Bielefelder Oberbürgermeister im Gespräch: 26 zentrale Themen der Stadt

Bielefeld. Die Amtszeit von Oberbürgermeister Pit Clausen (SPD) neigt sich dem Ende zu. Bei der Kommunalwahl im kommenden Jahr tritt er nicht mehr an. Manche Hürde wie der Doppelhaushalt 2025/26 ist genommen. Manche kontroverse Debatte steht ihm auch in den verbleibenden Monaten noch bevor. Eine Bestandsaufnahme von A bis Z. A wie Altstadt &bdquo;Wir haben mit großem Engagement den Prozess zur Umgestaltung der Altstadt neu aufgesetzt. Wir werden nicht alle Konflikte vermeiden können. Aber im Dialog mit den jeweiligen Interessengruppen haben wir jetzt eine tragfähige Lösung gefunden. Nach dem Wegzug der &bdquo;NW“ wird mit dem dort geplanten Neubau eine ähnliche Baustelle entstehen wie seinerzeit beim Loom. Das Projekt ist von entscheidender Bedeutung für die künftige Entwicklung der Altstadt.“ B wie Baulandstrategie Nach der 2019 beschlossenen Baulandstrategie tritt die Stadt als eine Art Grundstückszwischenhändler auf, um regulierend auf die enorm gestiegenen Baulandpreise einzuwirken. Kritiker sagen: Das hat bislang nicht funktioniert. Dazu Clausen: &bdquo;Wir haben uns sehr lange mit Bebauungsplanverfahren beschäftigen müssen, die von den Regelungen der Baulandstrategie ausgenommen waren. Wir nähern uns jetzt dem Punkt, wo es wechselt, und entwickeln die neuen Pläne auf der Grundlage unserer Strategie. Den Höhenflug der Preise von Grund und Boden kann man mit der Baulandstrategie deckeln. Deshalb ist die Strategie ein wichtiges Modul in einer aktiven Wohnungsbaupolitik.“ C wie Clausen Was hat sich der Rathaus-Chef bis zum Ende seiner Amtszeit vorgenommen? Was kommt danach? &bdquo;Jetzt habe ich erst mal noch gut zu tun. Es wird noch viel um Projektentwicklung, etwa im Schulbau, gehen. Neue Impulse will ich auch noch der Wirtschaftsförderung setzen. Ich schaue mit zwei lachenden Augen auf die Zeit danach, aber ich werde diesen neuen Abschnitt ganz gelassen angehen. Ich bin offen für ein ehrenamtliches Engagement in unserer Stadt. Konkret geplant ist da aber noch nichts.“ D wie Digitalisierung &bdquo;Das Rathaus könnte digitaler sein, aber wir sind auch nicht bei Null. In einigen Bereichen wie den Einbürgerungsverfahren sind wir bundesweit Vorreiter. Damit es weiter vorangehen kann, wäre es hilfreich, wenn seitens des Bundes und des Landes bestimmte Schnittstellen geklärt wären. Wir haben mehr als 1.000 Dienstleitungsprodukte. Es ist nicht trivial, diese bürgerfreundlich zu digitalisieren.“ E wie Etat Bielefeld gibt nächstes Jahr die Rekordsumme von 1,9 Milliarden Euro aus. Finanziell wird es eng. Einnahmen und Ausgaben werden lange Zeit nicht mehr auszugleichen sein. &bdquo;Den Doppelhaushalt 2025/26 hinzubekommen, war keine Selbstverständlichkeit“, sagt Clausen dazu. &bdquo;Wir sind restriktiv an die Sache herangegangen, sonst hätten wir die Latte gerissen. Ein Haushaltssicherungskonzept wird es nicht geben.“ Generell gelte: Städte und Gemeinden seien in Deutschland strukturell unterfinanziert. &bdquo;Die Kommunen müssen der Bundesregierung deutlich sagen: Ihr fahrt die Daseinsvorsorge vor Ort in den Klump, wenn Ihr in Eurer Berliner Ministerialblase nicht endlich mal merkt, was hier vor Ort passiert.