Crüwell-Haus zerstört: Historische Fotos zeigen Bielefelds Altstadt nach der Bombardierung 1944

Bielefeld. Als vor 80 Jahren Fliegerbomben die Bielefelder Innenstadt zerstörten und zahlreiche Gebäude und Bewohner den Flammen zum Opfer fielen, wurde auch der langen Erfolgsgeschichte des Tabakfabrikanten Crüwell ein vorläufiges Ende bereitet. Denn die alliierten Flugkörper trafen das Crüwell-Haus – einen prächtigen, spätgotischen Bau, den die Unternehmerfamilie als Produktionsstätte, Lager und für den Vertrieb feinsten Tabaks nutzte. Das Gebäude prägt bis heute wie kein anderes das Stadtbild der Bielefelder Altstadt. Nach der Bombardierung am 30. September 1944 stand von dem historischen Kleinod nur noch die Fassade. Der Angriff, der die Bielefelder City in Schutt und Asche legte, dauerte damals nur 30 Minuten. Geschichte des Bielefelder Crüwell-Hauses seit 1530 &bdquo;Die Produktion von Tabakwaren war lange ein Aushängeschild der Region – nicht nur in Bielefeld“, weiß der Stadtheimatpfleger Marc Wübbenhorst. Damit sei die Familie Crüwell ein musterhaftes Erfolgsbeispiel für das damals aufstrebende Bürgertum. &bdquo;Viele sprechen den Namen Crüwell übrigens französisch aus. Doch das Wort kommt eigentlich aus dem hiesigen Niederdeutschen und bedeutet Locke. Man vergleiche dies mit dem englischen Wort curl mit derselben Bedeutung“, erklärt Wübbenhorst, der fließend Plattdeutsch spricht. Der Ursprung des Unternehmens gehe auf das Jahr 1705 zurück, erläutert der Bielefelder Historiker Hans-Jörg Kühne. Der Gründer Johann Georg Crüwell solle damals im Haus seiner Schwiegereltern, ebenfalls in der Obernstraße, einen ersten Betrieb für Rolltabak gegründet haben. Den aus dem Jahr 1530 stammenden Bau in der Bielefelder Innenstadt mit dem markanten Staffelgiebel hatte sich die Familie 1813 zugelegt. Wohl, um den eigenen Status zu präsentieren, wie Marc Wübbenhorst sagt, was das aufkommende Selbstbewusstsein des Unternehmers im 19. Jahrhundert aufzeigen. Tatsächlich sei die Unterbringung der Produktionsanlagen in einem solchen Gebäude (noch vor der Einrichtung eines Ladens für den Verkauf) eher ungewöhnlich gewesen, gibt der Heimatpfleger zu bedenken. Bauten wie das Crüwell-Haus seien von vermögenden Bürgern sonst als Wohnräume genutzt worden. &bdquo;Ebenso sind solche Fabriken ein Kontrast zu den größeren, dafür optisch schlichten Produktionsstätten der späteren Industrialisierung gewesen.“ Den Höhepunkt erreichte die Firma, die zunächst Rauch- und später Schnupftabak herstellte, unter Arnold Crüwell (verstorben 1935) und dessen Schwiegersohn Richard Mitzlaff-Crüwell (verstorben 1985). Bielefelder Bombenangriff kam über den Johannisberg Doch als am 30. September 1944, um 13.49 Uhr, 257 amerikanische Flugzeuge den fürchterlichsten Bombenregen auf Bielefeld niedergingen lassen, wurde auch das Crüwell-Haus getroffen. &bdquo;Der Angriff kam vom Südwesten her, über den Johannisberg, und dauerte nur etwa 30 Minuten. Den größten Schaden richteten dann auch nicht die Sprengbomben, sondern die kleineren Brandbomben an“, weiß Historiker Hans-Jörg Kühne, der bereits mehrere Arbeiten zum Fliegerangriff 1944 auf Bielefeld veröffentlicht hat. &bdquo;Schließlich waren 80 Prozent der Innenstadt völlig zerstört und 649 Menschen gestorben.“ Tatsächlich hätten die US-Amerikaner es eher auf industrielle Ziele abgesehen, die Zerstörung der Innenstadt sei wohl nicht beabsichtigt gewesen, aber als &bdquo;Kollateralschaden“ in Kauf genommen worden, erklärt Kühne. Hauptziele waren Industrieanlagen im Nordosten: &bdquo;Diese sind dann etwa eine Woche später noch mal bombardiert worden.“ Zum Thema: 4. April 1945: So zerstört sah Bielefeld nach dem Ende der Bombenangriffe aus Wiederaufbau des Crüwell-Hauses nach dem Krieg Vom Crüwell-Bau stand schließlich nur noch die ebenfalls stark demolierte Fassade, die durch Mitzlaff-Crüwell und seine Mitarbeiter gesichert wurde. Der Wiederaufbau sollte schließlich erst 1949 erfolgen. Dafür war Paul Griesser verantwortlich: &bdquo;Der Architekt Griesser verfolgte dieses Konzept der Heimatschutzarchitektur. So restaurierten er und seine Mitstreiter gleich mehrere Gebäude in der Stadt, was diese sicherlich auch vor dem Abriss bewahrte – wie es leider sonst viele Bauten in der Nachkriegszeit betraf“, sagt Kühne. Dabei sei das Crüwell-Haus sogar noch vor der Altstädter Nicolaikirche (ab 1952) wiederaufgebaut worden. &bdquo;Heute ist das Crüwell-Haus schlicht eines DER Wahrzeichen Bielefelds!“ Mitzlaff-Crüwell gelang es schließlich, das Unternehmen in der Nachkriegszeit fortzuführen. Doch hatte sich die hauseigene Produktion, wie bei vielen Firmen, bald nicht mehr gelohnt – 1982 war Schluss. &bdquo;Pfeifentabak war damals vielleicht noch was für alte Seebären“, scherzt Wübbenhorst. &bdquo;In den Achtzigern aber entdeckten gerade die Frauen – auch als Zeichen der Emanzipation – das Rauchen und internationale Zigarettenmarken für sich.“ Lesen Sie auch: Bombenhagel in Bielefeld: Wie Ilse Eßmann den 30. September 1944 überlebte Firma Crüwell gibt es in Bielefeld bis heute Dennoch existiert die Firma Gebr. Crüwell KG nach wie vor: Neben dem eigenen Laden Crüwell Tabakhaus vermietet sie Räumlichkeiten im geschichtsträchtigen Bau, der ihren Namen trägt. Das Crüwell-Haus, dessen spätgotische Fassade bis heute die Blicke der Passanten auf sich zieht, ist somit nicht bloße Bausubstanz oder reines Postkartenmotiv. Vielmehr spiegelt sich in seiner Geschichte die der ganzen Stadt und der Region wider – vom Spätmittelalter über den Aufstieg des Bürgertums in der Moderne und den Niedergang der Tabakindustrie bis hin zu Krieg und Neuanfang. (von Mark-André Strunk) Weitere Informationen zum Fliegerangriff am 30. September 1944 finden sich beim &bdquo;Historischen RückKlick“ des Stadtarchivs Bielefeld in Form des Aufsatzes (2014) von Bernd J. Wagner.

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