Sogar Radfahrer schütteln den Kopf: Muss dieser Radweg in Bielefeld wirklich sein?

Bielefeld. Die Politik hat’s beschlossen, aber auch viele Radfahrer schütteln bei den Plänen den Kopf. Voraussichtlich im März soll der heftig umstrittene, &bdquo;radfahrerfreundliche Umbau“ im Johannistal starten. Bis zu einer Million Euro Kosten für gut 300 Meter an einer Stelle, an der es wenige Radler und Probleme gibt. Acht Monate Bauzeit, Vollsperrung - und viel Unmut: Den wirklichen Sinn für den Umbau sehen viele an dieser Stelle - es gilt Tempo 30 - einfach nicht. Bergauf und damit stadtauswärts ist ein gemeinsamer Geh- und Radweg geplant, inklusive Sicherheitsstreifen drei Meter breit. Stadteinwärts fallen alle 27 Parkplätze weg, der Gehweg wird von 1,30 auf 1,80 Meter verbreitert. Die Radfahrer - laut Messungen 250 täglich bei 7.500 Autos - fahren weiterhin im Verkehr mit. FDP, CDU und eine Bürgerinitiative haben versucht, die Pläne - Teil des von einem Aachener Planungsbüro entworfenen Radfahrkonzepts für die Stadt - zu stoppen. SPD und Grüne haben sich durchgesetzt. Am Samstag, 1. Februar, organisieren Anwohner jetzt eine Demo gegen den Umbau. Die NW hat die OB-Kandidaten von SPD und Grünen, Ingo Nürnberger und Dominic Hallau, zu einer kleinen Radtour dorthin gebeten. Vom Treffpunkt an der Kunsthalle aus geht’s jeweils bis zur Uhlandstraße. Mittwochmittag, 12.30 Uhr, trüb und Nieselregen: Trotzdem ist Ingo Nürnberger von seinem elf Kilometer entfernten Zuhause im Südwestfeld mit seinem E-Bike in die Innenstadt gekommen und gut gelaunt. &bdquo;Schon ein paar Jahre alt und sicher nicht der allerneueste Stand, aber läuft noch gut“, sagt Nürnberger und tritt, mit blauer Bielefeld-Mütze unterm Helm und Handschuhen ausgerüstet, beherzt in die Pedale. Er fahre auf jeden Fall gern Rad. Über Ampel, Adenauerplatz und OWD-Brücke geht’s ins Johannistal. Ein kurzer Stopp dort unten an der Fußgängerampel. Hier sei ja schon immer einiges los, so Nürnberger, mit Blick auf einen großen Lkw, der stadtauswärts das Johannistal hinauf rauscht. Dann wird’s ernst: Auf der Fahrbahn radeln wir die 300 Meter, um die es geht, die leichte Steigung hoch - alles total entspannt. Und 33, 34, 35: In deutlich weniger als einer Minute, erreichen wir den breiten Fuß- und Radweg, der ab der Bushaltestelle &bdquo;Uhlandstraße“ parallel zur Fahrbahn Richtung Tierpark verläuft. Ja, es gebe sicher Projekte in der Stadt, deren Umsetzung ebenfalls eine hohe Priorität hätten, sagt Nürnberger. Aber auch Gründe für die Realisierung des Radwegstücks. Freitag, 11 Uhr, kalt, aber sonnig: Dominic Hallau ist innovativ unterwegs, und für den Innenstadttermin ohne Motor. Den - eine Kombination mit dem Fahrradakku - kann man bei seinem piniengrünen, wirklich coolen Gravelbike je nach Bedarf ein- und ausbauen. &bdquo;Ohne wiegt es dann nur elf Kilogramm“, sagt Hallau, der auch so locker mit dem E-Bike-Tempo der NW-Begleitung mithält. Ein Auto habe er gar nicht. Für die Fahrten von seinem Tiny House am östlichen Innenstadtrand aus zur Arbeitsstelle nach Verl - unter anderem morgens die Artur-Ladebeck-Straße rauf - sei die Unterstützung schon super. Richtung Hoberge fahre er regelmäßig. Auch die Alternativroute oberhalb der Kita Villa Kunterbunt entlang, die etwa die Hälfte des geplanten Radstücks im Johannistal abdecken würde, kennt er. Die Variante sei ja auch geprüft worden. &bdquo;Aber für ältere Menschen oder Kinder ohne E-Bikes wäre das hier entlang