Bielefelder Unfallopfer warnt vor tödlicher Gefahr auf dieser Straße

Bielefeld. &bdquo;Diese Allee ist lebensgefährlich“, sagt der Bielefelder Pascal Rambow. &bdquo;Am Straßenrand warnen die Behörden zwar vor Straßenschäden, trotzdem gilt hier weiterhin Tempo 100. Das verstehe ich nicht.“ Der 40-Jährige und sein Bruder werden am 27. Juli 2022 bei einem Unfall auf dem Abschnitt der Bechterdisser Straße lebensgefährlich verletzt. Seitdem kämpfen sich die Brüder zurück ins Leben. Doch vor Ort ereignen sich weitere sehr schwere Unfälle. Knapp ein Jahr später – am 27. Juni 2023 – prallt wieder ein Autofahrer gegen einen der Alleebäume, auch er wird dabei lebensgefährlich verletzt. Dann vergeht noch ein gutes Jahr, bis am 1. Oktober dieses Jahres hier sogar ein 46-jähriger Autofahrer aus Lemgo stirbt. Die Polizei geht nach der Auswertung der aktuellen Spuren davon aus, dass &bdquo;nicht angepasste Geschwindigkeit angesichts der Witterung und der Straßenverhältnisse“ Unfallursache war, sagt Polizeisprecherin Sonja Rehmert. Denn die Bechterdisser Straße verläuft zwischen Evenhauser Straße und Dingerdisser Heide (Meerkotten) zwar einigermaßen geradlinig, aber die Allee ist sehr eng und die Wurzeln der Bäume haben den Asphalt an vielen Stellen gehörig aufgeworfen. News direkt aufs Smartphone: Hier finden Sie den kostenlosen Whatsapp-Kanal der NW Bielefeld Auto des Bielefelders schaukelt sich auf Sie hatten keine Eile am 27. Juli 2022, die Brüder hatten gerade ihren VW Lupo von einem Bekannten in Lippe abgeholt und waren auf dem Weg zurück nach Heepen. Pascal Rambow ist sich sicher, dass sein VW Lupo aufgrund der großen Bodenwellen am Straßenrand plötzlich hoch wippte, als er einem entgegenkommenden Fahrzeug ausweichen musste. &bdquo;Der Wagen hat sich aufgeschaukelt. Ich weiß nur noch, wie das Auto nach links, rechts, links und dann wieder nach rechts schleuderte und schließlich mit der linken Front gegen diesen Baum prallte.“ Der Baum, an dem heute ein Smiley gesprüht ist, gibt nicht nach. Reifen und Getriebe drücken massiv in den Innenraum. Der damals 38-Jährige wird im Fußraum seines Wagens eingeklemmt. Seine Beine brechen mehrfach. Auch sein Bruder wird lebensgefährlich verletzt, kann aber von Ersthelfern befreit werden. Nicht so der Fahrer: &bdquo;Ein Unterschenkel hing nur noch an der Haut“, berichtet Rambow heute über die dramatischen Momente, die ihn fast das Leben gekostet hätten. &bdquo;Als Erstes habe ich gedacht: Wo ist mein Bruder? Und dann: Jetzt muss ich sterben.“ &bdquo;Meinen Rettern sage ich vielen Dank, dass ich noch lebe“ Im Motorraum war nach dem Crash ein Feuer ausgebrochen. Rauch dringen ins Innere des Wagens. Eine Autofahrerin hatte zum Glück einen kleinen Feuerlöscher dabei. &bdquo;So ein kleines Einweggerät kann Leben retten“, sagt Rambow heute. &bdquo;Seitdem hat jeder in unserer Familie so einen Feuerlöscher im Auto.“ Auch Michael, ein Freund des Heepers, fährt zum Zeitpunkt des Unfalls nur ein paar Fahrzeuge hinter den Brüdern und ist mit mehreren Ersthelfern sofort an der Unfallstelle: &bdquo;Er hat erst das Feuer gelöscht und dann hat er mich beruhigt. Er hat mir gesagt, dass mein Bruder in Sicherheit ist.