“ F wie Fahrradvideo 100.000 Euro haben ein städtisches Fahrrad-Werbevideo und die dazugehörige Premierenparty gekostet. Das hat Bielefeld Negativschlagzeilen eingebracht. Clausen: &bdquo;Das ist wirklich schlecht gelaufen. Der zuständige Dezernent hat sich öffentlich entschuldigt. Das war nicht gut gemanagt. Wir haben daraus Konsequenzen gezogen. Aber ein Budget für Kommunikation in der Verkehrswende ist grundsätzlich richtig.“ G wie Gewerbegebiete Es stehen genau null Hektar Gewerbegebiete zur Verfügung, lautet die Kritik. Aber das will Clausen so nicht gelten lassen. &bdquo;Wir werden voraussichtlich zusammen mit der Stadt Gütersloh ein gemeinsames interkommunales Gewerbegebiet mit rund 20 Hektar entwickeln. Es gibt weitere Pläne. Man muss unterscheiden wischen dem Planungsrecht, also aus einem Acker eine Gewerbefläche zu machen. Da kann bis zu zwei Jahre dauern. Wo es Planungsrecht gibt, sind oft andere Hindernisse im Weg, etwa die verkehrliche Erschließung. Wir haben eine Arbeitsgruppe, mit der wir jede einzelne Fläche durchgegangen sind. Es wird uns in den kommenden Monaten noch gelingen, Flächen an den Markt zu ringen.“ H wie Haus des Handwerks &bdquo;Die Entscheidung der Bezirksvertretung Mitte, das Haus des Handwerks nicht auf die Denkmalliste zu setzen, ist final. Es ist kein weiterer Gremienbeschluss erforderlich, um das Gebäude zu kaufen. Den Beschluss aus der Bezirksvertretung Mitte haben wir an die Obere Denkmalbehörde weitergegeben. Es geht darum, dem Gymnasium am Waldhof endlich eine Entwicklungsperspektive zu geben. Ab 2026 müssen dort 120 zusätzlich Schüler untergebracht werden, und deshalb muss das HdH für eine Waldhof-Erweiterung weichen.“ I wie Investitionen Etat auf Kante genäht, Investitionen in Milliardenhöhe. Wie geht das? &bdquo;Wir liegen jetzt bei einem Investitionsvolumen von 1,3 Milliarden Euro alleine für Hochbaumaßnahmen. Darüber hinaus müssen die Straßen erneuert, Fahrradwege gebaut, Breitband verlegt, Kanäle gelegt, Elektroleitungen verstärkt werden und manches mehr. Der Investitionsbedarf ist enorm. Deshalb müssen wir auch priorisieren, manches zeitlich strecken und ständig neu prüfen, welche Standards wir uns leisten können und ob sich Bedarfe nicht doch wieder geändert haben.“ J wie Jahnplatztunnel &bdquo;Der Rat hat der Verwaltung den Auftrag erteilt, den Tunnel zu kaufen, und darüber sind wir mit dem Eigentümer im Gespräch“, sagt Clausen. &bdquo;Wir sollen uns auch über die Nachnutzung Gedanken machen.“ Der Oberbürgermeister war immer für den Ankauf und will den Tunnel dann schließen. &bdquo;Ich habe Zweifel, dort etwas unterirdisch mit besonderer Strahlkraft zu entwickeln. Ich möchte den Tunnel gern geschlossen haben, damit dort nicht ein neuer Problemort entsteht.“ K wie klimaneutral Bielefeld klimaneutral 2030 – das ist nicht zu schaffen. Warum wird an solchen symbolischen Aussagen festgehalten? &bdquo;Richtig ist, dass eine Großstadt wie Bielefeld dieses Zeitziel nicht erreichen kann. Aber genauso richtig ist, dass wir uns in dem Bemühen als Stadt Beiträge zu initiieren und auch selbst zu leisten, noch mehr anstrengen müssen als in der Vergangenheit. Wir werden im Januar berichten, wie der Stadt der Dinge bei der Wärmeplanung ist. Es geht nicht nur um die Fernwärme, es geht auch um Nahwärme- und Nahkälterversorgung. Man muss auch ehrlich über einen Anschluss- und Benutzungszwang reden. Das heißt nicht, dass die gerade installierte Gasheizung wieder raus muss. Das heißt aber, dass bei Neubauten Vorgaben gemacht