Spendenaufruf für alle Opfer

Nach Messeranschlag in Bielefeld: „Cutie“-Lebensretter Chris besucht Pokalfinale

Arminia-Ultra Chris war beim Bielefelder Messeranschlag eine Woche vorm Pokalfinale lebensgefährlich verletzt worden. Nun war er selbst im Stadion. Unterdessen ist eine Spendenaktion gestartet worden.

Mit verschiedenen Plakaten und Bannern wünschen die Fans im Berliner Olympiastadion Chris gute Besserung. Nicht alle dürften gewusst haben, dass der 26-Jährige auch im Stadion ist. | © Teresa Kroeger

27.05.2025 | 27.05.2025, 16:54

Bielefeld. „Wahrer Mut ist, wenn man für andere alles riskiert!“ Dieses Banner im Berliner Olympiastadion hatte nichts mit dem großen Pokalfinale und der Unterstützung der Fans ihrer Arminia zu tun. Dieses Banner galt Chris, dem 26-jährigen Lebensretter, der am Morgen des 18. Mai trotz eigener Verletzung den Messerattentäter Mahmoud M. vor dem „Cutie“ anging und womöglich mit seiner selbstlosen Tat weitere unschuldige Opfer verhinderte. Obwohl er bei diesem Angriff lebensgefährlich verletzt wurde, hat er es innerhalb nur weniger Tage von der Intensivstation ins Olympiastadion geschafft.

Wie aus Fankreisen zu erfahren war, wurde der 26-Jährige vor dem größten Spiel des Jahres per Krankentransport nach Berlin gefahren, wo der große Fan doch noch das einmalige Finalerlebnis seiner Mannschaft verfolgen konnte. Seine Jungs von der Südtribüne hatten mehrere Banner und Fahnen vorbereitet, die ihm gewidmet waren: „Heute alles für Dich, Chris“, war da zu lesen, „Gute Besserung, Chris“ oder auch mal etwas martialischer „Krieger Chris“. Und dann „Selbstlos gehandelt, Größe gezeigt. Unsere Werte in deinen Taten. Kämpfer Chris!“

Die meisten seiner Ultra-Kumpels hatten vermutlich nicht damit gerechnet, dass es dem 26-Jährigen inzwischen so gut gehen würde, dass sie ihm ihre Wünsche persönlich überbringen konnten. Als der Capo (Vorsänger) seine Kurve vor Spielbeginn auf Chris hinwies, der sich aus seinem Rollstuhl erhob und an einem Geländer festhielt, jubelte ihm die ganze Bielefelder Kurve zu. Auch sein eigener Anwalt, der Bielefelder Strafrechtsexperte David Volke, war ebenfalls überrascht, dass er den 26-Jährigen im Olympiastadion begrüßen durfte: „Das war schon ein sehr emotionaler Moment.“

Unterstützung nicht nur für die Manschaft. Große Gesten auch für den Lebensretter vom Cutie. - © imago/Noah Wedel
Unterstützung nicht nur für die Manschaft. Große Gesten auch für den Lebensretter vom Cutie. | © imago/Noah Wedel

Der 26-Jährige war begleitet von Sanitätern und mit hochgelagertem Bein sogar im Block seiner Ultras, er konnte von den Rollstuhlplätzen aus das Spiel der Spiele verfolgen.

Genesungsgrüße von Stuttgart- und Hertha-Ultras

Auch auf der anderen Stadionseite gab es Genesungswünsche: In der Stuttgarter Kurve war zu lesen: „Respekt, viel Kraft und gute Besserung allen betroffenen Arminia-Fans.“ Vor dem Bielefelder Stadionzugang hatten Fans von Hertha BSC Berlin ein Banner platziert mit den Worten „Gute Besserung allen betroffenen Ultras!“

Zum Thema: „Chris geht es besser“: Schwerstverletzter Arminia-Bielefeld-Fan dankt seinen Rettern

Neben Chris soll noch mindestens ein weiterer Arminia-Fan unter den Opfern sein. Beide sollen zusammen mit Freunden auf den Täter losgegangen sein, um andere Menschenleben zu retten. Der Täter hatte aber nicht nur Fußballfans attackiert. Die ersten seiner Opfer waren ganz normale Besucher, das berichtet „Cutie“-Besitzer Hendrik Wortmann. „Das wird beim Blick auf die Tat immer ein wenig vergessen.“

Ein Opfer stammt wie der Täter aus Harsewinkel

So wurde auch ein 22-jähriger „Cutie“-Besucher aus Harsewinkel – zufälligerweise auch aus dem Wohnort des Täters – bei dem Messeranschlag schwer verletzt. „Er hat überhaupt keinen Bezug zum Fußball. Er scherzte, dass er nicht mal Abseits erklären könnte“, erinnert sich Hendrik Wortmann, der inzwischen vier der fünf Betroffenen im Krankenhaus besucht hat. Obwohl Täter und Opfer aus dem gleichen Ort kommen, kannten sie einander nicht, hieß es.

