Bielefelder Galerie Baumgarte wird 50: Das sind die Pläne für die Zukunft

Herr Baumgarte, was wünschen Sie sich für Ihre Galerie zum 50. Geburtstag? Alexander Baumgarte: Ich wünsche mir vor allem ein wenig mehr Besinnung auf die Kunst. Wie meinen Sie das? Wir leben in unglaublich kurzlebigen Zeiten. Social Media und nun die künstliche Intelligenz beschleunigen unser Leben und verändern es rasant. Eben auch den Kunstmarkt, der immer vielfältiger, reicher, aber auch immer unübersichtlicher wird mit seinen überbordenden Angeboten an neuen Künstlern, Werken und der riesigen Informationsflut über die Kunst und das rund um den Globus, sodass ich als Galerist und Kunstvermittler manchmal das Gefühl habe, gar nicht mehr hinterherkommen zu können. Deshalb wünsche ich mir, wieder mehr Zeit zu haben, um mich mit den Künstlern und ihren Arbeiten stärker auseinandersetzen zu können. Das wünsche ich übrigens auch dem Kunstbetrachtenden. Sind also Social Media und künstliche Intelligenz die größte Herausforderung für eine Galerie heute? Nein, es bleibt weiterhin die größte Aufgabe für den Galeristen, weltweit interessante Künstlerinnen und Künstler zu finden, den Überblick zu behalten, sich nicht irritieren zu lassen und weiterhin eine klare Linie für das eigene Haus zu finden und zu bewahren. Wie definieren Sie diese für Ihre Galerie? Ich habe, seitdem ich Anfang der 90er-Jahre sehr jung die Verantwortung für die Galerie trage, immer das ausgestellt, was mir persönlich wichtig war, nämlich eine Mischung aus international bereits bedeutsamen Künstlern wie zum Beispiel Botero, Stella oder Calder und neuen, jungen, experimentellen Positionen wie Apelbaum, Chiarucci, Magan und das stil- und epochenübergreifend. Das ist schon eine Herausforderung für ein privatwirtschaftlich arbeitendes Haus, denn das Publikum in Bielefeld war und ist seltener per se offen für Neues und Experimentelles in der Kunst. Lesen Sie auch: Ausstellung in Bielefeld eröffnet: Neue Werke von Konzeptkünstlern zu sehen Hat Bielefeld einen Standortnachteil gegenüber großen deutschen Kunstzentren wie Berlin, Köln oder München? Ja und Nein. Wir liegen hier strategisch zwar gut, auch wenn viele, die wir in Sachen Kunst weltweit beraten, immer noch fragen, wo Bielefeld eigentlich zu finden sei und schnell der Spruch kommt, Bielefeld gibt’s doch gar nicht. Aber das stachelt mich dann eher an, ihnen zu zeigen, dass Bielefeld existiert und es keine verschnarchte Provinzstadt ist, weil es uns ja auch gibt. Also ein guter Kunststandort? Nicht ganz. Man muss gezielt herfahren und es gibt eine gewisse hanseatische Art des Understatements, die sich auch im Umgang mit der Kunst zeigt. Es wird oft eher das Vergleichbare geschätzt, was in Berlin und New York zu sehen ist, als das, was zum Beispiel hier gezeigt wird. Auch wenn inzwischen deutlich mehr junge Leute ohne Hemmschwelle in die Galerie kommen und wir unsere Besucherzahlen stark steigern konnten, bleibt festzustellen, dass die Freude daran, Kunst zu entdecken, in dieser Stadt immer noch ausbaufähiger ist. Das hat schon meine Mutter Ruth, die ja 1975 den Vorläufer dieser Galerie begründet hat, erlebt und in ihren Notizen festgehalten. Sie müssen die Menschen in Bielefeld sehr stark zur Kunst hin schubsen. Das Leben mit der Kunst hat hier viel weniger Selbstverständliches als in anderen Zentren, obgleich wir seit 1968 über eine bedeutende Kunsthalle verfügen. Lesen Sie auch: Attacken auf Gemälde: &bdquo;Das sind blindwütige Angriffe auf die Kunst“ Sie bleiben dennoch dem Standort Bielefeld treu? Ja. Aber natürlich schauen wir immer, wie wir uns weiterentwickeln können. So haben wird zum Beispiel 2016 in Zürich zusätzlich eine Kunsthandelsgesellschaft mit einem Showroom gegründet. Es kann gut sein, dass sich daraus in der Schweiz langfristig nun noch mehr entwickelt. Noch ist aber nichts spruchreif. Doch da mein ganzes Leben von Kunst und Kultur geprägt ist, schließe ich nie aus, immer wieder Neues zu entwickeln. Was hat Ihre Mutter 1975 eigentlich bewogen, die kleine Galerie &bdquo;Das Fenster“ zu gründen, aus der die Samuelis Baumgarte Galerie dann hervorgegangen ist? Sie wollte sich zum einen aus ihrem familiären Umfeld befreien und zudem als Malerin etwas für ihre Künstlerkollegen in Bielefeld und überregional tun, die kaum Ausstellungsmöglichkeiten hatten. Das war eine Pionierleistung. Lesen Sie auch: Krone für Ruth