werden können. L wie Ladesäulen Für Elektroautos sollen bis 2030 rund 550 Ladepunkte geschaffen werden, damit zwei Drittel des Bedarfs gedeckt sein. &bdquo;Das ist ein weiterer wichtiger Beitrag zur Klimawende“, sagt Clausen. M wie Moss Nach 24 Jahren als Planungsdezernent geht Gregor Moss in Pension. &bdquo;Er ist der dienstälteste Dezernent einer Stadt in NRW“, sagt Clausen. &bdquo;Er hinterlässt große Fußstapfen. Gregor Moss hat dese Stadt baulich modernisiert. Er hat dafür gekämpft, dass sich Bielefeld auf etwas Neues einlässt, und hat immer darauf geachtet, dass etwas machbar und bezahlbar sein muss.“ N wie Nürnberger Sozialdezernent Ingo Nürnberger (SPD) will Clausens Nachfolger werden. &bdquo;Ingo Nürnberger ist ein hervorragender Verwaltungsmann, hat das Herz am rechten Fleck und ist ein geradliniger Sozialdemokrat. Ich kann ihn als meinen Nachfolger nur empfehlen“, sagt Clausen. Über Nürnbergers Mitbewerberin Christiana Bauer (CDU) sagt er: &bdquo;Ich bin Frau Bauer jetzt des Öfteren begegnet. Eine fachkundige, angenehme Gesprächspartnerin.“ O wie Ortsumgehung Straßenbau hat es inzwischen schwer. Die anhaltende Debatte um die Ortsumgehung Ummeln ist dafür ein Beispiel.&bdquo;Wir als Stadt sehen die Notwenigkeit für dieses Projekt durch Verkehrszählungen belegt“, sagt Clausen. &bdquo;Dafür steht die Verkehrsentwicklung. Wirtschafts- und Pendlerverkehr müssen sichergestellt sein. Wir erhoffen uns davon auch eine Entlastung des Ortskerns und eine Verbesserung der Lebensqualität der Menschen.“ P wie Parkraumbewirtschaftung In weiten Teilen der Stadt sollen Autofahrer künftig fürs Parken zahlen, sollen Anwohner kostenpflichtige Parkausweise erhalten. &bdquo;Ich bin sehr für eine differenzierte Betrachtung“, betont Clausen. Man müsse schauen, wie die Lage in den unterschiedlichen Quartieren ist. In den angedachten Zonen könne man zu ganz unterschiedlichen Lösungen kommen. &bdquo;Ich würde empfehlen, nicht mit abschreckenden Preisen in eine flächendeckende Parkraumbewirtschaftung zu gehen. Für eine solche Kursänderung in der Verkehrspolitik müssen wir werben. Das kann mit zu hohen Preisvorstellungen nicht gelingen.“ Q wie Quartiersparkhäuser &bdquo;Die Quartiersparkhäuser hängen mit der Parkraumbewirtschaftung eng zusammen. Sie können in allen Stadtbezirken sinnvoll sein und müssen bewirtschaftet werden. Ob das die Verkehrsbetriebe Mobiel machen oder ein anderer Partner, das ist am Ende gleich. Die Stadt selbst sollte es nicht machen.“ R wie Radentscheid Der Vertrag mit der Initiative Radentscheid über den Ausbau der Fahrradinfrastruktur ist nach wie vor umstritten. Clausen: &bdquo;Es war eine richtige Entscheidung. Viele Tausend Bielefelder haben den Radentscheid mit seinen teils einschneidenden Forderungen unterstützt. Beim Vertrag ging es darum, eine Möglichkeit zu finden, wie man das an sich berechtigte Interesse aufgreifen kann, ohne sich bei der Umsetzung zu verheben. Im Vertrag stehen Ziele, aber auch Umsetzungsvorbehalte. Es stimmt einfach nicht, was die FDP sagt, dass wir uns dem Diktat von Initiativen unterworfen hätten.