Im Bielefelder Nimani-Prozess zeigt der Angeklagte erste Gefühlsregung

Bielefeld. Als beim Mordprozess gegen den Bielefelder Hüseyin A. (34) Staatsanwalt Veit Walter und die beiden Anwälte der Familie Nimani ihre Plädoyers hielten, hörte ihnen der Angeklagte, der am 9. März 2024 mit einem Komplizen den Bielefelder Ex-Boxer Besar Nimani erschossen haben soll, aufmerksam zu. Der Blick ging immer gerade in die Augen des plädierenden Juristen. Seine Hand blieb oft an Kinn oder Mund liegen, der Gesichtsausdruck ernst, teilweise mit einem leichten Lächeln. Nur an einer Stelle zeigte er eine Gefühlsregung. Als Rechtsanwalt Georg Schulze, Nebenklagevertreter der Witwe, in seinem Plädoyer erwähnte, dass es nach einer Prügelei zwischen Besar Nimani und dem nun wegen Mordes angeklagten Hüseyin A. – zwei Jahre vor der Tat in der Altstadt – ein ernster Streit zwischen den Männern ausgebrochen war, habe es nach Angaben von Zeugen &bdquo;Friedensgespräche“ gegeben, so formulierte es Schulze. Er ging damit auf das nicht erkennbare Motiv ein, das die Ermittler und auch die Juristen im Prozess nicht haben ausfindig machen können. Schulze weiter zu den damaligen Friedensgesprächen: &bdquo;So wurde mit dem Vater des Angeklagten, dem Familienoberhaupt, ein Waffenstillstand vereinbart, wonach man sich künftig aus dem Weg gehen wolle. Und wie es in diesen Kreisen üblich ist, war zu erwarten, dass sich alle an die Vereinbarung halten.“ In diesem Moment wandte Hüseyin A. seinen Blick vom Anwalt ab und blickte nach oben an die Decke des Gerichtssaals. Der 34-Jährige war für kurze Zeit sichtlich aufgewühlt, hatte sich kurz danach aber wieder ganz unter Kontrolle. Schüsse vor dem Landgericht werden als Vergeltungstat eingeschätzt Der erwähnte Vater war bekanntlich eines der vier Opfer, die nach Verlassen der Landgerichtsverhandlung am 26. Februar 2025 an der Kreuzstraße niedergeschossen worden waren. Der 63-Jährige wurde dabei lebensgefährlich verletzt und lag tagelang im Koma. Die Ermittlungsbehörden gehen davon aus, dass der Bruder des getöteten Boxers, Berat Nimani, zur Vergeltung auf die Angehörigen des Angeklagten geschossen hatte. Schüsse am Bielefelder Landgericht: Was wir über die Tat wissen – in 16 Punkten Zurück zu den Schlussvorträgen der Juristen. Staatsanwalt Veit Walter forderte eine Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes aus Heimtücke. Peter Wüller, Anwalt der Eltern Nimani sowie der sechs Schwestern, schloss sich dieser Forderung an, während Schulze (Anwalt der Witwe und des Bruders) deutlich machte, dass er zusätzlich die Voraussetzungen zur &bdquo;besonderen Schwere der Schuld“ erfüllt sah. Eine solche Einschätzung des Gerichts hätte zusätzlich zur lebenslänglichen Haftstrafe Folgen für die Mindestdauer des Verurteilten hinter Gittern. Denn damit bestünde nach 15 Jahren Haft noch keine Option auf eine Bewährung außerhalb der Gefängnismauern. Sowohl der Staatsanwalt als auch die Nimani-Anwälte machten deutlich, dass diese Schüsse an der Obernstraße jederzeit auch Unbeteiligte hätten treffen können. Direkt neben einer Zeugin, die gerade ihr Fahrrad aufschließen wollte, schlug eine der Kugeln in eine Baumumrandung ein, so Walter. Zwei Geschosse waren in das Gebäude des &bdquo;Block House“-Restaurants eingeschlagen. &bdquo;Nur 30 Zentimeter weiter – und es hätte Gäste im Restaurant getroffen“, sagt Rechtsanwalt Schulze. &bdquo;An diesem Abend flüchteten Menschen in Todesangst vor den Kugeln. Hier waren Unbeteiligte in ganz konkreter Lebensgefahr.