacht Altkleider in Bielefeld &bdquo;Saubere Stadt“ kostet Bielefeld 1,2 Millionen Euro Damit sei die nächste Eskalationsstufe erreicht, sagt F. An die Sack-Sammlungen habe man sich mittlerweile ebenso gewöhnt wie an alte Fernseher oder Stühle, Polstergarnituren oder Schränke, die als illegal entsorgter Hausschrott das Bild vom Müll-Idyll komplettieren. Noch am vergangenen Dienstag hatte F. die Relikte einer Renovierung fotografiert und an diverse Ämter geschickt – am Mittwochmorgen waren sie dann verschwunden: weggeräumt vom Team &bdquo;Saubere Stadt“, der schnellen Reinigungsgruppe des städtischen Umweltbetriebes UWB. &bdquo;Die Kosten für die Arbeitsgruppe &bdquo;Saubere Stadt“ lagen 2024 insgesamt bei 1,2 Millionen Euro“, erklärt Malin Stuckmann, Pressesprecherin des UWB. Die Mitarbeitenden hätten im vergangenen Jahr rund 1.066 Tonnen Müll eingesammelt, wobei das Gros zu den illegal entsorgten Abfällen gehört habe. Die Menge bewege sich seit Jahren auf einem konstant hohen Niveau, wobei ein leichter Anstieg zu beobachten sei: 2017 waren es noch 700 Tonnen, eine Zunahme in acht Jahren um 66 Prozent oder zwei Drittel. Zum Thema: &bdquo;System bis Ende des Jahres tot“: Altkleidercontainer in OWL werden abgebaut Während der wilde Sperrmüll massiv Kosten verursacht, entweder der Allgemeinheit durch steigende Gebühren oder auch einzelnen Hausgemeinschaften durch erhöhte Nebenkosten, so handelt es sich bei den Textilien vor den Containern um die blanke Vergeudung von Ressourcen: &bdquo;Legen Sie bei einem überfüllten Container bitte keine Säcke oder gar lose Kleidung vor den Containern ab“, appelliert Clemens Pues, kaufmännischer Betriebsleiter des UWB und Recyclingprofi. &bdquo;Die Textilien verschmutzen in der Folge und müssen kostenpflichtig entsorgt werden. Bitte nehmen Sie daher in so einem Fall Ihre Textilien unbedingt wieder mit nach Hause.“ Karitative Altkleidersammler in Bielefeld am Limit &bdquo;Uns ist bewusst, dass viele Alttextilcontainer derzeit oft überfüllt sind. Es ist jedoch so, dass viele der gemeinnützigen Organisationen, die in Bielefeld die Container betreuen, bereits an ihrer Auslastungsgrenze sind und die Container nicht noch häufiger leeren können“, sagt Pues. Lesen Sie auch: &bdquo;Keine Hemmungen mehr“ – Müll-Chaos an OWL-Altkleidercontainern kostet Millionen Der Markt für gebrauchte Textilien liege seit geraumer Zeit am Boden, erklärt der Fachmann. Durch den Krieg in der Ukraine seien die Absatzmärkte im Osten vorerst weggefallen und China flute den globalen Süden mit eigener Fast-Fashion-Ware, da sei Secondhand aus Europa wenig attraktiv. Verkompliziert wird das Sammeln durch eine seit Januar gültige EU-Richtlinie, die per Gesetz zum getrennten Sammeln von Textilien verpflichtet. Doch trotz der angespannten ökonomischen und verklausulierten juristischen Situation sehe es in Bielefeld noch sehr gut aus: Während sich in anderen Städten diverse Entsorger bereits zurückgezogen hätten, was mit einem Abbau von Containern einhergehe, sei die Lage in Bielefeld weiterhin stabil: Die fünf karitativen Verbände (DRK, ASB, JUH, Bethel und Kolping) verantwortlich fürs Leeren der Altkleidercontainer und die Pflege der Sammelplätze, würden sich alle im Rahmen ihrer Möglichkeiten weiter engagieren. Eigene Aufräummannschaft gegen illegale Entsorgung &bdquo;Wir unterhalten sogar eine eigene Aufräummannschaft, die an den rund 30 Standorten immer wieder die beispielsweise in Säcken abgestellte Kleidung auf unsere Rechnung entsorgt“, sagt Ingo Schlotterbeck, Geschäftsführer vom Arbeiter-Samariter-Bund in OWL. Denn die verschmutzten und in dieser Jahreszeit auch nassen Textilien seien nicht mehr recycelbar und gelangten dann doch im Restmüll, was den Recycling-Gedanken konterkariere. Es sei eine Sisyphosarbeit, weil es kurz danach wieder aussehe wie vorher. Und das bei besagten schwindenden Margen. Konnten seinerzeit knapp 150 Euro pro Tonne Alttextilien erzielt werden, sei der Preisverfall bei einem Drittel angekommen. Das spüre auch der Abnehmer &bdquo;FairWertung“, mit dem der ASB über die Brockensammlung von Bethel kooperiere. Und über das Bielefelder Netzwerk &bdquo;Kleiderwelle“ gelangen Interessierte zu Bielefelds Online–Karte mit den 160 Sammelstellen – ein Container findet sich immer. 📱 News direkt aufs Smartphone: Hier finden Sie den kostenlosen Whatsapp-Kanal der NW-Bielefeld

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