Die Anteilnahme, aber auch die Unterstützung waren groß nach Bekanntwerden des blutigen Attentats in der Bielefelder Innenstadt. - © Friso Gentsch/dpa
Die Anteilnahme, aber auch die Unterstützung waren groß nach Bekanntwerden des blutigen Attentats in der Bielefelder Innenstadt. | © Friso Gentsch/dpa

Wortmann ist immer noch entsetzt, was an jenem Sonntagmorgen vor seinem Laden passiert ist. In einem ersten Social-Media-Beitrag hatte er den selbstlosen Rettern einen großen Dank ausgesprochen, dafür, dass sie ohne Rücksicht auf ihre Gesundheit Schlimmeres verhindert haben (neben Chris wurde noch mindestens ein weiterer Arminia-Fan beim Angriff auf den Täter schwer verletzt). Und er dankte auch all denen, die tatkräftig Erste Hilfe geleistet hatten, bis der Rettungsdienst die Versorgung der fünf zum Teil lebensgefährlich Verletzten übernehmen konnte.

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Doch damit gibt sich der Barbetreiber nicht zufrieden: „Es tut mir unheimlich leid, was diesen jungen Leuten passiert ist.“ Teilweise kenne er schon die Eltern, die hier im Bielefelder Westen aufgewachsen seien. Wortmann berichtet von seinem letzten Besuch am Freitag: „Allen geht es wesentlich besser und sie können teilweise sogar schon wieder Scherze machen. Das hat mich sehr beruhigt.“ Doch natürlich ist die Verarbeitung der Tat längst nicht überstanden.

Spendenaktion für Opfer des Messerangriffs in Bielefeld

Um den Betroffenen ein wenig Linderung zu ermöglichen, hat Hendrik Wortmann jetzt einen Spendenaufruf bei gofundme.com gestartet: „Auch wenn man das physische und psychische Leid, das sie erlitten haben, damit nicht vollumfänglich wiedergutmachen kann, möchten wir sie zumindest dahin gehend unterstützen, dass wir Gelegenheit geben, sich solidarisch zu zeigen und für sie zu spenden.“ Er hofft, dass sie sich mit dem Geld etwas Gutes tun können, um wieder zur Ruhe zu kommen. Egal, was es sei.

Hier spenden: Die Spendenaktion für die Opfer des Messerangriffs in Bielefeld

Innerhalb weniger Stunden hatte der Spendenaufruf bereits eine vierstellige Summe erreicht. Wortmann hofft auf 10.000 Euro pro Opfer. „Wenn die nicht erreicht werden, ist es auch nicht dramatisch. Hier geht es am Ende um ein der Solidarität.“

An den Graffiti-Wänden an der Mindener Straße stehen seit Kurzem auch die Namen von Sarah, Kevin und Daniel. - © Jens Reichenbach
An den Graffiti-Wänden an der Mindener Straße stehen seit Kurzem auch die Namen von Sarah, Kevin und Daniel. | © Jens Reichenbach

Übrigens an den Graffiti-Wänden, die auf der anderen Straßenseite gegenüber der „Cutie“-Bar stehen, sind inzwischen auch die Namen Sarah, Kevin und Daniel in großen Lettern zu lesen: „Alles Gute. Fühl Dich gedrückt“ und „Viel Kraft für Dich“ ist zu lesen. In den nächsten Tagen sollen die Genesungswünsche mit allen Namen der Betroffenen komplettiert werden, ist zu hören.

Messeranschlag hat Bielefeld nicht gelähmt

Die Stadt Bielefeld stand zwar unter Schock, als der Täter seine Messer zückte. Aber er hat diese Stadt mit dem Anschlag nicht gelähmt. Im Gegenteil. Denn in Bielefeld sei die Unterstützung danach aus den verschiedensten Richtungen gekommen, sagt Wortmann. „Das zu sehen, hat mich sehr zufrieden gemacht.“ Und so stößt der Clubbetreiber mit seiner Spendenaktion den nächsten Beitrag dazu an.

Der Messeranschlag von Bielefeld: Was wir seit der Festnahme über den Fall wissen