nicht so klasse“, sagt Hallau. Zudem sei ja das Ziel, dass zukünftig auch hier deutlich mehr Radfahrer unterwegs sind. Entsprechender Platz dafür, so wie in Holland, sei die Vision. Hand aufs Herz, Herr Nürnberger, Herr Hallau: Hier kommt man als Radfahrer doch wirklich gut entlang, oder? Ingo Nürnberger: Geplant ist hier der Lückenschluss zwischen der Fahrradbrücke und dem Radweg ab der Uhlandstraße, eine logische Maßnahme. Radfahrer erhalten eine eigene Spur, die Fußgänger deutlich mehr Platz. Dominic Hallau: Wir machen solche Maßnahmen nicht für diejenigen, die jetzt schon Rad fahren, die kommen klar. Wir machen sie für die Kinder, Ältere oder Gelegenheitsradfahrer. Die werden das Rad öfters nutzen, weil wir die Sicherheit erhöhen - auch im Johannistal. Muss dieses umstrittene Stückchen Radweg denn wirklich sein? Hallau: Der Abschnitt schließt eine Lücke auf einer Hauptverkehrsroute zwischen Hoberge-Uerentrup und Stieghorst. Es geht um Sicherheit, über die demokratisch abgestimmt wurde, ganz wichtig in heutiger Zeit. Nürnberger: Die Situation für Radfahrer und Fußgänger wird hier klar verbessert. Dafür lohnt es sich, zu streiten. Der Auto- und Busverkehr wird nicht beeinträchtigt. Allerdings fallen zwei Dutzend Parkplätze weg. Alle müssen sparen, vielerorts fehlt Geld: Muss man jetzt nicht jede Ausgabe nochmal ganz genau prüfen? Nürnberger: Mir geht es definitiv nicht um verkehrspolitische Prestigeprojekte. Ich bin dafür, die bestehenden Radwege zu erhalten und gut zu pflegen und vorrangig leicht umsetzbare Ausbaumaßnahmen vorzunehmen. Lückenschlüsse wie hier im Johannistal gehören dazu. Hallau: Bei Verkehrskosten fielen mir andere Sparmaßnahmen ein, etwa die L712n oder die Ortsumgehung Ummeln. Die Fahrrad- und Fußverkehrsinfrastruktur ist die günstigste in der Mobilität, die so wichtigen positiven Faktoren Gesundheit, Lärm, Luftqualität und CO2-Einsparung lasse ich mal weg, das ist selbsterklärend. Radler gegen Autofahrer statt eines rücksichtsvollen Miteinanders: So nehmen viele die Verkehrswende bisher wahr. Wie sehen Sie das? Hallau: Veränderungen erzeugen immer Widerstand und leider gibt es Politiker, die dieses Gegeneinander befeuern. Das nutzt am Ende nur denjenigen, deren politische Ideologie aus Gegnerschaft beruht. Mein Stil ist ein verbindender, basierend auf Fakten, die beste Lösung für möglichst viele Bielefelder zu finden. Nürnberger: Ich nehme wahr, dass im Stadtrat die einen am liebsten gar nichts ändern wollen und die anderen sich schwertun mit pragmatischen Kompromissen. Ich fühle mich mit der SPD in der Position dazwischen ganz wohl – wir sorgen für umsetzbare und vermittelbare Lösungen. Mehr Autos denn je auf Bielefelder Straßen: Laut der aktuellen Zahlen scheint die &bdquo;Verkehrserziehung“ bisher nicht zu funktionieren. Wie könnte das zukünftig besser werden? Nürnberger: Ich will gar keinen erziehen. Unsere Flächen- und Pendlerstadt wird auch immer eine Stadt mit viel Autoverkehr sein. Aber wir müssen die Bedingungen für Radfahrer, Fußgänger und für den ÖPNV verbessern. Damit machen wir unsere Stadt noch lebenswerter. Hallau: Ich bin der Einzige in meiner Familie, der nicht Lehrer geworden ist - an Erziehung habe ich kein Interesse. Trotz steigender Pkw-Zahlen ist der Anteil an Radverkehr in den letzten Jahren um acht Prozent gestiegen, der Pkw-Verkehr erstmals unter 50 Prozent gesunken - auch dank unserer Maßnahmen.

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