Baumgartes Lebenswerk Was hat Sie dazu gebracht, ihr nachzufolgen, die kleine Galerie auszubauen und zu ihrer heutigen Größe zu bringen? Meine Eltern wollten, dass ich Rechtsanwalt werde, und ich habe tatsächlich auch Jura studiert, aber das hat mich nie wirklich begeistert. Viel lieber habe ich bereits als Schüler in der Galerie mitgearbeitet. Und so habe ich sie später dann auch übernommen, bin international in die höchst spannende Kunstwelt eingetaucht, habe mich intensiv eingearbeitet und ein großes Netzwerk geschaffen. Aber ich muss schon zugeben, dass ich anfangs vom Kunstmarkt keine große Kenntnis hatte. Doch ich war immer sehr neugierig und bin es bis heute, sodass wir uns mit den Jahren international sehr gut etablieren konnten. Wie viele Künstler vertreten Sie derzeit? Es sind 25, und wir haben hier am Standort zwölf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Künstler und Sammler sind keine einfache Klientel. Was braucht ein Galerist besonders? Einen hohen Grad an Markt- und Menschenkenntnis, viel Fingerspitzengefühl, Wertschätzung, Optimismus, eine hohe Frustrationstoleranz und immer die Bereitschaft, für die Kunst weiterzumachen. Brauchen Künstler in Zeiten des Internets überhaupt noch Galeristen, um sich bekannt zu machen? Ja, ich bin fest davon überzeugt, dass ein Künstler ohne Galerie ein verlorener Künstler ist, denn das Internet kann nicht ersetzen, was der Galerist mit seinem Netzwerk ermöglicht. Aber das Internet und vor allem Social Media helfen natürlich dabei, einen Künstler der Öffentlichkeit breiter bekannter zu machen. Doch das ersetzt die intime Kenntnis des Kunstmarkts, der Sammlerszene und der Ausstellungsmöglichkeiten nicht. Die hat nur der Galerist. Sie betreiben als zweites Standbein das Artconsulting, beraten Unternehmen in Sachen Kunst, statten Firmenzentralen und Kreuzfahrtschiffe mit Kunst aus. Bleibt es dabei? Ja, auf jeden Fall. Ein faszinierendes Feld zwischen Kunst, Architektur und Corporate Identity. Wo entdecken Sie derzeit eigentlich besonders spannende Künstlerinnen und Künstler? Eigentlich überall zunehmend in Nord- und Südamerika, den Emiraten und Indien. Dort sind gerade sehr, sehr spannende Künstlerinnen und Künstler zu entdecken. Was raten Sie jemanden, der Kunst sammeln möchte? Künftige Sammler sollten vor allem ihrem Gefühl und ihrem Herzen vertrauen und nicht nur auf den Markt und die schillernden Namen in den Medien schielen. Wichtig ist es, sich in den Kunstakademien bei den Rundgängen, in den Museen und Galerien zu tummeln, um herauszufinden, was einen wirklich anspricht. Wo wird Ihre Galerie in 25 Jahren stehen? Das weiß ich nicht. Aber eines weiß ich, ich bleibe neugierig auf die Kunst und die Welt, stehe gerne am Meer, schaue auf den Horizont und möchte dahinter weitermachen. Ach ja, etwas Kleines wird sich noch in diesem Jahr in unserer Galerie verändern. Wir werden im Erdgeschoss eine Art Lounge mit Bibliothek zum Verweilen bei einem Kaffee eröffnen. Und dann noch dies: In Zukunft sollte der Tag besser 48 als 24 Stunden für mich haben, denn ich möchte noch so viel bewegen und viel mehr Zeit haben, mich als künstlerischer Mensch, mit Kunst zu befassen. Zudem würde es mich freuen, wenn sich immer mehr Menschen, egal wer sie sind, sich auch auf die Kunst einlassen und ohne Berührungsängste zu uns in die Galerie kommen würden. Ansonsten halte ich es auch für die Zukunft mit unserer kürzlich verstorbenen Freundin, der Schauspielerin Hannelore Hoger, die auf ihre Trauerkarte den Satz drucken ließ: &bdquo;Den Tod lehne ich ab.“ Hintergrund Die Malerin Ruth Baumgarte (1923-2013) hat 1975 die kleine Galerie &bdquo;Das Fenster“ in Bielefeld (Breite Straße) gegründet. Seit 1985 führt ihr Sohn Alexander Baumgarte sie unter dem neuen Namen Galerie Samuelis Baumgarte – zunächst an der Obernstraße. Seit 2005 ist die Galerie im Gebäude der ehemaligen Dresdner Bank am Niederwall 10 auf 1.000 Quadratmetern beheimatet. Zur Eröffnungsgala kamen damals 1.600 Gäste. Baumgarte hat die Galerie weit über die Region hinaus zu einer wichtigen Adresse in Sachen Kunst entwickelt. Gefeiert wird das 50-jährige Bestehen im September mit einer Charity-Aktion zugunsten der Stiftung Deutsche Schlaganfallhilfe in Gütersloh. Am 23. Januar ab 18 Uhr gibt es einen Neujahrsempfang, der auch bereits im Zeichen des 50-jährigen Jubiläums steht.

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