Das sagen unsere Leser zur ICE-Trasse durchs Bielefelder Johannisbachtal

Bielefeld. Eine neue ICE-Schnellbahntrasse soll den Verkehr zwischen Bielefeld und Hannover beschleunigen, und sie ist höchst umstritten. Die Deutsche Bahn (DB) hat im Sommer nach jahrelanger Vorarbeit zwölf Trassenvarianten vorgestellt, &bdquo;die technisch umsetzbar und zielerfüllend wären“, wie es hieß. Doch das hat Folgen für Bielefeld. Dazu hatte sich auch Christopher Kopper, der an der Universität Bielefeld – eines seiner Spezialgebiete ist die Deutsche Bahn – lehrt, im &bdquo;nw.de“-Interview geäußert. Hier veröffentlichen wir einige Lesermeinungen: Leser aus Bielefeld: &bdquo;Das Unternehmensziel heißt Profit“ Was ich von einem Schienennetz Deutsche Bahn erwarte, ist, dass mich dieses Transportmittel zuverlässig, kalkulierbar, bezahlbar und pünktlich von A nach B bringt. So wie das vor 40 Jahren noch die Regel war. Da war die Bahn ein Staatsunternehmen. Die Menschen, die dort arbeiteten, waren verbeamtet, konnten somit auch nicht streiken, wurden angemessen bezahlt und das Geld für Verkehrswege wurde (theoretisch) in die Schienen und die Züge gesteckt und nicht gewinnorientierten Privatfirmen überlassen. Staatsziel war es einmal, möglichst jede Region mit diesem Transportmittel erreichbar zu machen. So wie die Schweiz und andere Staaten es bis heute machen, wo die Bahn funktioniert. Dann kamen die Ideen der Privatisierung und das Unternehmensziel heißt Profit. Seitdem bröckeln die Schienen, die Brücken, das Personal und die Bahn wurde zur europäischen Lachnummer. Statt hochtrabende Deutschlandtakte für viel Geld umzusetzen zu versuchen, sollten die Verantwortlichen bei der Bahn und in der Politik ihre eigentlichen Hausaufgaben machen: Das heißt, eine pünktliche und zuverlässige Bahn zu ermöglichen. Wenn die Gelder für die Deutschlandtakttrassen erst einmal ausgegeben sind, ist für die Sanierung der alten Brücken im alten Schienenverkehr und deren Ausbau kein Geld mehr übrig. [...] Lesen Sie auch: Neue ICE-Strecke: Beliebtem Bielefelder Naturschutzgebiet drohen massive Eingriffe Oma Lina könnte dann zwar von Steinhagen nach Berlin fahren, kommt aber wegen marodem Schienennetz vom Heimatort nicht zum nächsten Deutschlandtaktbahnhof, der dann Bielefeld wäre. Und dort fährt der Zug möglicherweise nicht, weil Bielefeld nur ein Bedarfshalt ist. Bei Verspätungen hält der Zug zwischen Dortmund und Hannover nicht an. Weil der &bdquo;Deutschlandtakt“ eingehalten werden muss. Sven Christeleit 333605 Bielefeld Leserin aus Bielefeld: Aue als &bdquo;Hotspot“ an Artenvielfalt Jenseits von Visionen einer ICE-Schnellbahntrasse gibt es die leider harte Realität und die heißt: anhaltendes Artensterben. Die Johannisbachaue gehört mit ihrer hohen Anzahl an vielfach gefährdeten Pflanzen- und Tierarten zu den artenreichsten Gebieten Bielefelds. Vor allem bezogen auf die Vögel ist die Aue ein &bdquo;Hotspot“ an Artenvielfalt. Denn hier kann man noch stark gefährdete Vogelarten wie Kiebitz, Rebhuhn, Feldlerche, Nachtigall, Kuckuck, Gelbspötter und Schwarzkehlchen real erleben, die in der Aue einen letzten Brut- und Lebensraum der gesamten Region vorfinden. Für weitere seltene Vögel wie Rotmilan, Baumfalke, Bekassine oder Braunkehlchen dient das Gebiet als Nahrungs- und Rasthabitat. Ein Publikumsmagnet, gerade auch für Familien, sind zudem die Weißstörche. Auch der attraktive Neuntöter kommt hier inzwischen als Brutvogel vor.Die Heckrinder könnten sich vermutlich mit einer Schnellbahntrasse arrangieren, aber nicht die bedrohten Vogelarten. Eine Schnellbahntrasse quer durch die Aue würde diesen einzigartigen Artenreichtum zerstören. Lesen Sie auch: Trotz finanziellem Engpass hält die Bahn an ICE-Trasse fest Für die Trasse gibt es Alternativen, für die Vögel der Johannisbachaue gilt dies weiträumig nicht. Es sollte Bielefeld zu denken geben, dass sich andere von der Trasse betroffenen Kommunen in OWL und Niedersachsen in einzigartiger Eintracht deutlich dagegen aussprechen, aus guten Gründen und nicht aufgrund