Noch freie Termine: Bielefelder Kinderarzt-Praxis hat sich völlig neu aufgestellt

Bielefeld. Der nächste: bitte nicht, hoffen Eltern inständig. Weil Nachfolger fehlten, haben mehrere Kinderärzte der Stadt in der vergangenen Zeit ihre Praxen schließen müssen. Verzweifelte Familien berichten von monatelangen vergeblichen Versuchen, einen Kinderarzt zu finden. Obwohl laut zuständiger Kassenärztlicher Vereinigung (KV) die Versorgung abgesichert ist, sieht es in der Realität ganz anders aus. Auch Frank Meyer-Ekkert (69) hat für seine renommierte Praxis, die er 34 Jahre lang an der Treppenstraße in Brackwede geführt hat, seit mehreren Jahren vergebens einen Nachfolger gesucht. Vor einem Jahr übernahm das Evangelische Klinikum Bethel (EvKB) dann mit seinem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) den Kassensitz. Doch der Start war nicht so einfach wie gedacht. Meyer-Ekkert und auch seine Frau als Praxismanagerin wollten als Angestellte des MVZ ihre 1.300 Patienten erst einmal noch eine Zeit lang mitbetreuen. In den Behandlungsräumen direkt neben dem Eingangsbereich im Erdgeschoss des neu gebauten Kinderzentrums am Grenzweg, unterstützt von &bdquo;einem gestandenen Kinderarzt“ aus der Kinderklinik in Bethel, so Eckard Hamelmann, Direktor der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin am EvKB. Allerdings habe das nicht wie geplant funktioniert, das Ehepaar habe nach drei Monaten aufgehört. Bielefelder Kinderarzt ist siebenfacher Vater Deshalb habe die Kinderarztpraxis ihre Öffnungszeiten dann stark einschränken müssen, hatte zeitweise nur freitags geöffnet. Mit Shima Atai (43) und Christian Olariu (41) hat das EvKB aber jetzt seit 1. Januar zwei Fachärzte als feste Besetzung gefunden. Atai, selbst Mutter einer Tochter (8), hat als Assistenzärztin in der Kinder- und Jugendmedizin in Bethel und zuletzt einige Zeit als angestellte Kinderärztin in einer Bielefelder Praxis gearbeitet. Lesen Sie auch: Die nächste Bielefelder Kinderarztpraxis schließt Olariu hat sieben eigene Kinder und arbeitet weiterhin hauptsächlich als Facharzt im Kinderzentrum und unterstützt Atai, die in Teilzeit tätig ist. &bdquo;So können wir wieder von montags bis freitags ganz reguläre Praxissprechzeiten anbieten“, sagt Hamelmann. Nach &bdquo;großen Schwierigkeiten“ zum Start sei er sehr glücklich, dass jetzt alles rund laufe. Und so gut, dass &bdquo;in begrenztem Maße“ noch neue Patienten aufgenommen werden könnten. Mehr als 30 Praxen lehnen ab: Bielefelder Familie verzweifelt bei Suche nach neuem Kinderarzt Perspektivisch könnte das EvKB bei Bedarf noch einen weiteren Kassensitz auffangen, wenn er nicht besetzt werden könne – und ein weiteres Kinderarztteam für die Praxis einstellen, ergänzt Hamelmann. &bdquo;Wir sehen hier in der Klinik jeden Tag die Versorgungsprobleme.“ Viele Eltern hätten noch keinen Kinderarzt, wenn sie mit ihrem Neugeborenen nach Hause gehen. Das belaste auch die Notaufnahme des Kinderzentrums. Viele der 42.000 jungen Patienten, die jährlich dorthin kämen, seien eigentlich keine Notfälle. Erbin verschenkt Praxis in Toplage in der Bielefelder Altstadt Auch in Brake war das dortige MVZ von Tim Niedergassel an der Rettung der örtlichen Kinderarztpraxis beteiligt. Nur weil es mit eingestiegen ist und Katharina Emptmeyer bei der Verwaltung unterstützt, hat die junge Ärztin 2022 dort die Nachfolge gewagt. Anfangs unterstützte sie noch Vorgänger Franz Storms, vor etwa zwei Jahren kam dann mit Lisann Hömberg noch eine weitere Kinder- und Jugendärztin mit an Bord. &bdquo;Sie ist angestellt bei uns am MVZ, das Konzept funktioniert sehr gut“, resümiert Praxismanagerin Britta Langer-Niedergassel. Gern würde das Team noch eine Weiterbildungsassistentin oder einen Assistenten aufnehmen. &bdquo;Und, wenn gewünscht, auch die dringend gesuchte mögliche Nachfolge für die Praxis des kürzlich verstorbenen Kinderarztes Andrzej Wozniak bei Verwaltungsaufgaben unterstützen“, ergänzt Langer-Niedergassel. Wichtig sei, dass sich die kinderärztliche Versorgung in Bielefeld wieder verbessere. Mehr zum Thema: Familie aus OWL seit einem Jahr ohne Kinderarzt – und das Jugendamt macht Druck Das auch Andrea Wozniak in Anliegen. Nach dem Tod ihres Vaters kämpft die Tochter, wie berichtet, mit Unterstützung von Ärzten im Ruhestand für den Erhalt und geht einen selbstlosen Schritt: Sie will die helle, moderne Praxis mitten an der Obernstraße 26, über dem Restaurant &bdquo;Numa“ in Toplage in der Bielefelder Altstadt, kostenlos abgeben. Weil Bielefeld mit Kinderarztpraxen offiziell überversorgt ist, könnte die KV den Kassensitz ganz einziehen, wenn sich nicht kurzfristig ein Nachfolger findet. Obwohl Kinderarzttermine in der Stadt schon jetzt kaum noch zu bekommen sind. Bielefelder Kinderärzten ist Vereinbarkeit von Familie und Beruf wichtig Die Zeiten hätten sich geändert, sagen alle Beteiligten. Politik, Kommunen und die KV hätten aber offenbar immer noch nicht verstanden, dass sich der Beruf stark verändert habe. Gut 80 bis 85 Prozent in der Kindermedizin seien Frauen. Vereinbarkeit von Familie und Beruf sei oft ein wichtigerer Faktor. Viele arbeiteten nur 60 oder 70 Prozent. Eine komplette Praxis alleine zu übernehmen, komme deshalb oft nicht infrage. In einem passenden Team hingegen schon.

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