Automobilzulieferer Gestamp droht erneut massiver Stellenabbau in Bielefeld

Bielefeld. Die Situation im Hause Gestamp ist schlecht – wieder einmal. Die gute Stimmung von vor zwei Jahren, als nach jahrelangen Negativschlagzeilen die Firmenleitung wieder auf Kooperation mit Betriebsrat und Gewerkschaft gesetzt hatte, scheint Geschichte. &bdquo;Unser Arbeitgeber kehrt zu alten Gewohnheiten zurück“, sagt Betriebsratschef Murat Dogan bitter. Gemeint sind die Forderungen nach massivem Personalabbau und mangelnde Gesprächsbereitschaft. 150 Mitarbeitende sollen dieses Mal in Bielefeld-Brackwede gehen. Die Krise in der Automobilbranche macht dem zweitgrößten Industriebetrieb Bielefelds ohne Zweifel zu schaffen. Gestamp Umformtechnik stellt Produkte für Pkw, Nutzfahrzeuge und Elektromobilität her. Bereits im Sommer 2024 war Kurzarbeit angemeldet worden, die im Januar auf bis zu 50 Prozent ausgeweitet worden war. Seit Juni ist diese aber komplett ausgesetzt worden. &bdquo;Die Probleme der Branche sind real“, sagt Oguz Önal, 1. Bevollmächtigter der IG Metall. Die Frage sei, wo sie im Werk Brackwede genau liegen. &bdquo;Es wird immer das Horrorszenario gezeichnet, dass die Umsätze massiv runtergehen und der Standort gefährdet ist“, sagt Murat Dogan. &bdquo;Aber die genannten Zahlen sprechen nicht die Wahrheit“, betont der Betriebsratsvorsitzende. Die Auftragslage sei wegen der breiten Produktpalette insgesamt gut, wenn auch sehr schwankend, so Dogan. Zahl der Leiharbeiter vervierfacht Für die Mitarbeitervertretung und die IG Metall sprechen viele Punkte dafür, dass die Situation nicht so dramatisch ist, wie von der Geschäftsführung darstellt. So seien derzeit knapp 120 Leiharbeiter im Betrieb beschäftigt, um die Arbeit zu schaffen. Im Januar seien es nur 30 gewesen. Trotzdem würden demnächst 82 Mitarbeiter mit befristeten Verträgen und fertige Auszubildende nicht weiter beschäftigt. &bdquo;Ihnen ist eiskalt gekündigt worden“, sagt Betriebsrat Markus Scholz. Ihre Zahl wäre im Stellenabbau von 150 Leuten dann enthalten. Önal führt die Überstunden an, die im Betrieb geleistet werden – offensichtlich zum Teil auch ohne Zustimmung des Betriebsrates. Ebenfalls ein wiederkehrendes Thema. Im Jahr 2024 seien mehr als 10.000 Überstunden nur an Wochenenden geleistet worden, in diesem Jahr stünden bereits mehr als 7.000 Stunden an Wochenenden auf der Uhr. &bdquo;Das sind im Hinblick auf Personalabbau eine Reihe von Widersprüchen“, sagt der Gewerkschafter. Blick zurück: Nach Riesenknall 180-Grad-Wende bei Gestamp in Bielefeld &bdquo;Immer nur über Personalabbau zu reden, reicht nicht“, kritisiert Oguz Önal. &bdquo;Wir sehen eine fehlende Strategie und Zukunftsperspektive.“ Es brauche eine vorausschauende Planung für den Bielefelder Standort. Denn: &bdquo;Industriearbeitsplätze, die einmal weg sind, kommen auch nicht wieder.