“ Motiv für Tat in Bielefeld ließ sich nicht finden Staatsanwalt Walter räumte zwar ein, dass sich ein Motiv für die Tat in zehn Hauptverhandlungstagen nicht habe finden lassen. Dennoch hätten Zeugen und Gutachter eindeutig herausgearbeitet, dass Hüseyin A. und sein noch flüchtiger Komplize auf Besar Nimani geschossen haben – gemeinschaftlich, beide mit dem Ziel, ihn zu töten. Dabei sei unerheblich, ob A. nur einen Schuss abgegeben habe und der Komplize 15-mal schoss. Der Staatsanwalt betonte, dass man den Tod eines Menschen in Kauf nehme, wenn man auf ihn feuert. Keiner der Zeugen habe eine Unstimmigkeit zwischen den Tätern bemerkt. &bdquo;Beide traten treten mit dem Ziel an Besar Nimani heran, um ihn zu erschießen.“ Die Verteidiger Tobias Diedrich und Gerhard Strate widersprachen dieser Ausführung. Sie räumten ein, dass die Kammer es als erwiesen ansieht, dass ihr Mandant maximal einmal geschossen habe, wenn überhaupt. Eine Mittäterschaft sei damit dennoch nicht bewiesen. Gerhard Strate sprach von einer &bdquo;Hinrichtung“ und &bdquo;dem unbedingten Tötungswillen“ – allerdings nur vonseiten des bisher flüchtigen Ayman Dawoud Kirit. Zum Thema: Überraschung im Bielefelder Nimani-Prozess: Verteidiger zweifeln Waffen-Gutachten an Seinem Mandanten aber könne wohl kaum nachgewiesen werden, welchen einen Schuss er abgegeben habe und ebenso wenig zu welchem Zeitpunkt. Die Strafverteidiger wollten damit betonen, dass A. möglicherweise erst sehr spät geschossen haben könnte und dabei gezielt auf die Beine. Heimtücke? Verteidigung glaubt nicht an Arglosigkeit des Opfers Tobias Diedrich zeigte sich zudem überrascht, dass Staatsanwalt und Nebenkläger das Mordmerkmal &bdquo;Heimtücke“ erfüllt sahen. Dazu hätte Besar Nimani arg- und wehrlos sein müssen. Doch Besar Nimani war aus seinem Auto ausgestiegen, obwohl er vorher den Angeklagten an der Obernstraße bemerkt hatte. Und obwohl ihm zwei Freunde unabhängig voneinander abgeraten hätten, ausgerechnet hier und jetzt ins Freie zu treten. Nimani habe nur &bdquo;Scheiß drauf“ entgegnet und habe sich aufgemacht, die wenigen Meter zum Friseur eingangs der Fußgängerzone zu gehen. &bdquo;Er wusste, dass gleich etwas passieren kann“, betonte Diedrich. Dabei sei die Einschätzung der Gefährlichkeit (Prügelei oder tödliche Schüsse) unerheblich. Besar Nimani erreichte sein Ziel nie. Zuvor sei der 38-Jährige &bdquo;von Schüssen regelrecht durchsiebt worden“, so formulierte es Wüller. Mindestens 5 der 16 Geschosse trafen den 38-Jährigen, ein seitlicher Durchschuss sei mit Gewissheit tödlich gewesen. Das hatte ein Rechtsmediziner betont. Die anderen Schussverletzungen hätten angesichts sofortiger ärztlicher Hilfe nicht unbedingt zum Tod führen müssen. Besar Nimani verblutete noch an Ort und Stelle. Im Dunkeln bleibt wohl für immer das Motiv der Tat. Auf die Frage des Vorsitzenden Richters, ob die Ehefrau des Boxers eine Vorstellung habe, was der Hintergrund für diese Tat gewesen sein könnte, habe selbst die nur mit einem knappen &bdquo;Nein“ antworten können. 📱 News direkt aufs Smartphone: Hier finden Sie den kostenlosen Whatsapp-Kanal der NW Bielefeld

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