“ S wie Sicherheit &bdquo;Ich möchte erreichen, dass wir möglichst schnell einen neuen Standort für die Stadtwache etablieren“, sagt Clausen. &bdquo;Die Kooperationsvereinbarung zwischen Stadt und Polizei ist eine wichtige Weichenstellung. Das Miteinander zwischen Stadt und Polizei war noch nie so intensiv wie jetzt. Es war aber auch noch nie so nötig. Es gibt eine Verdoppelung der Szene in der Innenstadt und eine Veränderung des Verhaltens, weil immer mehr Crack konsumieren. Ich will mich aber nicht von populistischen Stimmen unter Druck setzen lassen, nach dem Motto: Jetzt treiben wir hier mal die Leute weg. Oft geht es schließlich um suchtkranke Menschen, denen geholfen werden muss. T wie Tanzsteuer Kann man auf die und die Einnahmen in Höhe von 250.000 Euro nicht verzichten, fragten CDU und FDP bei den Etatberatungen. &bdquo;Die Koalition hat die Aussetzung der Tanzsteuer um zwei Jahre verlängert. Das wurde durch eine Verbesserung im städtischen Haushalt infolge einer verringerten Umlage seitens des Landschaftsverbandes möglich. Für 2027 kann neu entschieden werden.“ U wie Umleitungen &bdquo;Ich freue mich nicht über die Umleitungen, aber ich freue mich über die Bautätigkeit in der Stadt“, betont der OB. &bdquo;Das zeigt, dass wir in der Lage sind, die notwendigen Investitionen in die Infrastruktur zu tätigen, beim Breitbandausbau, beim Kanalbau, bei der Fernwärme. Zur Wahrheit gehört: Es wird eher mehr Baustellen geben, etwa um das Stromnetz fit zu machen.“ V wie Volkes Stimme Die Stadt probiert neue Formen der Bürgerbeteiligung aus. Wie wichtig ist das? &bdquo;Wir kommen als Stadt immer weniger gegen die Meinungsmache in den sozialen Medien an. Deshalb suchen wir nach neuen Beteiligungsformaten, wie dem Bürgerdialog, den die Dezernenten und ich jetzt geführt haben. Wir arbeiten aber auch an anderen Konzepten. Es geht darum, die Arbeit im Rathaus transparenter und allgemein verständlich zu machen.“ W wie Wissenswerkstadt Die Experimentierinsel mitten in der City ist ein Lieblingsprojekt von Pit Clausen. &bdquo;Es hat mehr als zehn Jahre gedauert, das Vorhaben umzusetzen. Es ist nicht problemlos gelaufen.“ Dass die Stadt die frühere Stadtbibliothek für einen privaten Investor umgebaut hat, findet auch Clausen nicht optimal. &bdquo;Aber am Ende hat es geklappt. Das Konzept entwickelt sich jetzt weiter. 50.000 Menschen sind schon gekommen. Das ist deutlich über Plan. Es gibt Bedarf für einen Ort der Wissenschaftskommunikation.“ X wie XXL-Koalition Die Kooperationsvereinbarung mit der Polizei oder eine Entscheidung zur Innenstadtentwicklung wurden von Rot-Grün-Rot und CDU gemeinsam beschlossen. Braucht Bielefeld eine XXL-Koalition? &bdquo;Ich nehme wahr, dass es bei der Koalition und der CDU eine Bereitschaft zu punktueller Zusammenarbeit gibt. Das ist wichtig bei Projekten, die weit über eine Wahlperiode hinausreichen. Y wie Generation Y Pit Clausen ist 62, gehört also zur Boomer-Generation. Jetzt rücken auch im Rathaus Menschen aus der Generation Y in Verantwortung (geboren in den 80-er und 90-er Jahren). Schaffen die das? &bdquo;Jede Generation hat das Privileg, sich neu auszurichten und nicht alles so zu machen, wie es die Alten vorgemacht haben. Ich bin nicht so altklug, als dass ich Weisheiten und Verhaltenstipps an eine andere Generation gebe.“ Z wie Zweitausendfünfundzwanzig &bdquo;Ich würde mir sehr wünschen, dass die kriegerischen Auseinandersetzungen überwunden werden. Ich hoffe, dass wir 2025 mehr Frieden in der Welt haben als 2024.“ News direkt aufs Smartphone: Hier finden Sie den kostenlosen Whatsapp-Kanal der NW Bielefeld

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