einer &bdquo;reflexhaften Abwehr“, wie es Christopher Kopper formulierte. Claudia Quirini-Jürgens 33659 Bielefeld Leser aus Bielefeld: &bdquo;An Ignoranz schwer zu toppen“ Christopher Kopper outet sich zu einem glühenden Befürworter einer ICE-Neubautrasse zwischen Bielefeld und Hannover. Ich finde das Interview eigentlich unsäglich. Man ist einigermaßen überrascht, dass Kopper in seinen Argumentationen pro Neubautrasse im Allgemeinen verharrt, an der Oberfläche bleibt und die gravierenden ökologischen Auswirkungen eines solchen Mammut-Projekts verantwortungsfern herunterspielt. In vielen Punkten zeigt das Interview zudem, dass Kopper von Natur- und Artenschutz keine Ahnung hat. Seine Einlassung, dass die Heckrinder ja auch unter einer aufgeständerten Brücke grasen könnten, ist an Ignoranz schwer zu toppen. Allein die Freilegung des Baufeldes für eine ICE-Neubaustrecke würde die gesamte Johannisbachaue derartig verwüsten, dass schutzwürdige Gebiete für Fauna und Flora unwiederbringlich zerstört wären. [...] Professor Kopper führt die Schweiz als Musterbeispiel für eine gelungene Zukunftsorientierung des Systems Schiene an. Recht hat er! Die Schweizer investierten systematisch über Jahrzehnte hohe Investivmittel in ihre Bahninfrastruktur, so dass sie heute über ein funktionstaugliches Netz verfügen. Fern- und Regionalzüge fahren dort im verlässlichen Takt und pünktlich. Unsere Nachbarn verzichten hierbei auf aufwendige Schnellfahrstrecken! Sie haben erkannt: Auf lange Sicht zahlen sich derart kostenintensive Sondertrassen nicht aus – wohl aber, wenn die dafür notwendigen immens hohen finanziellen Mittel in den Ausbau der Bestandsstrecke Bielefeld-Hannover fließen würden, was den charmanten Vorteil hätte, dass noch eine Menge &bdquo;Restgeld“ für andere, dringend notwendige Modernisierungen und Ausbaumaßnahmen unseres Bahnstreckennetzes zur Verfügung stünde. Michael Dresbach 33604 Bielefeld Leser aus Bielefeld: &bdquo;Bahn fährt eine vollkommen andere Strategie“ Paris, Moskau, Warschau, Aachen, Chur, Görlitz, Genf, Lübeck, Bern, Basel, Bad Harzburg, Karlsruhe, Wiesbaden, Hamburg. Was zeichnet diese Städte aus? All das sind Städte, zu denen man früher von Bielefeld ohne Umsteigen direkt mit der Bahn fahren konnte. Dazu kommen natürlich die zahllosen Bahnhöfe auf den zulaufenden Strecken. Mittlerweile fährt die Bahn eine vollkommen andere Strategie. Es sind nur noch wenige schnelle Direktverbindungen verblieben: nach Berlin, Hannover und nach Köln als ICE-Strecke. Dazu kommen die langsamen Züge nach Hengelo, Münster und Braunschweig, sowie der Zug nach Leipzig. Im Übrigen verweist die Bahn die Fahrgäste auf das Umsteigen, was oft nicht klappt: Nur 41 Prozent der Züge verlassen den Bahnhof Bielefeld pünktlich laut Google. Das schafft Frust. Lösung soll ein integrierter Taktfahrplan sein, der die Fahrgäste dann im Halbstundentakt von elf Hauptknoten wie ein pumpendes Herz in die Fläche verbringt. Grundsätzliche Voraussetzung wären neue Hochgeschwindigkeitstrassen unter anderem die Trasse von Bielefeld unter Durchschneidung der Johannisbachaue nach Hannover. Die Frage darf erlaubt sein, mit welchem Recht die Bahn behauptet in der Lage zu sein, ein solch komplexes System zum Funktionieren zu bringen, wenn schon der jetzige nicht abgestimmte Fahrplan nicht funktioniert. Denn je komplexer ein solcher Fahrplan ist, desto sicherer müssen alle Störfaktoren eliminiert sein. [...] Dass man die Johannisbachaue retten könne, ist schon von daher Augenwischerei, da die neue Brücke in den wertvollen, artenreichen Großseggenriedern gegründet werden müsste. Diese sind aber auf hohe Grundwasserstände angewiesen, auf denen man keine Brückenpfeiler gründen kann.Im Gegensatz zur Auffassung des sicher verdienten Verkehrsexperten Kopper halte ich es für eine schlechte Idee, die Landschaft mit gigantischen Hochgeschwindigkeitstrassen zuzupflastern.Eine gute Idee wäre es hingegen, die vielen Strecken, auf denen das zweite Gleis abgebaut wurde, wieder zu ertüchtigen. Dann kann man von Bielefeld