“ Da habe er ihm das Versprechen abgerungen, dass er sich um seine beiden Kinder kümmert, sollte er hier sterben. &bdquo;Heute sage ich dem lieben Gott und all meinen Rettern ,Vielen Dank’, dass ich noch lebe.“ Wer Bilder von seinem Unfallwagen sehe, kann kaum glauben, dass er da lebend rausgekommen sei. Lesen Sie dazu: Furchtbarer Unfall in Bielefeld: Zwei Männer lebensgefährlich verletzt Die beiden Brüder haben großes Glück im Unglück. Die Freiwillige Feuerwehr Ubbedissen ist im Moment des Unfalls gerade auf dem Rückweg von einer Übung. Die ehrenamtlichen Retter haben gerade geübt, mit schwerem Gerät ein Auto zu öffnen, um Eingeklemmte aus dem Wrack zu befreien, als der Notruf eingeht und die Ubbedisser Retter zum Unfallort gerufen werden. Sie sind innerhalb weniger Minuten vor Ort – noch vor Notarzt und Rettungsdienst. Ein zweites Mal setzen sie ihre Hydraulikspreizer und -scheren an. Doch diesmal geht es um Leben und Tod. Feuerwehrleute sorgen für Durchblutung des zertrümmerten Beins Mario Düning und Karsten Kinzel sind diejenigen, die den Schwerstverletzten versorgen, bevor wenig später der Notarzt die Behandlung übernimmt: &bdquo;Die beiden Retter haben mir wahrscheinlich mein Bein gerettet.“ Wie Rambow es beschreibt, haben sie ihm nach dem Öffnen des Wracks sein Bein wieder gerade gezogen und damit erst wieder die Durchblutung des Beines ermöglicht. &bdquo;Sonst hätte es amputiert werden müssen“, sagt der 40-Jährige. Ein Jahr später sucht der Heeper beim Tag der offenen Tür der Löschabteilung seine Retter von damals, findet sie und bedankt sich für ihren erfolgreichen Einsatz. Rambow hat inzwischen eine lange Leidenszeit hinter sich. Zahlreiche OPs, unzählige Schrauben und Bleche stecken in seinem Körper. &bdquo;Ich danke meinen Ärzten im Krankenhaus für ihre Arbeit: Meine Beine sind ein medizinisches Kunstwerk.“ Jens Lohmaier, Leitender Oberarzt der Unfallchirurgie und Orthopädie im Evangelischen Klinikum Bethel, habe sich immer mit vollem Engagement um ihn gekümmert. Denn anfangs habe vieles für eine Amputation gesprochen. &bdquo;Aber Doktor Lohmaier wollte es ohne schaffen. Das rechne ich ihm und seinen Kollegen hoch an.“ Auch Kinder des Bielefelders leiden unter Unfall Trotzdem läuft so eine Rückkehr ins Leben nicht ohne Komplikationen. Es folgen Monate im Rollstuhl. Es kommt zu Rückschlägen. Multi-resistente Keime lösen eine Entzündung im Bein aus, Rambow muss wieder zurück in die Klinik. Seine Seele leidet in dieser Zeit genauso wie sein Körper. &bdquo;Ich war phasenweise wirklich kaputt. Ich weiß nicht, ob ich es geschafft hätte, wenn meine Lebensgefährtin und mein Großvater nicht ständig für mich da gewesen wären.“ Rambow ist voller Dankbarkeit für alle, der ihm in dieser Zeit beigestanden haben: Sein Freund Michael, die anderen Ersthelfer, die Retter von Feuerwehr und Rettungsdienst, die Ärzte im Krankenhaus, sein Großvater, der wie ein Vater für ihn ist, seine Lebensgefährtin, die Familie und natürlich seine Kinder. Rambow feiert inzwischen zweimal pro Jahr Geburtstag. Auch seine beiden Kinder (damals: 16 und 17 Jahre alt) leiden unter den Folgen des Unfalls – unter anderem auch unter den Kommentaren, die sie im Internet lesen und auch von manchen Bekannten hören müssen. Sie erfahren viel Schmutz und Besserwisserei. Viele reden schlecht über ihren