“ Nicht mehr auszubilden sei im Gesamtzusammenhang eine unverständliche Reaktion. Zumal der Altersdurchschnitt bei Gestamp weit jenseits der 40 liegt. Die Ausbildungswerkstatt, die in der Region einen exzellenten Ruf genoss, sieht im 60. Jahr ihres Bestehens tatsächlich keinen neuen Ausbildungsjahrgang mehr. 2022 hatte die Ausbildung bereits einmal auf der Kippe gestanden. Interview zum Thema: Autobranche in OWL leidet – welche Wege gibt es aus der Krise Kein Stellenabbau in der Produktion .responsive23-fcP3AKu97EQwH23Q-map-map { width: 100%; padding-top: 100%; } @media (max-width: 600px) { .responsive23-fcP3AKu97EQwH23Q-map-map { padding-top: 100%; } } @media (max-width: 360px) { .responsive23-fcP3AKu97EQwH23Q-map-map { padding-top: 142.86%; } } Abgebaut werden sollen die Stellen jetzt nach den Worten des Betriebsrates in &bdquo;indirekten Bereichen“ wie etwa Logistik, Instandhaltung, Forschung und Entwicklung sowie in der Verwaltung. Der Betriebsrat habe in den Verhandlungen versucht, den Personalabbau zu minimieren beziehungsweise so sozialverträglich wie möglich zu gestalten. Der Vorschlag sei gewesen, 30 Mitarbeitende in die Produktion zu versetzen und damit die Zahl der Leiharbeiter zu minimieren, 30 bis 50 Beschäftigten über eine Transfergesellschaft eine Brücke in die Rente zu bauen, bis zu 20 Arbeitsplätze durch natürliche Fluktuation abzubauen. Somit wäre, nach den Worten von Thomas Schlingmann, Rechtsbeistand des Betriebsrates, eine geringe Zahl von Mitarbeitern übrig geblieben, die tatsächlich eine betriebsbedingte Kündigung erwarten müsste. &bdquo;Wir dachten, wir hätten einen Kompromiss“, schildert Betriebsratschef Dogan. Es sei aus seiner Sicht eigentlich nur noch um die Frage gegangen, wann die Versetzungen stattfinden sollten. Dann habe jedoch plötzlich der Arbeitgeber am 30. Juli die Verhandlungen für gescheitert erklärt. &bdquo;Ich weiß nicht, wer dazwischen gegrätscht ist“, so Murat Dogan. Auch interessant: Diesen Unternehmen verdankt Bielefeld einen Top-Platz im Wirtschaftsranking Dauerstress seit Werks-Übernahme von Thyssen Der spanische Konzern Gestamp hatte 2011 den Brackweder Standort von Thyssen-Krupp übernommen. Nicht lange danach begannen die regelmäßigen Auseinandersetzungen mit Betriebsrat und Gewerkschaft. Der &bdquo;Zukunftstarifvertrag“ von 2015 war hart erkämpft. Die Belegschaft hatte damals für fünf Jahre auf Teile des Tariflohns verzichtet, um Investitionen von mehr als 90 Millionen Euro in den Standort zu ermöglichen. Die vereinbarte Rückzahlung hatte in der Folge ebenfalls hart erstritten werden müssen. Seit 2017/18 wird auch immer wieder über Stellenabbau verhandelt. Vor zehn Jahren hatte der Betrieb noch rund 1.400 Mitarbeitende, gegenwärtig sind es nur noch knapp mehr als 1.000. Jetzt treffen sich die Beteiligten am Donnerstag, 6. November, vor der Einigungsstelle des Arbeitsgerichtes Bielefeld. Oguz Önal hofft, dass die aufgezeigten Widersprüche und die genannten Alternativen helfen, einen guten Interessenausgleich für die Arbeitnehmer zu erzielen. Arbeitsgericht setzt Einigungsstelle ein Und was sagt die Geschäftsführung zu all dem? &bdquo;Wie zu erwarten, stimmen wir den Schilderungen des Betriebsrats nicht zu“, erklärt Geschäftsführer Jesus Taboada auf Anfrage der NW. Nicht ohne Grund habe das Arbeitsgericht Bielefeld dem Antrag auf Einsetzung einer Einigungsstelle stattgegeben. Vor Abschluss des Verfahrens werde es aber keinerlei inhaltliche Stellungnahme zum Abbau von 150 Stellen und der Strukturanpassung geben. &bdquo;Dies gebührt auch dem Respekt vor dem Verfahren und dem Vorsitzenden der Einigungsstelle“, sagt Taboada. 📱 News direkt aufs Smartphone: Hier finden Sie den kostenlosen Whatsapp-Kanal der NW-Bielefeld

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