aus stressfrei wieder fast überall hinfahren. Thomas Keitel 33607 Bielefeld Leserin aus Bielefeld: &bdquo;Nicht mehr nachzuvollziehen“ In der Schweiz kommt man mit der Bahn pünktlich an und fährt pünktlich ab – aber dazwischen reist man relativ langsam. Kleine Verzögerungen ändern so nichts am planmäßigen Eintreffen. Da man mit Auto oder Bus definitiv nicht schneller ist, man in Zügen auch Fahrräder und größeres Gepäck mitnehmen kann, die Züge solide gewartet werden und fast alle größeren Orte an das Schienennetz angebunden sind, ist in der Schweiz die Bahn die erste Wahl – und das nicht erst seit Einführung der Taktung. Ein &bdquo;Deutschlandtakt“ ließe sich, wenn er wie in der Schweiz gedacht würde, auch mit weniger Neubaustrecken verwirklichen. Aber in Deutschland soll die Bahn natürlich auch im &bdquo;Deutschlandtempo“ fahren. Was aber ändern neue Höchstgeschwindigkeitsstrecken am schlecht gewarteten Material? Ein Zug mit einem technischen Defekt wird durch einen Deutschlandtakt nicht pünktlicher. Wird dadurch das Personal besser ausgebildet oder mehr Personal eingesetzt? Passt sich die Bahn damit flexibler meinen Bedürfnissen als Kunde an? Gibt es damit auch mehr Verbindungen? Bekommen damit alle Züge (nicht nur die neuen Hochgeschwindigkeitszüge) eine bessere Aufenthaltsqualität? .responsive23-5h8fnJhULhFlydER-map-bahntrasse-bielefeld-hannover { width: 100%; padding-top: 100%; } @media (max-width: 600px) { .responsive23-5h8fnJhULhFlydER-map-bahntrasse-bielefeld-hannover { padding-top: 100%; } } @media (max-width: 360px) { .responsive23-5h8fnJhULhFlydER-map-bahntrasse-bielefeld-hannover { padding-top: 142.86%; } } Letztendlich bedeuten diese vielen Milliarden Euro, die in einen Neubau der ICE-Strecke fließen sollen, eben keine Investition in ein Verkehrsmittel Schiene, das für eine breite Menge attraktiv ist. Das aber brauchen wir aus sozialen und nachhaltigen Gesichtspunkten. Dass außerdem dabei noch eine Menge an Natur, die an sich schon sehr wertvoll ist, aber auch als Erholungsraum entscheidend zu unserer Lebensqualität beiträgt, unwiederbringlich zerstört werden soll, ist einfach nicht mehr nachzuvollziehen. Kathrin Weber 33649 Bielefeld Leser aus Bielefeld: &bdquo;Die Arten sind störanfällig“ Niemand wird Professor Kopper widersprechen, wenn er mehr Investitionen in die Schiene fordert. Aber ist es deshalb notwendig und sinnvoll, eine neue Schnellbahntrasse quer durchs Land zu schlagen? Eine Trasse, die in Bielefeld mit dem Johannisbachtal einen der wertvollsten hier noch erhaltenen Naturräume zerstören würde? Und im weiteren Verlauf eine Vielzahl weiterer Naturschutzgebiete? Auch von einem Verkehrsexperten, der an der Uni lehrt, erwarte ich, dass er bei einem solchen Votum abwägt und sich auch über die Belange informiert, für die er kein Experte ist. Was der Eingriff für das Johannisbachtal bedeutet, könne er nicht beurteilen, sagt er. Aber mit den paar Brückenpfeilern, die da gebaut würden, kämen die Heckrinder in der Aue schon klar, so seine Worte. Ganz traurig, Herr Professor, dass Sie offenbar von der Schutzwürdigkeit des Johannisbachtales keine Ahnung haben! Obwohl in dieser Zeitung (&bdquo;Neue Westfälische“) bis ins Detail seit vielen Jahren darüber berichtet wird. Darüber, dass es hier um den Schutz zahlreicher bedrohter Biotope und Arten geht, die es an anderen Stellen der Stadt kaum noch gibt. Und dass es überhaupt nicht um den Schutz der Heckrinder geht. Diese haben eine ganz andere Aufgabe, sie tragen durch Beweidung von Grünland zur Pflege und zum Offenhalten dieser Biotope bei. Die Arten, um die es geht, sind störanfällig. Und eine Trasse, die nicht nur mit ein paar Betonpfosten in der Aue verankert wird, die auch zwischen den beiden großen Brückenbauwerken als Damm das Tal in Längsrichtung zerschneiden wird, wird diese Arten massiv gefährden. [...] Adalbert Niemeyer-Lüllwitz 33649 Bielefeld News direkt aufs Smartphone: Hier finden Sie den kostenlosen Whatsapp-Kanal der NW Bielefeld

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