Bielefelder Frauennotruf hilft seit 25 Jahren, wenn andere wegschauen - auch in vielen Sprachen

Diese Zahl muss man auf sich wirken lassen – 2.333 Mal wurde der Frauennotruf Bielefeld bei erlittener sexualisierter Gewalt von insgesamt 411 Personen allein im Jahr 2024 in Anspruch genommen. Telefonisch, online oder in der persönlichen Begegnung zwischen Betroffener (in 95 Prozent der Fälle sind es Frauen, die Täter Männer) und einer Beraterin. Das Dunkelfeld nicht thematisierter oder angezeigter Taten dürfte weitaus größer ist. Man könnte fragen: Was ist los mit unserer Gesellschaft, die immer häufiger einen Rückfall in überholt geglaubte frauenfeindliche Strukturen aufweist, von denen Gewalt ein Symptom ist? Besondere kulturelle Sensibilität erfordert der Umgang mit von Gewalt betroffenen Menschen mit Zuwanderungsgeschichte. Ihnen fällt es oft wegen familiärer oder kultureller Hemmnisse zusätzlich schwer, erlittene sexualisierte Gewalt zu thematisieren und sich Hilfe zu suchen. Ein problematischer Ehrbegriff, ein familiäres Schweigegelübde oder &bdquo;die Angst, das Nest zu beschmutzen“, verhinderten, dass sich Frauen Hilfe suchen, schildern die Expertinnen des Bielefelder Frauennotrufs. Wie bei Betroffenen aus deutschen Kontexten auch gebe es bei den zugewanderten Frauen ein ausgeprägtes Gefühl von Mitschuld am Erlittenen. &bdquo;Dieses Dilemma findet sich bei allen Herkünften“, so Melanie Rosendahl,. Leiterin des Frauennotrufs für Frauen ab 16 Jahren mit seiner 40-jährigen Geschichte in Bielefeld. In der sogenannten &bdquo;Flüchtlingskrise“ kamen zudem auf der Flucht erlittene Traumata hinzu. Gespräche in eigener Sprache gibt Sicherheit und Halt Bis zum Jahrtausendwechsel fehlte in Bielefeld eine Anlaufstelle speziell für Frauen mit migrantischen Wurzeln, die sich in der deutschen Sprache gar nicht oder nur unsicher ausdrücken konnten. Im Jahr 2000 führte diese Beobachtung beim Frauennotruf zum Aufbau eines ganz besonderen Arbeitsbereiches: Heute können die Mitarbeiterinnen 25 Jahre muttersprachliche Beratung feiern. Lesen Sie auch: Missbraucht, schwanger, überfordert – Frauen kämpfen in Bielefeld um ihr Mutterglück Sie bieten sie auf Englisch, Russisch, Türkisch und Polnisch an. In weiteren, auch exotischeren Fremdsprachen, können die Fachberaterinnen Jana Freese und Nadezhda Khramova auf externe Übersetzerinnen zurückgreifen. &bdquo;Die Dynamik eines Gesprächs ist in der muttersprachlichen Beratung eine andere. Hier geht es um kulturelle Nuancen. Der Erzählstil ist von Sprache zu Sprache ein anderer, da unser Denken durch die Sprache strukturiert ist. In der Beratung geben sie uns wichtige Hinweise, was für die Ratsuchende hilfreich und heilend sein kann“, schildert Pädagogin Jana Freese, die sich zur Traumapädagogin weiterqualifiziert hat. Die Gespräche in den Muttersprachen durchführen zu können, biete den Frauen Sicherheit und Halt, das Gefühl, angenommen und richtig verstanden zu werden. &bdquo;Sonst kann es zur Benachteiligung von Betroffenen kommen, weil Erzähltes nicht korrekt verstanden und eingeordnet wird“, erklärt Rosendahl. Die Psychologin kam 2000 dazu. Im gleichen Jahr startete der Frauennotruf in der Rohrteichstraße mit dem Angebot der fremdsprachlichen Beratung. &bdquo;Wir sind natürlich auch einfach da und hören zu“ Einst gegründet aus einem Kreis selbst von sexualisierter Gewalt betroffener Frauen aus dem Uni-Umfeld habe sich beim Notruf vieles weiter professionalisiert. &bdquo;Heute bieten wir die Vermittlung von Anwälten und Prozessbegleitung für Frauen an, die den Täter anzeigen und vor Gericht bringen wollen, eine sehr aufwendige und emotional belastende Situation“, so Rosendahl. Außerdem natürlich die Sicherung von Spuren, etwa nach einer Vergewaltigung, die Vermittlung von medizinischen, psychologischen und sozialen Hilfen, finanzieller Unterstützung, zunächst aber die Aufklärung über die eigenen Rechte. Die Verabschiedung des &bdquo;Gewalthilfegesetzes“ am 25. Februar dieses Jahres im Bundestag sei &bdquo;ein gewaltiger Meilenstein“ gewesen, so Rosendahl. Das könnte Sie auch interessieren: Bielefelder Missbrauchsopfer entsetzt: Fonds für Betroffene wird eingestellt Sie ergänzt: &bdquo;Natürlich sind wir einfach niedrigschwellig da und hören zu.“ Manchmal kämen Frauen zu Anfang ein oder zweimal die Woche. Es gehe hier zunächst um Stabilisierung. Langfristig könne in eine geeignete Therapie vermittelt werden. Infos zum Frauennotruf geben Broschüren und Flyer, die im Rathaus, in Schulen, Jobcentern, bei Frauenärzten und in Kliniken ausliegen, außerdem im Internet. Um fremdsprachige Frauen zu erreichen, vernetze man sich zudem mit den Quartiersaktiven und Stadtteilmüttern. Die Formen der Gewalt – neben Vergewaltigung und Missbrauch auch Stalking und verbale Belästigung – habe sich im digitalen Raum &bdquo;erweitert“. Ein Beispiel: Schon jugendliche Täter, die unbefangen sogenannte &bdquo;Dickpics“ verschicken und Mädchen und Frauen online nötigen. Sie sind ein modernes Phänomen, mit dem umgegangen werden muss.

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