Chemikalie in Bielefelder Bach – was die Stadt dagegen tut

Bielefeld. Die unzerstörbare Chemikalie Perfluoroctansulfonsäure (PFOS), oft als Jahrhundertgift bezeichnet, wird seit 2008 im Reiherbach nachgewiesen. Kurz vor der Mündung des kleinen Fließgewässers, das quer durch den Bielefelder Süden mäandert, zeigen die Messwerte besorgniserregend nach oben. Was wurde bis heute getan, um den Bach zu entgiften und zudem zu renaturieren? Das ist auch für neue Häuser, Straßen und Gewerbebauten in Bielefeld von großer Bedeutung. Der Reiherbach, laut Umweltamt ein &bdquo;sandgeprägter Tieflandbach“ mit einem Einzugsgebiet von 27 Quadratkilometern, entspringt am südlichen Hang des Teutoburger Waldes. Er fließt gen Westen, durchquert den Senner Ortsteil Windelsbleiche und die Rieselfelder Windel, die Reiherbachaue und das Naturschutzgebiet Reiher-/Röhrbach Richtung Isselhorst, wo er schließlich in die Lutter strömt. Wie vielen Bielefelder Wasserläufen geht es auch dem Reiherbach nicht sonderlich gut. Rund 46 Prozent der Gewässerlänge entsprechen nicht der Mindestanforderung an die vorgeschriebene Wasserqualität, informiert die Bielefelder Stadtverwaltung. Darunter zu leiden haben besonders Kleinstlebewesen, Insekten und Fische. Laut Europäischer Wasserrahmenrichtlinie sollen Fließgewässer wie der Reiherbach bis 2027 in einen &bdquo;guten Zustand“ versetzt werden. Zum Thema: Jahrhundertgift in Bielefelder Bach: Gefährlich hohe Belastung gemessen Renaturierte Aue wird für Neubauprojekte dringend gebraucht Die Zeit drängt also, denn nicht nur die vorangehende Planung, sondern auch die praktische Umgestaltung dauert bekanntlich meist länger als geplant. Um die Wasserqualität und auch den Bach insgesamt zu verbessern, arbeitet die Stadt seit über drei Jahren an der Renaturierung der Aue unterhalb der Karl-Triebold-Staße. .responsive23-agtMbbX5rIPPiyAS-map-wasserqualitaet-des-reiherbaches { width: 100%; padding-top: 100%; } @media (max-width: 600px) { .responsive23-agtMbbX5rIPPiyAS-map-wasserqualitaet-des-reiherbaches { padding-top: 100%; } } @media (max-width: 360px) { .responsive23-agtMbbX5rIPPiyAS-map-wasserqualitaet-des-reiherbaches { padding-top: 142.86%; } } Aus den ehemaligen Äckern des alten Hofs Osthus soll ein grünes Schmuckstück mit Wald und Aue, flachen Feuchtbereichen, einem kleinen See, Ackerbrache und künstlicher Düne werden. Das alles, wie vorgesehen, umzusetzen, könnte allerdings schwierig werden, schätzte Friederike Hennen, Abteilungsleiterin im Umweltamt, jüngst gegenüber der Senner Bezirkspolitik. Lesen Sie auch: Bielefeld liegt doch am Wasser – Stadt hat erstaunlich viele Seen und Fließgewässer Das rund 41 Hektar große Areal würde auch bei der Stadtentwicklung helfen: Damit soll ein großes städtisches Ökokonto geschaffen werden, das dringend für die Neubauprojekte (Straßen, Wohnhäuser, Gewerbegebiete) gebraucht wird. Durch solche (vorgeschriebenen) Ausgleichs- und Kompensationsflächen, so formuliert es die Verwaltung, bleibe auch &bdquo;die Vielfalt, Eigenart und Schönheit von Natur und Landschaft auf Dauer“ gesichert – trotz Versiegelungen. Was aber ist der Stand bei der PFAS-Belastung? Die rund 10.000 unterschiedliche Stoffe umfassende Chemikaliengruppe (PFAS steht für per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen), zu denen auch die PFOS im Reiherbach gehören, wird für Outdoorjacken, Teflonpfannen oder Feuerlöschschäume verwendet. PFAS sind sehr stabil, werden in der Umwelt nicht abgebaut und reichern sich dort daher seit Jahrzehnten an. Sie stehen im Verdacht, Krebs zu verursachen, sich negativ auf die Fortpflanzung auszuwirken und das Immunsystem zu schwächen und wurden auch schon im Menschen nachgewiesen. Gesetzliche Grenzwerte der PFOS-Belastung sind kompliziert Im Mündungsbereich des Reiherbachs schwankt die PFOS-Belastung. 2012 lag die Konzentration mit 0,104 Mikrogramm pro Liter bislang am höchsten. Dann sank sie bis 2016 auf 0,051 Mikrogramm, seitdem steigt sie wieder, bis 2024 auf 0,845 Mikrogramm, so das Umweltamt. Giftige Chemikalien: Wo die Belastung durch PFAS in OWL besonders hoch ist Die gesetzlichen Grenzwerte sind kompliziert: Im Trinkwasser liegt der ab 2026 gültige Grenzwert (für insgesamt 20 PFAS) bei 0,1 Mikrogramm pro Liter, ab 2028 dürfen von vier von ihnen nur noch 0,02 Mikrogramm vorhanden sein. Im Oberflächenwasser wie im Reiherbach – der ebenso wie die Lutter nicht zur Trinkwassergewinnung genutzt wird – sind laut &bdquo;Umweltqualitätsnorm“ für einen Einzelstoff 0,00065 Mikrogramm erlaubt - allerdings im Jahresdurchschnitt. Die Höchstkonzentration bei einer Einmalmessung liegt deutlich höher, bei 36 Mikrogramm. Trinkwasser-Versorgung: Trotz Kritik beschließt Bielefeld neues Konzept PFAS-Verursacher für den Reiherbach ist laut Stadt unter anderem die Grundwasserbelastung in den ehemaligen Rieselfeldern. Dazu erarbeite ein externer Gutachter aktuell eine Machbarkeitsstudie, wie sich der Eintrag verringert ließe – etwa durch eine möglich Grundwasser- und/oder Bodensanierung. Beim Öko-Tech-Park sei der Betreiber der dortigen Kläranlage verpflichtet, etwas gegen die Belastung tun. Überwacht werde das durch die Bezirksregierung. Darüber hinaus gebe es &bdquo;diffuse Quellen“. Um die näher zu ermitteln, hat das Umweltamt zusätzliche Proben beauftragt.

Meistgelesen