Aus für wichtiges Bielefelder Museum: Das sagt die Leiterin

Frau Heuwinkel, Sie sind vor sechs Jahren vom Kunstmuseum Wolfsburg abgeworben worden, um das neu gegründete Bielefelder Kunstforum Hermann Stenner zu leiten. Nun steht es vor dem Aus. Wie fühlen Sie sich? Christiane Heuwinkel: Die Goldbeck-Stiftung hat ja vor nunmehr bereits zwei Jahren entschieden, ab 2025 kein eigenes Ausstellungsprogramm mehr im Kunstforum zu fahren und das Haus der Kunsthalle als Zwischennutzung für deren Sanierungsphase mietfrei zu überlassen, sodass ich reichlich Zeit hatte, mich an den Abschied zu gewöhnen. Aber damals war das schon ein schockhafter Moment für mich. Natürlich bin ich nicht glücklich mit dieser Entscheidung, auch wenn ich nachvollziehen kann, dass die Goldbeck-Stiftung letztendlich aus finanziellen Erwägungen heraus entschieden hat, dieses Projekt eines eigenständigen Ausstellungshauses zu beenden, um andere Bereiche ihrer Stiftungsarbeit ausbauen zu können. Denn das Forum hat ja eine Menge Mittel gebunden. Und nun haben sie ihre Schwerpunkte eben anders gesetzt, das muss ich letztendlich akzeptieren. Was hat Ihnen die Kraft gegeben, trotzdem weiterzumachen und bis heute unverdrossen weiter sehr sehenswerte Ausstellungen an den Start zu bringen? Getragen haben mich und mein Team vor allem auch die unglaublich positiven Reaktionen der Besucherinnen und Besucher, die uns immer wieder gespiegelt haben und spiegeln, wie gerne sie zu uns kommen, wie sehr sie die Atmosphäre hier schätzen und was ihnen die Ausstellungen im Kunstforum bedeuten. Das alles freut uns ungemein und lässt mich schließlich sagen: Es waren sechs gute Jahre hier, auch wenn ich gerne weitergearbeitet hätte für dieses tolle Forum. Mehr zum Thema: Leere Kassen: Stadt übernimmt beliebtes Bielefelder Museum jetzt doch nicht Wie viele Besucherinnen und Besucher hatten Sie insgesamt? Mit den zwölf Ausstellungen in sechs Jahren, elf davon unter meiner Regie, konnten wir immerhin rund 100.000 Gäste anlocken. Eine gute Zahl für ein Haus dieser Größe finde ich. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass wir in der Coronazeit das Forum phasenweise überhaupt nicht öffnen konnten. Die stärkste Ausstellung war, wenig verwunderlich, übrigens die Eröffnungsausstellung, die dem Namensgeber unter dem Titel &bdquo;Hermann Stenner und seine Zeit“ gewidmet war. Ansonsten hatten wir immer einen Schnitt von 8.000 bis 10.000 Besucherinnen und Besucher pro Ausstellung. Als die Nachricht vom Aus für das Forum kam, mussten Sie aber auch erleben, dass sich zum Beispiel Vertreter der Stadt wenig darum scherten, dass das Stenner-Forum ausläuft und damit auch Sie Ihre Position verlieren würden. Tragen Sie jemandem das nach? Nein, ich bin nicht nachtragend. Aber gut finde ich das natürlich überhaupt nicht, denn die Stadt verliert mit dieser Entscheidung schließlich ein Museum mit Profil, das ganz eigene Akzente gesetzt und die Museumslandschaft über Bielefeld hinaus bereichert hat. Gleichzeitig fühle ich mich aber auch der Kunsthalle, die nun das Forum als Übergangsquartier übernehmen kann, sehr verbunden. Ich habe ja zwanzig Jahre für das Haus gearbeitet und möchte, dass die Kunsthalle eine gute Zukunft hat. Lesen Sie auch: Das Bielefelder Kunstforum Stenner steckt tief in der Krise Das klingt eher versöhnlich. Sie hatten aber auch erhebliche Konflikte mit dem Sammler Hermann-Josef Bunte, der andere Akzente in der Ausstellungspolitik des Forums gesetzt haben wollte und schließlich entschieden hat, sich aus dem Leihvertrag mit dem Forum zurückzuziehen. Hat das die Stiftung als Träger des Hauses womöglich auch bewogen, sich zurückzuziehen? Das ist Spekulation. Die Frage müssten Sie der Stiftung stellen, nicht mir. Sind Sie enttäuscht, dass die Stadt sich nicht für das Museum engagiert hat, obwohl es dem wohl bedeutendsten Maler dieser Stadt gewidmet ist? Dazu möchte ich mich nicht äußern. Das ist ein kulturpolitisches Thema. Lesen Sie auch: Goldbeck-Deal: Stenner-Forum wird Außenstelle der Bielefelder Kunsthalle Sie haben mit Ihrer Ausstellungspraxis nicht allein auf