Vater. &bdquo;Aber ich habe 0 Punkte, bin gelernter Lkw-Mechaniker“, betont der 40-Jährige. Auch ein Gerichtsverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung gegen Rambow wird eingestellt: Die Richterin habe viele Fragen gestellt, viele Vorwürfe erörtert. Aber es sei nichts davon übrig geblieben. Auch sein Bruder mache ihm bis heute keine Vorwürfe. Polizei Bielefeld bezeichnet Strecke nun als Unfallschwerpunkt Als jetzt im Oktober an dieser Strecke ein Mann sterben musste, &bdquo;hat mich das sehr mitgenommen“. Die ganzen Bilder seien wieder hochgekommen. Und auch all die Fragen seien wieder aufgetaucht, die damals schon seine Familie an die Behörden gestellt hätten: &bdquo;Warum ist hier Tempo 100 erlaubt?“ Natürlich wisse Rambow, dass niemand 100 km/h fahren müsse, auch wenn es erlaubt sei. Aber mit der Auflösung von Tempo 50 nach der letzten Kurve geben viele Autofahrer Gas, weil sie darauf vertrauen, dass die Strecke jetzt einwandfrei sei, sagt der Heeper. Der Abschnitt ist gerade mal 550 Meter lang, es gibt nur leichte Kurven. &bdquo;Aber diese Baumwurzeln am Straßenrand sind auch lebensgefährlich. Wenn ich hier einem Lkw ausweichen muss, ist nicht viel Platz. Da am Rand fliegt der Wagen ganz weg.“ Lesen Sie dazu: Tödlicher Unfall bei Regen: Autofahrer prallt gegen Alleebaum Auf Anfrage der Lokalredaktion berichtet Polizeisprecherin Sonja Rehmert, dass die Strecke bisher nicht als Unfallschwerpunkt galt. Das habe sich mit dem tödlichen Unfall nun geändert: Die Definition einer Unfallhäufungsstelle passiert rein statistisch: Wenn in einem Zeitraum von längstens einem Kalenderjahr oder bei einer Langzeitbetrachtung von drei Kalenderjahren die Richtwerte erreicht oder überschritten werden. 15 Unfälle in drei Jahren – Tempo 70 angeordnet Dieser Richtwert ist nun mit dem tödlichen Unfall 2024 erreicht, bestätigt Rehmert. Die Unfallermittler gehen als Ursache im jüngsten Fall von nicht angepasster Geschwindigkeit aus – zum einen, weil es geregnet hat, zum anderen aber auch, weil die Straßenverhältnisse es nicht zugelassen hätten. Seitdem stehe die Polizei in engem Austausch mit der Stadt Bielefeld. Denn die Auflösung von Gefahrenstellen im Verkehr ist Aufgabe der Unfallkommission, bestehend aus vielen Protagonisten der zuständigen Ämter. Die Stadt berichtet dazu: Auf einer Strecke von etwa zwei Kilometern der Bechterdisser Straße (zwischen Schmetterlingsweg und Meerkotten, Nummer 170) habe es in den letzten drei Jahren 15 Verkehrsunfälle gegeben. &bdquo;Mit dem neuen schweren Unfall besteht dort jetzt eine Unfallhäufungslinie, welche in der nächsten Unfallkommission behandelt wird.“ Außerdem sei die Strecke &bdquo;am Donnerstag, 17. Oktober, bei einem Ortstermin begutachtet“ worden. Das Ergebnis war offenbar eindeutig: Das Warnschild &bdquo;Achtung, Straßenschäden!“ und eine Temporeduzierung auf 70 km/h wurden nun für den Abschnitt angeordnet. Eine Sanierung der Straßendecke sei derzeit allerdings nicht geplant. Pascal Rambow ist nicht gänzlich zufrieden, dass seine Kritik nun Gehör gefunden hat. Denn die Kritik hatte seine Familie schon vor zwei Jahren geäußert. Vielleicht hätte früheres Handeln einen der Unfälle verhindern können?

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