
Bielefeld. Auf Pro7 scheucht sie gerade wieder bei „Germany’s Next Topmodel“ das junge Gemüse über den Laufsteg. Auf ihrem Instagram-Kanal widmete sich Heidi Klum jetzt allerdings einem ganz anderen Früchtchen: Wie es sich für eine Mode-Ikone gehört, machte die 51-Jährige bei einem anderen derzeit viral gehenden Trend mit: Sie probierte eine der teuersten Erdbeeren, um die zurzeit in den USA und auf allen möglichen Social-Media-Kanälen ein ungeheurer Hype gemacht wird.
Umgerechnet 18 Euro kostet die zweifelsohne große und formschöne Beere, die einem Schmuckstück gleich auf einem Polster und unter einer durchsichtigen Kunststoffhaube geliefert wird. Doch während sich die Influencer und Sternchen überschlagen, sorgt der Trend auf der anderen Seite des Erdballs eher für Kopfschütteln. „Wir leben in verrückten Zeiten“, sagt der Bielefelder Landwirt und Erdbeer-Experte Bernd Henrichsmeier. „Bei uns hätte man für das Geld im vergangenen Jahr rund 2,5 Kilo Erdbeeren bekommen, und die waren auch allesamt sehr lecker und von guter Qualität.“
Henrichsmeier hat auf seinen Feldern in Stieghorst eine Vielzahl von verschiedenen Erdbeersorten angebaut. Von der nun so heiß begehrten Tochiaika-Erdbeere hat er indes noch nie etwas gehört. „Ich fange jetzt auch nicht an, bei mir im Wohnzimmer irgendwelche besonders seltenen Pflanzen zu ziehen.“ Er sei in den vergangenen Tagen schon mehrfach auf die teure Erdbeere angesprochen worden, richtig ernsthaft habe aber niemand nach einem vergleichbaren Produkt gefragt. „Wir sprechen ständig von Saisonalität, Regionalität und von Müllvermeidung, da passt so etwas eigentlich gar nicht hierhin“, sagt Henrichsmeier.
Edles Obst hat in Japan durchaus Tradition – in den USA ist es ein Hype
In Japan sieht dies indes etwas anders aus. Denn dass Erdbeeren und auch andere Früchte einzeln und edel verpackt zu horrenden Preisen angeboten werden, ist dort weder schick noch neu. In der Kultur des fernöstlichen Landes gehört das Überreichen von Geschenken und erlesenen Aufmerksamkeiten fest zu den gesellschaftlichen Gepflogenheiten, eine noble Frucht hat hier dann etwa die gleiche Bedeutung, als wenn man in Deutschland jemandem eine teure Schachtel Pralinen oder eine gute Flasche Wein überreicht.

Der aktuelle Hype in den Vereinigten Staaten hat damit allerdings kaum etwas zu tun. Hier ist durch zahlreiche Videos auf „TikTok“ oder eben Instagram aus der japanischen Tradition ein wahrer Hype entstanden – der wohl nicht zuletzt auch aufgrund der immensen Logistik- und Transportkosten um einiges teurer ist, als wenn man eine frische Beere in Kyoto kauft. Oder eben in Stieghorst. 19 US-Dollar ruft der Lebensmittelladen Erewhon – mit Filialen in Beverly Hills oder in Santa Monica – für das begehrte Obst auf.
Trotz des hohen Preises gibt es derzeit bei den Reichen und Schönen ein wildes Hauen und Stechen um die kleinen Glaskuppeln: Selbst Heidi Klum musste laut ihrem Instagram-Post mehrere Tage warten, ehe sie eine der ständig ausverkauften Erdbeeren in Händen halten konnte.
Bis zur Bielefelder Erdbeere dauert es noch ein paar Wochen
Bis man in Bielefeld wieder eine Erdbeere nicht aus der überteuerten Verpackung, sondern frisch vom Feld naschen darf, wird man sich ebenfalls noch etwas gedulden müssen – und es wird nicht eine Beere der Sorte Tochiaika, sondern eine „Flair“ sein. „Das sind die Beeren, die bei mir am frühesten reif sind“, sagt Bernd Henrichsmeier. Da die Kunden erfahrungsgemäß immer ungeduldiger werden und immer früher frische Erdbeeren haben wollen, werden jetzt Teile der Felder in Stieghorst mit Folie oder mit Vlies abgedeckt.
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„Dadurch gewinnen wir sieben bis zehn Tage“, sagt der Landwirt. Doch obwohl die jetzt angenehmen und warmen Tage nach dem im Vergleich zu den Vorjahren recht kalten Winter durchaus Wirkung gezeigt haben („Die Pflanzen wollen jetzt wachsen“), wird es noch bis voraussichtlich Anfang oder Mitte Mai dauern, ehe die Bude an der Straße Am Siebrassenhof geöffnet wird. „Die Selbstpflücke wird dann wohl Ende Mai starten“, prognostiziert Henrichsmeier. Und spätestens dann werden die Bielefelder zu dem Schluss kommen, zu dem auch Heidi Klum kam, als sie in ihre japanische Edelfrucht gebissen hatte: „Schmeckt wie eine Erdbeere, wenn es Erdbeersaison ist“ – allerdings zu deutlich vernünftigeren Preisen.