die Klassische Moderne gesetzt, der Hermann Stenner zuzurechnen ist, sondern auch auf die Gegenwartskunst, zudem Fotografie und Architektur. War das der richtige Weg? Ich hoffe schon. Ich war mir mit Ortwin Goldbeck als Stifter von Anfang an einig, dass unabhängig von Hermann Stenner immer auch ein breites Ausstellungsprogramm für die Bielefelder und die Menschen der Region hier gezeigt werden soll, um den Forumscharakter des Hauses zu unterstreichen. Ein Forum, in dem auch über zeitgenössische Kunst debattiert werden sollte. Und wir wollten zeigen, dass in der klassischen Architektur dieses Hauses Ausstellungen mit zeitgenössischer Kunst möglich sind. Die positive Resonanz auf Schauen mit Arbeiten von Alexander Camaro, Josef Schulz und jetzt Cornelius Völker bestärkt mich darin, dass der Weg richtig war. Aber auch die Wiederentdeckung der Detmolder Malerin Hedwig Thun war für mich ein Meilenstein in unserer Museumsarbeit, wie auch die Itten-Ausstellung, die Gemeinschaftsschauen &bdquo;Die Schrift ist weiblich“, &bdquo;Alle Wege sind offen. Fotografinnen auf Reisen“ und die große Hans-Purrmann-Werkschau. Sehr dankbar bin ich auch für die Aufstellung der roten &bdquo;Social Bench“ von Jeppe Hein als Zeichen für die Kunst, die Goldbeck finanziert hat. Ich freue mich, dass ich das alles habe machen können. Uns ist aufgefallen, dass Sie in Ihrem Ausstellungsprogramm immer wieder eine Rückbindung an Bielefeld und die Region gesucht haben. Täuscht der Eindruck? Der täuscht Sie nicht. Ich habe mich tatsächlich immer um ein Ausstellungsprogramm bemüht, das &bdquo;Bielefeld und die Welt“ verbindet. So etwa bei &bdquo;Alle Wege sind offen. Fotografinnen auf Reisen“, bei denen ich internationale Fotografinnen, wie Justine Kurland und Ruth Orkin, USA, mit Katharina Bosse und Wölbing van Dyck, Bielefeld, verbunden habe. Oder bei &bdquo;Die Schrift ist weiblich. Bild und Text in der internationalen Kunst“ Berühmtheiten wie Jenny Holzer, Etel Adnan oder Shirin Neshat mit den Bielefelderinnen Ursula Pulsfort und Ilse Garnier (die ich als Mitglied des BCNP frecherweise zur Bielefelderin gemacht habe), weil mir deren Arbeiten alles andere als provinziell erscheinen. Daraus erwuchsen dann zwei Bände in der Edition Moderne in Westfalen: über Ursula Pulsfort und Wölbing van Dyck. Auch interessant: Rettungsaktion: Wertvoller Bielefelder Kunst-Sammlung droht die Versteigerung Sie haben immer auch auf ein starkes Vermittlungsprogramm gesetzt . . . Ja, das war mir sehr wichtig und letztendlich ein zentraler Baustein unseres Erfolges, denn bis zu 60 Prozent unserer Gäste sind über unsere Vermittlungsprogramme zu uns gekommen. Ich bin fest davon überzeugt, dass Museen in Zukunft noch viel stärker auf Vermittlungsarbeit setzen müssen, um Erfolg zu haben. Was passiert am letzten Öffnungstag im Museum? Wir freuen uns, dass am Sonntag, 30. März, der Düsseldorfer Künstler Cornelius Völker in seiner Ausstellung &bdquo;Guter Stoff“ bei uns von 12 bis 14 Uhr zu Gast sein und Rede und Antwort stehen wird. Am Montag um 8 Uhr beginnt dann der Abbau der Bilder, und am Abend gibt es inmitten der verpackten Kunst noch einmal ein – jedoch bereits ausgebuchtes – Programm mit Kunst und Yoga. Zu guter Letzt laden wir am 26. April von 18 bis 24 Uhr während der Nachtansichten zu einer Abschiedsparty mit Live-Band, Techno und House ein. Lesen Sie auch: Ein neues Wohnzimmer für die Kunst von Hermann Stenner Und was machen Sie, wenn Ihre Zeit im Kunstforum Ende Juni zu Ende ist? Ich habe noch keine festen Pläne – außer Freunde zu treffen, zu reisen, zu lesen und all das zu tun, was so oft hinter der Berufstätigkeit zurückstehen musste. Ansonsten bin ich gespannt auf meine neue Freiheit, und wie ich mit ihr zurechtkomme. Sie sind auch Kulturpreisträgerin der Stadt. Werden Sie sich denn im Bereich der Bielefelder Kultur weiter engagieren? Ich gehöre ja weiterhin dem Vorstand der Bielefelder Murnau-Gesellschaft an, und die Arbeit für das Film- und Musikfest geht natürlich weiter. Alles andere wird sich zeigen.

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