15 Schüsse aus einer Pistole, nur einer aus einer anderen: Die tödlichen Schüsse auf Besar Nimani

Bielefeld. Die Schüsse vor dem Landgericht haben vieles in Bielefeld verändert. Der Prozess um die Ermordung von Ex-Boxer Besar Nimani musste trotzdem weitergehen – und zwar unter spürbar größerem Polizeischutz. Diesmal waren mehrere schwer bewaffnete Polizeibeamte mit Maschinenpistolen rund um das Gerichtsgebäude postiert. Offenbar glaubt niemand mehr daran, dass dieses Verfahren ohne massive Polizeipräsenz durchführbar ist. Wie berichtet, fielen am Mittwoch, 26. Februar, an der Kreuzstraße Schüsse auf vier Angehörige des wegen Mordes an Besar Nimani angeklagten Hüseyin A. Seitdem sitzen Berat Nimani und seine 33-jährige Schwester in U-Haft. Die &bdquo;Mordkommission Kreuz“ wirft ihnen vierfach versuchten Mord vor. Zwei der vier niedergeschossenen Männer (63, 23) wurden dabei lebensgefährlich verletzt. Der Vater des Angeklagten liegt bis heute im Koma. Hüseyin A. war am Dienstag die Sorge um seinen Vater nicht anzusehen. In gewohnt selbstbewusster Manier setzte er sich neben seine Verteidiger, blickte gerade in den Saal und schwieg. Angehörige seiner Familie waren nicht im Zuschauerraum, genauso wie die Mitglieder der Familie Nimani, die bisher als Nebenkläger an allen Verhandlungen teilgenommen hatten. Ausschluss der Familie Nimani nicht möglich Eingangs des Verhandlungstages betonte der Vorsitzende Richter Sven-Helge Kleine, dass er nach den Ereignissen vor dem Landgericht nicht einfach zur Tagesordnung übergehen könne. Er betonte, dass die Sicherheit im Gerichtssaal weiterhin durch das Sicherheitskonzept gewährleistet sei. Wie berichtet, werden alle Zuschauer per Metalldetektor auf Waffen kontrolliert und abgetastet. Mehr zum Thema: Schüsse in Bielefeld: Verhinderte ein Pistolen-Defekt den tödlichen Ausgang? Den Antrag der Verteidigung, ab sofort alle Mitglieder der Familie Nimani von der Hauptverhandlung auszuschließen und nur noch von ihren Anwälten vertreten zu lassen, musste er aber ablehnen. &bdquo;Dafür gibt es keine Rechtsgrundlage“, sagte Kleine. Eine Konfrontation des Angeklagten mit Berat Nimani im Gerichtssaal sei ohnehin nicht zu verhindern, weil dieser immer noch als Zeuge eingeplant sei. Witwe geschockt, Nimani-Angehörige erstatten Strafanzeige Nebenklagevertreter Georg Schulze sprach indes ein Lob für die Verteidigung aus, weil sie bei ihrem Ausschluss-Antrag die Witwe explizit ausgenommen hatte. &bdquo;Sie hat mit den Geschehnissen nichts zu tun. Das habe auch die Verteidigung erkannt“, betonte Schulze. Die Witwe hatte sichtlich geschockt auf die Tat reagiert und gilt als nicht eingeweiht. Sie werde aber trotzdem seitdem über Social Media massiv bedroht, so Schulze. &bdquo;Es wäre gut, wenn sich herumspricht, dass die Witwe damit nichts zu tun hatte.“ Auch die Eltern und übrigen Schwestern von Berat Nimani seien zuletzt massiv bedroht worden, berichtet ihr Anwalt Peter Wüller: &bdquo;Wir haben inzwischen Strafanzeige erstattet und die Mordkommission darüber informiert.“ Im Video: Angeklagter Hüseyin A. bei der Prozessfortführung Die Verteidiger des Angeklagten, Gerhard Strate und Tobias Diedrich, gaben hingegen zu bedenken, dass es Bedrohungen in alle Richtungen gegeben habe. Der Anwalt sprach von Interview-Videos, die Berat Nimani vor den Schüssen gegeben habe, die inzwischen knapp eine halbe Million Zuschauer hatten – zum Teil mit positiven Kommentaren zu den Geschehnissen. Auch der Blutrache-Aspekt &bdquo;Auge um Auge, Zahn um Zahn“ werde in diesem Zusammenhang immer wieder als Rechtfertigung ins Spiel gebracht. Strate sprach von einer &bdquo;erschreckenden, zunehmenden Verrohung“ in dem Fall. Waffenexpertin ist sicher: Es waren zwei Schusswaffen In der eigentlichen Gerichtsverhandlung ging es schließlich um die Frage, mit wie vielen Pistolen eigentlich am 9. März auf Besar Nimani geschossen wurde. Dazu wurde eine Waffenexpertin des Bundeskriminalamtes (BKA) befragt, die zahlreiche Patronenhülsen und Geschossteile vom Tatort analysiert hatte. Sie kam zu dem Schluss, dass 15 Patronen mit großer Wahrscheinlichkeit aus einer Waffe stammen. Aus dem Gericht: &bdquo;Dachten, wir sterben“ – Bielefelder Zeuge berichtet von &bdquo;Kugelhagel“ im Fall Nimani Die 16. Patronenhülse stamme aber sicher aus einer zweiten Waffe. Demnach gab es zwei Pistolenschützen: Der eine drückte 15-mal ab, der andere nur einmal. Die Waffenexpertin hatte die Patronenhülsen auf individuelle Spuren am Metallmantel untersucht und in 15 Fällen eindeutige Übereinstimmungen der Schlagbolzenspuren erkannt. Diese gelten als Fingerabdruck einer Waffe. Ein besonderes Augenmerk warfen die Prozessbeteiligten schließlich auf das Geschoss mit der Nummer &bdquo;1.57“. Dieses muss nach Ansicht der Schusswaffentechnikerin aus einer anderen Pistole abgefeuert worden sein. Weil dieses Projektil kaum deformiert war, geht sie davon aus, dass das Geschoss weder auf Knochen des Opfers noch auf einen härten Gegenstand (Boden, Wand oder Auto) getroffen war. Die Verteidiger von A. deuteten an, dass dieses Geschoss möglicherweise &bdquo;nur“ für einen Oberschenkeltreffer verantwortlich war. Ersthelfer überreichen Polizeibeamten ein ganz besonderes Projektil Das Besondere: Der am Tatort zuerst eingetroffene Polizeibeamte berichtete, dass er drei Ersthelfer bei der Reanimation des Opfers unterstützt hatte. Später habe ihm einer der Ersthelfer Projektil 1.57 überreicht: Es sei bei den Wiederbelebungsversuchen aus der durchlöcherten Jacke des Ex-Boxers gefallen, hieß es. Strafverteidiger Strate deutete an, dass sich im Verlauf des Prozesses herausstellen könnte, dass der derzeit wegen Mordes Angeklagte Hüseyin A. womöglich nur für diesen einen Schuss verantwortlich gewesen sein könnte. Zur Themenseite zum Fall Nimani: Alle Infos zum Prozess um den getöteten Boxer Besar Nimani in Bielefeld Sollte sich das bewahrheiten und wenn dieser Schuss keine tödliche Verletzung verursacht hat, könnte sich das Blatt für A. wenden. Der zweite Schütze, nach Ansicht der Mordkommission handelt es sich um Ayman Kirit, ist bis heute auf der Flucht.

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