Kinderärztemangel: Bielefelder Professor hilft im Rentenalter weiter in Kliniken aus

Bielefeld. Thomas Brune gehört zu den prominentesten Medizinern in Ostwestfalen-Lippe. Von 2011 bis 2023 leitete der Bielefelder als Chefarzt die Kinderklinik des Klinikums Lippe. Brune ist ein anerkannter Experte für Neugeborenenmedizin und Kinderkardiologie, über besondere Kenntnisse verfügt er auch in den Bereichen Intensiv- und Transfusionsmedizin. Doch als Brune die damalige Geschäftsführung des Klinikums, allzu große Einsparungen beim Personal sowie ein katastrophales Arbeitsklima kritisierte, wurden ihm Rufschädigung und das Ausplaudern von Interna vorgeworfen. Ganz ähnlich, wie es dem HNO-Experten Holger Sudhoff am Klinikum Bielefeld erging, der dort 2023 mit sofortiger Wirkung als Ärztlicher Direktor freigestellt wurde – im gleichen Jahr wie Brune in Detmold. Sudhoff machte sich selbstständig und gründete mit Kollegen eine Privatklinik in Bielefeld, das &bdquo;Kopfzentrum“. Ein Schritt, der für den etwas älteren, heute 67-jährigen Brune kaum infrage kam. Aber auch Brune wollte sich &bdquo;nicht auf die faule Haut legen“, wie er salopp sagt. Der renommierte Kinderarzt, der an der Uni-Kinderklinik Magdeburg auch noch als Professor und Hochschullehrer aktiv ist, brachte sein Know-how ein Jahr lang in das Team einer Rehaklinik für schwer kranke Kinder in Bad Oeynhausen ein. Und er lässt sich von der Berliner Personalvermittlung &bdquo;doctari“ zeitweise in Krankenhäusern einsetzen, wo es personell gerade &bdquo;brennt“. Lesen Sie auch: &bdquo;Klima der Angst“? Klinikum Lippe weist Vorwürfe zurück Er habe damals einem befreundeten Mediziner in dessen Klinik aushelfen wollen: &bdquo;Doch einfach irgendwo einspringen, das geht in unserer Branche nicht so leicht wie vielleicht in einer Autowerkstatt“, sagt Brune. Die Personalabteilung dieser Klinik empfahl Brune, sich einfach bei &bdquo;doctari“ registrieren zu lassen. Diese auf Ärzte und Pflegepersonal spezialisierte Agentur achte darauf, dass alle nötigen Unterlagen von der Approbation bis hin zu allen nötigen Weiterbildungs-Nachweisen beisammen sind. Nach außen hin garantiere &bdquo;doctari“ dann für die Einsatzfähigkeit der vermittelten Fachkräfte: &bdquo;Eine gute Dienstleistung“, wie Brune findet. Bielefelder Arzt versorgt Frühchen - eines seiner Fachgebiete Kritisch sieht es Brune aber, dass das deutsche Gesundheitssystem immer mehr auf solche Vermittlungsdienste angewiesen sei. Das fängt schon mit den Kosten an, denn die Dienste von Zeitarbeits-Ärzten seien keineswegs billig. Hoch qualifizierte Ärzte wie er bekämen von &bdquo;doctari“ 110 oder 120 Euro pro Stunde, der Vermittlungsdienst erhalte noch deutlich mehr. &bdquo;Ein längerer Einsatz kann also für die Klinik recht kostspielig werden“, sagt Brune. &bdquo;Eine bittere Erfahrung für Geschäftsführer, die auf der einen Seite Personal einsparen, den Dienst in der Klinik wegen der höheren Belastung des verbliebenen Personals immer unattraktiver machen und dann – nach einsetzenden Kündigungen – plötzlich erfahren müssen, dass sie auf Honorarkräfte angewiesen sind.“ Lesen Sie auch: Mediziner aus dem Kreis Paderborn berichten: Ärzte sind an der Belastungsgrenze Tatsächlich drehe sich im Gesundheitswesen inzwischen fast alles ums Geld, und in vielen Kliniken werde am verkehrten Ende gespart. Erst das Sparen am Personal mache den Einsatz von Leihkräften notwendig, &bdquo;ohne Honorarärzte könnten viele Kliniken ihren Betrieb nicht mehr aufrechterhalten“. Doch das könne nicht nur teuer werden, es führe oft auch zu einem Absinken der gebotenen Qualität. &bdquo;Es gibt in vielen Bereichen zwar eine gute Standardisierung, aber Leihärzte kennen das Team und die Wege nicht“, erklärt Brune. Andererseits, so fügt er trocken an, könnten erfahrene Zeitarbeits-Ärzte in überlasteten, knapp ausgestatteten Teams auch das Niveau anheben. .responsive23-TuevAO4Zag1oQVcE-choro-kinderaerzte-in-owl-2024 { width: 100%; padding-top: 100%; } @media (max-width: 600px) { .responsive23-TuevAO4Zag1oQVcE-choro-kinderaerzte-in-owl-2024 { padding-top: 100%; } } @media (max-width: 360px) { .responsive23-TuevAO4Zag1oQVcE-choro-kinderaerzte-in-owl-2024 { padding-top: 142.86%; } } Kinderärzte in Bielefeld reduzieren Arbeitszeit Der Bielefelder Kinderarzt, der nebenbei auch gelegentlich als Gutachter für die Ärztekammer oder Sozialgerichte tätig ist, kennt das System und seine Schwächen gut. Gibt es derzeit einfach zu wenig Ärzte? &bdquo;Es hat noch nie so viele Kinderärzte wie heute gegeben“, sagt Brune – aber die gesamte geleistete Arbeitszeit sei trotzdem gesunken, weil vor allem junge Mediziner vermehrt auf die eigene Work-Life-Balance achteten und viele nur in Teilzeit tätig seien. Immer weniger Ärzte seien zudem bereit zu Nacht- und Bereitschaftsdiensten. &bdquo;Am Ende leiden aber auch die Erfahrung und Kompetenz mancher Kollegen“, fürchtet er. Lesen Sie auch: Bielefelder Kinderarzt rechnet vor: Darum kürze ich die Sprechzeit für Kassenpatienten Könnten Teilzeit-Ärzte eine Lösung für den Mangel an niedergelassenen Kinderärzten sein? Das gehe nicht ohne Weiteres, denn die Praxis-Strukturen und die Besetzung von Facharzt-Sitzen würden von den Kassenärztlichen Vereinigungen vorgegeben – &bdquo;es ist für einzelne Ärzte sehr umständlich, sich hier zu engagieren“. Die Arbeit in einer Kinderarztpraxis werde zudem immer anstrengender, wegen der hohen fachlichen Ansprüche mit mehr Vorsorgeuntersuchungen und Impfungen, wegen der zunehmenden psychosozialen Probleme der Kinder und auch wegen sprachlicher Probleme. &bdquo;Die Leistungen der Kinderärzte müssten unbedingt besser honoriert werden“, findet Brune. Zudem sei mehr Flexibilität bei der Niederlassungsfreiheit nötig. Das könnte Sie auch interessieren: Notdienst in OWL am Limit – entscheidende Stelle bestreitet Kinderärzte-Mangel

Meistgelesen